Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,
insbes. Controlling

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48143 Münster
Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Berens
 
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 04 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Controlling


Wertorientiertes Risikomanagement in der Schaden- und Unfallversicherung

Ausgangssituation
In vielen Versicherungsunternehmen hat in jüngster Zeit aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren ein Paradigmenwechsel von der Umsatz- zur Wertorientierung stattgefunden. Seit der Deregulierung des deutschen Versicherungsmarktes im Jahre 1994 und der damit verbundenen marktweiten Preistransparenz sehen sich die Versicherungsunternehmen einem verstärkten Wettbewerbsdruck und ausgeprägten Konzentrationstendenzen ausgesetzt. Der Margenverfall im originären Versicherungsgeschäft konnte bis vor einigen Jahren jedoch im Rahmen des sogenannten “Cash Flow Underwriting“ durch hohe Kapitalanlagegewinne überkompensiert und somit eine auskömmliche operative Verzinsung auf das eingesetzte Kapital sichergestellt werden. Neben diesen durch das Marktumfeld geprägten Einflussfaktoren werden die Versicherungsunternehmen auch durch institutionelle Rahmenbedingungen vermehrt zu einer integrierten Risikosteuerung auf Gesamtunternehmensebene angehalten. Als Stichworte seien an dieser Stelle die erhöhten Transparenzerfordernisse durch internationale Rechnungslegungsvorschriften, DRS 5-20 und KonTraG sowie die aufsichtsrechtliche Anerkennung interner Risiko- und Solvabilitätsmodelle im Rahmen von “Solvency II“ genannt. Die deutschen Schaden- und Unfallversicherer bewegen sich somit in einem Spannungsfeld zwischen aufsichtsrechtlichen Vorschriften und ökonomischer Realität.

Problemstellung
Der Unternehmenserfolg eines Schaden- und Unfallversicherers ist grundsätzlich von Risiken beeinflusst, die sowohl aus der Schadenentwicklung als auch aus dem Verlauf der Kapitalmärkte resultieren. Die jüngsten Marktentwicklungen legen den Schluss nahe, dass durch die traditionell isolierte Betrachtung dieser Risiken keine hinreichende Unternehmenssteuerung gewährleistet werden kann. Vielmehr haben sich die Interdependenzen zwischen versicherungstechnischen Risiken und Kapitalmarktrisiken als kritische Faktoren erwiesen. Unter dem Begriff des “Asset Liability Management“ (ALM) wird daher eine simultane Aktiv-/ Passivsteuerung intensiv diskutiert. ALM beinhaltet im Kern die zielgerichtete Abstimmung des Kapitalanlageportfolios (assets) mit den durch das Versicherungsgeschäft induzierten versicherungstechnischen Verpflichtungen (liabilities).

Ziel einer wertorientierten Steuerung ist die Maximierung des Unternehmensmarktwertes, z.B. operationalisiert durch die Maximierung der Rendite auf das risikoadjustierte Kapital. Der Einsatz eines wertorientierten Steuerungssystems birgt in der Schaden- und Unfallversicherung insbesondere zwei Probleme: Einerseits die Bestimmung der Höhe des gesamten Risikokapitals auf Unternehmensebene und andererseits die Allokation des Risikokapitals auf einzelne Teilkollektive (z.B. Sparten, Geschäftsfelder, etc.). In diesem Kontext kann das ALM einen wertvollen Beitrag zu einem wertorientierten Risikomanagement leisten.

Gegenstand und Ziele des Forschungsprojektes
Das Forschungsprojekt setzt sich mit Ansätzen wertorientierten Risikomanagements in der Schaden- und Unfallversicherung auseinander. In diesem Zusammenhang soll auf der Basis von Echtdaten ein für den deutschen Markt repräsentatives Versicherungsunternehmen modelliert und analysiert werden. Die Untersuchung soll sich u.a. mit folgenden Aspekten und Fragestellungen auseinandersetzen:

  • Durchführung von deterministischen und stochastischen Szenarioanalysen, welche Risiko- und Renditekonsequenzen für zentrale Unternehmenskennziffern aufzeigen
  • Projektion und integrierte Darstellung von Planbilanzen und Plan-GuV (handelsbilanzielle Sicht) sowie Cash-Flow-Analysen (zahlungstrombasierte bzw. wertorientierte Sicht)
  • Ermittlung von Ruinwahrscheinlichkeiten bei alternativen Kapitalanlage- bzw. Rückversicherungsstrategien
  • Bewertung strategischer Handlungsoptionen anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit bei vorgegebener Ruinwahrscheinlichkeit bzw. Ratingklasse
  • Identifikation kritischer Kapitalmarkt- und Schadenszenarien (“Stresstests“)
  • Durchführung stochastischer Sensitivitätsanalysen zur Ermittlung ökonomischer Werttreiber bzw. Wertvernichter (“Wird die Risikoposition stärker durch die Versicherungstechnik oder das Kapitalanlagegeschäft beeinflusst?“)
  • Ermittlung der risikoadjustierten Solvenz- und Ertragslage des Unternehmens
  • Ermittlung des Risikokapitalbedarfs und Allokation des Risikokapitals auf Teilkollektive (Sparten, Geschäftsfelder, etc.)
  • Berechnung risikoadjustierter Performancekennzahlen (z.B. RORAC) für einzelne Teilkollektive (Sparten, Geschäftsfelder, etc.)
  • Vergleich des im Rahmen der Modellprojektion ermittelten Risikokapitalbedarfs bzw. Ausfallrisikos mit unterschiedlichen Solvenz- oder Ratingmodellen
    • gegenwärtig in Deutschland angewandtes Solvenzmodell
    • amerikanisches Risk-Based-Capital-Modell
    • modifiziertes Capital-Adequacy-Modell von Standard & Poor's
    • (noch zu entwickelndes) unternehmensspezifisches Risikomodell
    “Wird die tatsächliche Kapitalisierung durch die aufsichtsrechtliche Solvabilitätsquote adäquat abgebildet, oder erscheint eine stärkere Risikobetrachtung in der Solvenzregulierung angezeigt?“

Projektdauer:

Juli 2002 - Dezember 2004

Beteiligter Wissenschaftler:

Dipl.-Kfm. Mirko Tillmann

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO04TA19
Datum: 2003-09-10