Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Institut für Experimentelle Audiologie

Kardinal-von-Galen-Ring 10
48143 Münster
Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. B. Lütkenhöner
 
Tel. (0251) 83-56861
Fax: (0251) 83-56882
e-mail: Lutkenh@uni-muenster.de
www: http://biomag.uni-muenster.de/
[Startseite (Rektorat)] [Inhaltsverzeichnis] [vorherige Seite] [nächste Seite]
     

[Pfeile  braun]

Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Institut für Experimentelle Audiologie
Biomagnetismus und Biosignalanalyse


Funktionelle Organisation und plastische Reorganisation des auditorischen Kortex beim Menschen

Musikalische Ausbildung und jahrelanges Training sind Beispiele für den Erwerb hochspezialisierter Fähigkeiten, die zu plastischen Veränderungen des auditorischen und somatosensorischen Kortex führen. Aus Tierversuchen sind solche plastischen Reorganisationen infolge von Lernen unter Laborbedingungen bekannt. Mittels Magnetencephalographischer (MEG) Untersuchungen lassen sich Veränderungen der kortikalen Repräsentation als Änderung in der Größe der sensorisch evozierten Hirnaktivität am Menschen nichtinvasiv nachweisen.
 
•  

Trompetenspieler nutzen in Kombination taktile Informationen von Lippe und Fingern sowie auditorische Informationen, um ihre musikalische Performance zu optimieren. In einer vergleichenden MEG Studie an professionellen Musikern und Kontrollpersonen wurden Trompetentöne als auditorische Stimuli und haptische Stimuli an der Lippe und den Fingern einzeln und in Kombination verwendet und dadurch evozierte kortikale Magnetfelder abgeleitet. Trompetenspieler zeigten im Gegensatz zu der Kontrollgruppe eine multimodale Interaktion, ausgedrückt als größere evozierte Aktivität auf den multimodalen Stimulus als die Summe von unimodaler auditorischer und somatosensorischer Stimulation der Lippe. Durch Training induzierte Reorganisation im Gehirn professioneller Musiker führt zu einer differenzierten Art der Verarbeitung multisensorischer Informationen. Durch modifizierte Verbindungen zwischen multimodalen und auditorischen Neuronen im Thalamus und primären somatosensorischen Bereichen wird eine frühe Station kortikaler Verarbeitung in Trompetenspielern verbessert.
 

•  

In einer MEG Studie wurde nachgewiesen, daß die Hirnantworten auf Instrumentalklänge (Violine und Trompete) bei Musikern größer sind, als die Antworten auf Sinustöne, während diese Präverenz bei Nichtmusikern nicht ausgeprägt war.
 

•  

Vergrößerte Representation einer sensorischen Modalität im Kortex bringt den Vorteil einer verbesserten Diskriminationsleistung, kehrt sich aber zu einem Nachteil um, wenn benachbarte Hirnareale ineinander übergehen. So können Musiker berufsunfähig werden, wenn sich die Repräsentation ihrer Finger in überlappende Kortexareale ausdehnt und sie benachbarte Finger nicht mehr unabhängig bewegen können (fokale Dystonie der Hand). Mittels MEG Untersuchungen wurde die vergrößerte kortikale Repräsentation und ihre Umkehr während der Therapie aufgezeigt.
 

•  

Die Mora ist eine Einheit für die Dauer phonetischer Segmente, die in der Japanischen Sprache eine große Bedeutung für die Unterscheidung sonst gleicher Silben hat. Deutschsprachige Versuchspersonen verbesserten durch Training innerhalb von zwei Wochen ihre Diskriminationsleistung zuvor unbekannter japanischer Silben. Parallel durchgeführte MEG Untersuchungen zeigten einen Anstieg der Amplitude des Mismatch-Negativitäts-Feldes, einer Komponente auditorischer Hirnaktivität, die mit der automatischen Erkennung einer Änderung innnerhalb einer Sequenz sonst gleicher Stimuli einhergeht. Die Korrelation zwischen verbesserter Testleistung und neurophysiologischer Sensitivität nach dem Training weist auf einen starken Zusammenhang zwischen Lernen und plastischen Veränderungen in kortikalen Strukturen hin.
 

•  

Blinde sind auf verstärkte Nutzung auditorischer Informationen angewiesen, um sich in ihrer Umwelt zu orientieren. Eine signifikante Vergrößerung der auditorisch evozierten Antwort und Verkürzung der Latenz wurde interpretiert als erweiterte kortikale Repräsentation auditorischer Information infolge stärkerer Nutzung der auditorischen Modalität und der Abwesenheit visueller Informationen.
 

•  

Lernen führt zu einer Veränderung neuronaler Verbindungen im Gehirn. Es wurde untersucht, in welchem Maße eine durch Training verbesserte taktile Frequenzdiskrimination mit einer Ausdehnung der Repräsentation im primären somatosensorischen Kortex einhergeht. MEG Untersuchungen begleiteten intensives Training der taktilen Frequenzdiskrimination und maßen die Stärke des somatosensorisch evozierten Magnetfeldes als Korrelat der Repräsentation der Finger im primären somatosensorischen Kortex.
 

