Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Geologisch-Paläontologisches
Institut und Museum

Corrensstr. 24
48149 Münster
Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. H. Strauß
 
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 14 - Geowissenschaften
Geologisch-Paläontologisches Institut und Museum
Historische und Regionale Geologie (Prof. Dr. H. Strauß)


Forschungsbericht Ellesmere Island und Spitzbergen - Dr. Karsten Piepjohn

Die Forschungsschwerpunkte konzentrierten sich in den Jahren 2001 und 2002 auf strukturgeologische Aufnahmen

  1. an der Nordküste Ellesmere Islands (Nunavut - Kanada) sowie (2, 3) im nördlichen Bereich der Insel Spitzbergen (Svalbard - Norwegen)

    (1a)
    Im Altpaläozoikum entwickelte sich am Nordrand Laurentias das Franklinian Basin mit der Ablagerung km-mächtiger kambro-silurischer mariner Sedimentfolgen. Nördlich dieses passiven Kontinentalrandes liegt ein etwa 250 km langes Krustenfragment (Pearya) aus proterozoischem Basement und kaledonisch deformiertem Altpaläozoikum, das als "exotic terrane" nach dem Silur seine Position nördlich des Franklinian Basins an der Nordküste von Ellesmere Island (Nunavut - Kanada) eingenommen hat. Die strukturgeologischen Arbeiten im Sommer 2001 konzentrierten sich auf die Plattengrenze zwischen Pearya und dem Franklinian Basin, um die dynamischen Vorgänge während der Annäherung Pearyas und der Schließung des Franklinian Basins zu analysieren. Die zahlreichen Störungszonen parallel zur Plattengrenze sowie die Nahtstelle selbst zeigen Strukturen intensiver krustaler Verkürzung bei der Annäherung Pearyas von Norden und seiner Andockung an das Franklinian Basin während der Ellesmerischen Deformation. Die Störungszonen sind durch steile bis überkippte, südwärts gerichtete Aufschiebungen charakterisiert und von der Bildung von Kalkmyloniten begleitet. Während der tertiären Eurekan Deformation wurden die paläozoischen Störungen zunächst als kompressive Überschiebungszonen und anschließend als dextrale strike-slip Störungen re-aktiviert, die mit der Öffnung des Eurasischen Beckens und des Nordatlantik in Zusammenhang stehen müssen.

    (1b)
    Nach den Vorarbeiten 1998, 1999 und 2000 konnte im Sommer 2001 durch Geländebefunde, Beobachtungen bei Helikopterflügen und Video-Aufzeichnungen ein 320 km langer Transsekt von der Nordküste Ellesmere Islands bis zur Nares Strait im Südosten konstruiert werden. Mit Hilfe dieses Profilschnitts und der strukturgeologischen Aufnahme zahlreicher Aufschlüsse ist es erstmals möglich, die strukturelle Architektur (i) des ellesmerisch deformierten Franklinian Basins in seiner vollen Breite, (ii) dem diskordant überlagernden Sverdrup Basin und (iii) den Überschiebungen der tertiären Eurekan Deformation zu interpretieren. Demnach ist der jung-paläozoische Ellesmerian Fold-and-Thrust Belt durch eine engständige Verfaltung mit Chevron-Falten im km-Maßstab gekennzeichnet, die eine Verkürzung des Franklinian Basins von ursprünglich mindestens 600 auf heute ca. 300 km Breite anzeigen. Demgegenüber ist die Eurekan Deformation auf distinkte Überschiebungszonen konzentriert, deren Verkürzung weitaus geringer ist als die der ellesmerischen Deformation.

