Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Institut für Kriminalwissenschaften

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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 03 - Rechtswissenschaftliche Fakultät
Institut für Kriminalwissenschaften
Abt. IV - Prof. Dr. K. Boers


Begleitforschung zügiger Jugendstrafverfahren bei
jugendlichen Mehrfachtätern in Münster

In Münster haben die Polizei und Staatsanwaltschaft, das Jugendamt, Amt für soziale Dienste und Amtsgericht im vergangenen Sommer vereinbart, Strafverfahren gegen jugendliche Intensivtäter 'mit besonderer Beschleunigung' (im Folgenden 'zügiges Jugendstrafverfahren' genannt) zu bearbeiten ('Vereinbarung zur Beschleunigung von Verfahren ....' Münster, AktZ.: 421-508). Jugendliche Mehrfachtäter werden mit Blick auf die anzunehmende Inzidenzrate und die zu berücksichtigenden Deliktsarten in der Kriminologie und Kriminalpraxis sowie für das Dunkelfeld und das Hellfeld recht unterschiedlich definiert. Gleichwohl ist der Anteil dieser Tätergruppe an einem Geburtsjahrgang nach allen Definitionen jeweils sehr gering. So betrug unter den 13-, 15- und 17-Jährigen der Anteil der Jugendlichen, die in der Münsteraner Schulbefragung 2000 angegeben hatten, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens fünf Gewaltdelikte begangen zu haben, bei einer engen Definition (Raub oder Körperverletzung mit Gegenstand oder Waffe) 1,3% (bei zusätzlicher Berücksichtigung der Körperverletzung ohne Waffen: 3,4%). Der Münsteraner Polizei sind nach den in der o.g. Vereinbarung festgelegten Kriterien (mindestens zwei erfasste Taten mit mindestens sechs Delikten, unter denen sich mindestens eine Gewalttat oder ein schwerer Diebstahl befinden) weniger als 75 jugendliche Mehrfachtäter bekannt (mehr als 0,75% aller ca. 9.500 Münsteraner Jugendlichen). Gleichwohl begehen diese Mehrfachtäter, so die wiederholte Beobachtung in (internationalen) kriminologischen Untersuchungen, einen großen Teil der Gewalt- und schweren Eigentumsdelikte ihrer jeweiligen Altersgruppe, häufig auch über mehrere Lebensjahre hinweg (so genannte Karrieretäter). Die hierin konzentriert zum Ausdruck kommenden persönlichen und gesellschaftlichen Problemlagen legen es unter erzieherischen und kriminalpräventiven Gesichtspunkten nahe, jugendliche Mehrfachtäter zu einem Schwerpunkt der polizeilichen, justitiellen und sozialpädagogischen Arbeit zu machen. Sowohl in der Jugendkriminologie als auch in der Praxis der Jugendstrafrechtspflege wird allgemein die kriminalpädagogisch plausible Ansicht vertreten, dass eine jugendstrafrechtliche Reaktion am ehesten dann eine positive erzieherische und legalbewährende Wirkung entfalten kann, wenn sie alsbald nach der Tat erfolgt. In Münster (wie anderenorts) beträgt indessen bei jugendlichen Mehrfachtätern der Zeitraum zwischen der Tatbegehung und der Hauptverhandlung nach übereinstimmenden Einschätzungen der Praktiker in der Regel mehr als vier Monate. Deshalb wurde in der o.g. Vereinbarung als ein erster Schritt die Durchführung eines zügigen Strafverfahrens für jugendliche Mehrfachtäter beschlossen (zu den Einzelheiten der organisatorischen Durchführung, siehe dort). Um die vermuteten Effekte allein eines zügigen Verfahrens in einer Begleitforschung so kontrolliert wie möglich überprüfen zu können, sollen zunächst keine weiteren Änderungen, insbesondere nicht im sozialpädagogischen Betreuungsangebot vorgenommen werden. In Anbetracht der richterlichen Unabhängigkeit, aber auch wegen der sachlichen Verschiedenheiten der in Betracht kommenden Fälle, wurde in der Vereinbarung nicht exakt festgelegt, bis zu welcher Dauer ein Jugendstrafverfahren (von der Tätervernehmung bis zum Verfahrensabschluss durch Urteil oder Einstellung) als 'beschleunigt' anzusehen ist. Die Beteiligten waren sich jedoch darüber einig, dass ein zügiges Jugendstrafverfahren, um die erwarteten positiven Effekte zu erreichen, nach spätestens zehn Wochen abgeschlossen sein sollte. Im Rahmen von biografischen sowie problemzentrierten Interviews sollend die Jugendlichen bis zum Ende des Heranwachsendenalters in jährlichem Abstand befragt werden (qualitatives Panel). Zudem werden Akten erhoben sowie Familienmitglieder und die beteiligten Institutionen befragt. Die Auswertung erfolgt vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Münsteraner Kriminalitätsbefragung. Forschungsmittel sind beantragt.

Drittmittelgeber:

Polizeipräsidium Münster

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Klaus Boers, Alireza Khostevan

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
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Datum: 2003-07-17