•  

Durch ein Cochlear-Implant erhält der auditorische Kortex Informationen, von denen er zuvor abgetrennt war. Es wird angenommen, daß es dadurch zu einer Reorganisation der neuronalen Verbindungen im Hörkortex kommt. Vielkanalige auditorisch evozierte Potentiale wurden von einem Patienten mit hochgradigem Hörverlust vor und nach Versorgung mit einem Cochlear-Implantat (CI) abgeleitet. Unmittelbar nach Aktivierung des CI waren frühe Komponenten der auditorisch evozierten N1 Antwort nachweisbar. Spätere Komponenten entwickelten sich während des Gebrauchs des CI.

Projektdauer:

01.04.2001 bis 31.03.2003

Drittmittelgeber:

DFG, PA392/6-4

Beteiligte Wissenschaftler:

Dr. B. Ross (Leiter), Prof. Dr. C. Pantev (Toronto), Dipl.-Ing. A. Wollbrink, M. Schulz, Dr. T. Imai, Dipl. Psych. S. Kamping, Dr. P. Sörös, Dr. H. Menning, Prof. Dr. T. Elbert (Konstanz), Prof. Dr. L.E. Roberts (McMaster, Hamilton), Dr. A. Engelien (Cornell Univ. Med. College, NY)

Veröffentlichungen:

Imai, T., Kamping, S., Breitenstein, C., Pantev, C., Lütkenhoner, B., S. Knecht: Learning of tactile frequency discrimination in humans. Hum. Brain Mapp., Vol. 18(4), 260-271, 2003

Schulz, M., Ross, B., C. Pantev: Evidence for training-induced crossmodal reorganization of cortical functions in trumpet players. Neuroreport, Vol.14(1), 157-161, 2003

Elbert, T., Sterr, A., Rockstroh, B., Pantev, C., Müller, M.M., E. Taub: Expansion of the tonotopic area in the auditory cortex of the blind. J. Neurosci. Vol. 22, 9941-9944, 2002

Pantev, C., Ross, B., Wollbrink, A., Riebandt, M., Delank, K.W., Seifert, E., A. Lamprecht-Dinnesen: Acoustically and electrically evoked responses of the human cortex before and after cochlear implantation. Hear. Res., Vol. 171(1-2), pp 191-195, 2002

Menning, H., Imaizumi, S., Zwitserlood, P., C. Pantev: Plasticity of the human auditory cortex induced by discrimination learning of non-native, mora-timed contrasts of the Japanese language. Learn. Mem., Vol.9(5), 253-267, 2002

Pantev, C., Engelien, A., Candia, V., T. Elbert: Representational cortex in musicians. Plastic alterations in response to musical practice. Ann. N.Y. Acad. Sci., Vol. 930, 300-314, 2001{p} Pantev, C., Roberts. L.E., Schulz, M., Engelien, A., B. Ross: Timbre-specific enhancement of auditory cortical representations in musicians. Neuroreport, Vol. 12(1), 169-174, 2001

Sörös, P., Knecht, S., Bantel, C., Imai, T., Wusten, R., Pantev, C., Lütkenhöner, B., Burkle, H., H. Henningsen: Functional reorganization of the human primary somatosensory cortex after acute pain demonstrated by magnetoencephalography. Neurosci. Lett., Vol. 298(3), 195-198, 2001

Sörös, P., Teismann, I., Manemann, E., Michael, N., Pfleiderer, B., Ross, B., C. Pantev: Interindividual and interhemispheric differences of brain function: An MEG study of auditory short-term adaptation. In: Nowak, H., Haueisen, J., Giessler, F., R. Hounker (Eds.): Biomag2002 Proc. 13th Int. Conf. on Biomagnetism. VDE Verlag GMBH, Berlin, 125-127, 2002

Fujioka, T., Trainor, L.J., Ross, B., Kakigi, R., C. Pantev: Cortical representation of pitch contour and interval changes of melodies. In: Biomag2002 Proc. 13th Int. Conf. on Biomagnetism. Nowak, H., Haueisen, J., Giessler, F., R. Hounker (Eds.), VDE Verlag GMBH, Berlin, 65-67, 2002

Knief, A., Schulte, M., Lamprecht-Dinnesen, A., C. Pantev: Object representation of sequential and simultaneous binaural sounds. In: Nowak, H., Haueisen, J., Giessler, F., Hounker, R. (Eds.): Biomag2002, Proc. 13th Int. Conf. on Biomagnetism. VDE Verlag GMBH, Berlin, 80-82, 2002

Okamoto, H., Ishii, R., Ross, B., Curlia-Guy, E., Nedzelski, J.M., Kubo, T., Kakigi, R., C. Pantev: A new stimulation paradigm for the investigation of auditory habituation effects. In: Nowak, H., Haueisen, J., Giessler, F., R. Hounker (Eds.): Biomag2002, Proc. 13th Int. Conf. on Biomagnetism. VDE Verlag GMBH, Berlin, 98-100, 2002

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO05AWB05
Datum: 2003-08-05