  2. Das Hauptziel der vom Norsk Polarinstitutt (NPI) im Frühling 2001 durchgeführten Motorschlitten-Expedition in die vergletscherten Gebirge NE-Spitzbergens lag neben der Kartierung paläozoischer und proterozoischer metamorpher Gesteinseinheiten der Kaledoniden vor allem in der strukturgeologischen Aufnahme der Deformations-Evolution. Diese Arbeiten stehen in Zusammenhang mit der Frage, ob die Kristallingebiete E-Spitzbergens und NW-Spitzbergens Terranes darstellen und wann diese Terranes angedockt haben. Im Gegensatz zu der in der Literatur verbreiteten Ansicht einer Annäherung der Terranes im Oberdevon ist ein prädevonisches, spätkaledonisches Andocken der Terranes am Ende der Schließung des Iapetus wahrscheinlicher. Hier sind jedoch weitere Arbeiten nötig, die eventuell im Jahre 2005 bei einer geplanten Expedition des NPI nach Ny Friesland und Nordaustlandet durchgeführt werden könnten.

  3. Im Sommer 2001wurden die Kartierarbeiten im devonischen Andrée Land Becken unter Federführung des Norsk Polarinstitutts und in Zusammenarbeit mit dem GPI der Uni Tübingen fortgesetzt und abgeschlossen. Neben der Kartierung standen abschließende strukturgeologische Aufnahmen im Vordergrund hinsichtlich der Frage, ob die post-devonische Svalbardische Deformation durch Kompression oder durch sinistrale Transpression mit einer lateralen Komponente von mehr als 200 km entlang der Billefjorden Fault Zone verursacht wurde. Obwohl eine größere sinistrale Störungszone im südlichen Teil des Andrée Land Beckens entwickelt ist, zeigen die Geländebefunde, daß die Svalbardische Deformation durch orthogonale E-W-Kompression erfolgte. Das Alter der Svalbardischen Deformation konnte durch palynologische Untersuchungen in Münster auf den Zeitraum zwischen Famennium und höchstes Tournaisium eingegrenzt werden und stimmt damit sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Orientierung der Struktureinheiten mit der Ellesmerischen Deformation in Nordgrönland und Ellesmere Island überein. Damit sind letzte Zweifel beseitigt, daß der Svalbardian Fold-and-Thrust Belt die östliche Fortsetzung eines mehrere 1000 km langen oberdevonisch/unterkarbonischen Faltengürtels darstellt, der sich von Spitzbergen über Nordgrönland bis in das Zentrum des kanadischen arktischen Archipels erstreckt.
Die Expedition CASE 7 (Correlation of Circum-Arctic Structural Events) nach Ellesmere Island im Sommer 2001 wurde von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR, Hannover) in Zusammenarbeit mit dem Geological Survey of Canada (GSC, Calgary) durchgeführt. Die Organisation lag in den Händen des Polar Continental Shelf Projects (PCSP) in Resolute Bay. Daneben wurde eng mit dem GPI der Uni Erlangen kooperiert. Die Expeditionen nach Spitzbergen im Frühling 2001 und im Sommer 2001 wurden vom Norsk Polarinstitutt in Tromsø durchgeführt. Neben dem GPI der Uni Münster waren an diesen Expeditionen Mitglieder der Geologischen Institute aus Iowa (USA) und Tübingen beteiligt.

Drittmittelgeber:

Bundesanstalt für Geowissenschafte und Rohstoffe, Geological Survey of Canada, Norsk Polarinstitut Tromsö, Wissenschaftlich-Technologische Zusammenarbeit Deutschland-Kanada (WTZ)

Beteiligte Wissenschaftler:

Dr. Karsten Piepjohn, Fachkollegen des Geological Survey of Canada, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Geologisch-Paläontologische Institute der Universitäten Erlangen, Iowa und Tübingen

Veröffentlichungen:

Als Haupt- oder Co-Author beteiligt an folgenden Publikationen in: Tessensohn, F. (Hrsg.) (2001): Intra-Continental Fold Belts - CASE 1: West Spitsbergen, Polar Issue No. 7. - Geologisches Jahrbuch, B 91, 1-773; Hannover:

Thiedig, F., Saalmann, K. & Piepjohn, K.: Explanatory Notes to the Geological Map of Brøggerhalvøya und Blomstrandhalvøya 1 : 40,000, 25-51.

