Forschungsbericht 1999-2000 | |
Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution" Salzstr. 41 48143 Münster Tel. (0251) 83-27914/13 Fax: (0251) 83-27911 e-mail: SFB496.Sekretariat@uni-muenster.de WWW: http://www.uni-muenster.de/SFB496 Sprecher: Prof. Dr. Gerd Althoff | |
Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Sonderforschungsbereiche Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution" Teilprojekt A1/Prof. Dr. Hagen Keller | ||||
Urkunde und Buch in der symbolischen Kommunikation mittelalterlicher Rechtsgemeinschaften und Herrschaftsverbände
Das Teilprojekt untersucht die symbolische Dimension von Handlungen, in deren
Mittelpunkt Schriftdokumente stehen. Beispiele sind einerseits die herrscherliche
Privilegierung, andererseits der Umgang mit für eine Gemeinschaft
konstitutiven Büchern wie dem Statutencodex bzw. der Sammlung ihrer Rechte
oder einer die Zugehörigkeit fixierenden 'Matrikel'. Symbolische
Kommunikation, in deren Rahmen bedeutsames Schriftwerk 'inszeniert' wurde, war im
öffentlichen Leben des Mittelalters fast allgegenwärtig. Weil sich die
Vorgänge in oft ausführlichen Texten niedergeschlagen haben, blieb in
der Forschung bislang weitgehend unbeachtet, daß derartige 'Schriftmonumente'
zugleich in den Kontext einer für den Zusammenhalt eines Verbandes
konstitutiven Interaktion gehören. Diese Interaktion 'veröffentlicht' die
Werte, Normen und Ordnungsvorstellungen, auf die das Handeln mittels der Schrift
bezogen ist. Das Teilprojekt untersucht diese Zusammenhänge am Beispiel der
zwei Großgattungen 'Urkunde' und 'Codex' und erfaßt damit einerseits
herrschaftliche, andererseits genossenschaftliche Strukturen. Die Untersuchungen
während des Berichtszeitraums waren auf zwei Schwerpunkte konzentriert: auf
den Vorgang der herrscherlichen Privilegierung im fränkischen und
römisch-deutschen Imperium sowie auf den Amtsantritt des Podestà
oder des Signore in den italienischen Kommunen (13./14. Jh.). Damit standen
zugleich zwei Schriftkulturen sehr unterschiedlichen Charakters im Blickpunkt der
Forschungsarbeit.
Für die Privilegierung wird nachgewiesen, daß der Akt selbst eine hohe Signifikanz
besaß, die sich nur aus dem Bezug auf die jeweilige Situation, die politisch-personale
Konstellation sowie oft auch auf den Ort des Geschehens voll verstehen läßt;
Privilegienausstellung und -übergabe konnten dabei in eine lange Folge von Akten
symbolischer Kommunikation eingebettet sein. Bei der öffentlichen Präsentation
der Dokumente, zu der weitere Forschungen im Gang sind, kam dem Urkundenformular ebenso
wie den graphischen Zeichen und den Siegeln eine wichtige Bedeutung zu. Die symbolische
Dimension historiographischer Berichte der Karolingerzeit wurde in einer Habilitationsschrift
aufgezeigt (Scharff, vgl. Historisches Seminar, FB 8).
In den Untersuchungen zur Einsetzung des neuen Stadtregiments in den italienischen
Kommunen wird herausgearbeitet, wie der bekannte Eid des neuen Podestà auf das
Statutenbuch - d.h. das Gelöbnis, das städtische Recht bis in jede
Einzelbestimmung hinein zu wahren und durchzusetzen - in einer langen Handlungskette steht,
mit der interaktiv die städtische Ordnung vor aller Augen gestellt und das
temporäre Stadtoberhaupt in sein herausgehobenes Amt 'initiiert' wurde: Stadtregierung
und Gemeinde binden sich in ritueller Weise an die kommunale Rechtsordnung und
verpflichten sich öffentlich zur aktiven Umsetzung. Welche Rolle Satzungen, Matrikeln
und andere Bücher in der symbolischen Kommunikation innerstädtischer
Gliederungen spielen und welche Bedeutung sichtbaren Zeichen, vor allem Wappen, in dieser
Kommunikation sowie für die Konstituierung von Gruppenidentitäten zukam, wird
am Beispiel von Zünften und Waffengesellschaften untersucht; auch rituelle Aspekte der
Anerkennung gerichtlicher Beilegung von Streit finden Beachtung. Verhältnisse
nördlich der Alpen werden - im Kontakt mit den Teilprojekten A2 und A3 - vergleichend
mitbetrachtet; hier sind intensive Studien zum Hanseraum (Behrmann, vgl. Historisches Seminar, FB 8) von Nutzen für das Projekt.
Mehrere Untersuchungen aus dem Projekt befinden sich im Druck. Grundfragen der
SFB-Arbeit behandelte der Projektleiter in Vorträgen über den Wandel
gesellschaftlicher Werte im 12. Jahrhundert (Internationale Tagung des
Italienisch-deutschen Historischen Instituts/Trient; École des Hautes Études en
Sciences Sociales/Paris) sowie über den Zusammenhang von Ritual, Symbolik und
Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches (École des Hautes Études
en Sciences Sociales/Paris; Institut für österreichische
Geschichtsforschung/Wien). Projektleiter und Mitarbeiter haben durch eigene Forschungen
auch das weitere Umfeld der Untersuchungen im SFB-Projekt beleuchtet (s. Historisches Seminar, FB 8).
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen: |
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Hans-Joachim Peter