Dass die Kunst der Moderne sich von kirchlichen Verpflichtungen und christlichen Lehren befreit hat, ist ein Gemeinplatz. Der Verzicht auf die Darstellung biblischer Themen
ist nur ein äußeres Anzeichen für die tiefe Entfremdung zwischen Kunst und Christentum. Andererseits werden dieser Kunst gleichwohl vielfältige
religiöse Ambitionen nachgesagt. Sie sind freilich nicht an theologische Vorgaben gebunden. Ihre Motive reichen von der Kritik an kirchlichen Lehren und Institutionen
über die Ablehnung aller Transzendenz bis hin zur Ausbildung von Mischformen aus Elementen verschiedener Religionen und zu Formulierungen einer
grundsätzlich freien, sehr individuellen, auch ganz privaten Religiosität. Ist das unter den Bedingungen einer autonom sich verstehenden Kunst überhaupt
möglich? Wie äußern sich religiöse Vorstellungen auf dem Niveau der Kunst - etwa in der Sprache der Malerei? Welche religiösen
Vorstellungen sind es, die sich in dieser Sprache äußern? Lassen sie sich auf bekannte Formen und Inhalte von Religion oder auch ihrer Kritik
zurückführen oder ist die Sprache der Malerei noch zu ganz anderen Ideen und Reflexionen fähig? Gibt es so etwas wie Religion aus Malerei? Wäre
daraus für das Nachdenken über etablierte Religionen wie das Christentum etwas zu lernen? Anlässlich der Ehrenpromotion von Arnulf Rainer durch die
Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster und der Ausstellung Arnulf Rainer. Auslöschung und Inkarnation im
Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte ging eine interdisziplinäre Vortragsreihe von Kunstwissenschaftlern und Theologen diesen
Fragen nach.