Thiedig, F. & Piepjohn, K.: Geological Map of Brøggerhalvøya and Blomstrandhalvøya, NW Spitsbergen 1 : 40, Map 1.

Piepjohn, K., Thiedig, F. & Manby, G.M.: Nappe Stacking on Brøggerhalvøya, NW Spitsbergen, 55-79.

Tessensohn, F., Piepjohn, K. & Thiedig, F.: Foreland-Thrust Belt Relationships SE of Kongsfjorden and the Function of the Pretender Fault, 83-104.

Piepjohn, K. & Gosen, W. von: The Southern Margin of the Belt of Emergent Thrusting on the North Coast of Isfjorden, 129-156.

Tessensohn, F., Gosen, W. von & Piepjohn, K.: Permo-Carboniferous Slivers Infolded in the Basement of Western Oscar II Land, 161-199.

Gosen, W. von, Paech, H.-J. & Piepjohn, K.: Involvement of Basal Tertiary Strata in the Fold-Belt Deformation in Nordenskiöld Land, 229-242.

Gosen, W. von & Piepjohn, K.: Thrust Tectonics North of Van Keulenfjorden, 247-272.

Gosen, W. von & Piepjohn, K.: Polyphase Deformation in the Eastern Hornsund Area, 291-312.

Thiedig, F., Manby, G.M. & Piepjohn, K.: Involvement of the Hornsund High in the Fold-Belt Deformation, 343-358.

Gosen, W. von, Piepjohn, K. & Paech, H.-J.: Structural Setting of the West Spitsbergen Fold-and-Thrust Belt in Southern Sørkapp Land, 363-377.

Piepjohn, K., Saalmann, K., Thiedig, F. & Paech, H.-J.: The Relationship of the Ny-Ålesund Tertiary to the West Spitsbergen Fold-and-Thrust Belt, 447-470.

Piepjohn, K. & Gosen, W. von (2001): Polyphase deformation at the Harder Fjord Fault Zone (North Greenland). - Geological Magazine, 138 (4), 407-434.

Gosen, W. von & Piepjohn, K. (eingereicht): Eurekan transpressive deformation in the Wandel Hav Mobile Belt (northeast Greenland). - Tectonics.

Keiter, M., Piepjohn, K., Ballhaus, C., Bode, M. & Lagos, M. (eingereicht): Structural development of high-pressure metamorphic rocks on Syros island (Cyclades, Greece). - Journal of Structural Geology.

Piepjohn, K., von Gosen, W., Tessensohn, F. & Saalmann, K. (eingereicht): The Ellesmerian Fold-and-Thrust Belt (Ellesmere Island, Nunavut) and its Eurekan overprint. - Bulletin of the Geolgical Society of Canada.

Präsentation der Arktis-Ausstellung von K. Piepjohn (Münster) und K. Saalmann (Frankfurt):

  • 21. 01. 2001 bis 04. 03. 2001 "Die Arktis im Wandel der Zeiten" Fuhlrott-Museum Wuppertal
  • 11. 01. 2002 bis 15. 02.2002 "Spitzbergens Kontinentalwanderung" Geologisches Institut der Universität Tübingen im Rahmen des Jahres der Geowissenschaften - Planet Erde
  • 07. 04. 2002 bis 05. 05. 2002 "15.000 km in 600 Mio Jahren - Die Wanderung Spitzbergens vom Südpol zum Nordpol" Heimatmuseum Rodgau-Jügesheim im Rahmen des Jahres der Geowissenschaften - Planet Erde
  • 19. 11. 2002 bis 11. 03. 2003 "Spitzbergen: in 600 Millionen Jahren vom Südpol zum Nordpol" Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover
 
 

Hans-Joachim Peter
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Datum: 2003-06-18