Forschungsbericht 1999-2000   
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"Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche
Wertesysteme vom Mittelalter bis zur
französischen Revolution"

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Sprecher: Prof. Dr. Gerd Althoff

 
 
 
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Sonderforschungsbereiche
Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution"
Teilprojekt A1/Prof. Dr. Hagen Keller
 


Urkunde und Buch in der symbolischen Kommunikation mittelalterlicher Rechtsgemeinschaften und Herrschaftsverbände

Das Teilprojekt untersucht die symbolische Dimension von Handlungen, in deren Mittelpunkt Schriftdokumente stehen. Beispiele sind einerseits die herrscherliche Privilegierung, andererseits der Umgang mit für eine Gemeinschaft konstitutiven Büchern wie dem Statutencodex bzw. der Sammlung ihrer Rechte oder einer die Zugehörigkeit fixierenden 'Matrikel'. Symbolische Kommunikation, in deren Rahmen bedeutsames Schriftwerk 'inszeniert' wurde, war im öffentlichen Leben des Mittelalters fast allgegenwärtig. Weil sich die Vorgänge in oft ausführlichen Texten niedergeschlagen haben, blieb in der Forschung bislang weitgehend unbeachtet, daß derartige 'Schriftmonumente' zugleich in den Kontext einer für den Zusammenhalt eines Verbandes konstitutiven Interaktion gehören. Diese Interaktion 'veröffentlicht' die Werte, Normen und Ordnungsvorstellungen, auf die das Handeln mittels der Schrift bezogen ist. Das Teilprojekt untersucht diese Zusammenhänge am Beispiel der zwei Großgattungen 'Urkunde' und 'Codex' und erfaßt damit einerseits herrschaftliche, andererseits genossenschaftliche Strukturen. Die Untersuchungen während des Berichtszeitraums waren auf zwei Schwerpunkte konzentriert: auf den Vorgang der herrscherlichen Privilegierung im fränkischen und römisch-deutschen Imperium sowie auf den Amtsantritt des Podestà oder des Signore in den italienischen Kommunen (13./14. Jh.). Damit standen zugleich zwei Schriftkulturen sehr unterschiedlichen Charakters im Blickpunkt der Forschungsarbeit.

Für die Privilegierung wird nachgewiesen, daß der Akt selbst eine hohe Signifikanz besaß, die sich nur aus dem Bezug auf die jeweilige Situation, die politisch-personale Konstellation sowie oft auch auf den Ort des Geschehens voll verstehen läßt; Privilegienausstellung und -übergabe konnten dabei in eine lange Folge von Akten symbolischer Kommunikation eingebettet sein. Bei der öffentlichen Präsentation der Dokumente, zu der weitere Forschungen im Gang sind, kam dem Urkundenformular ebenso wie den graphischen Zeichen und den Siegeln eine wichtige Bedeutung zu. Die symbolische Dimension historiographischer Berichte der Karolingerzeit wurde in einer Habilitationsschrift aufgezeigt (Scharff, vgl. Historisches Seminar, FB 8). In den Untersuchungen zur Einsetzung des neuen Stadtregiments in den italienischen Kommunen wird herausgearbeitet, wie der bekannte Eid des neuen Podestà auf das Statutenbuch - d.h. das Gelöbnis, das städtische Recht bis in jede Einzelbestimmung hinein zu wahren und durchzusetzen - in einer langen Handlungskette steht, mit der interaktiv die städtische Ordnung vor aller Augen gestellt und das temporäre Stadtoberhaupt in sein herausgehobenes Amt 'initiiert' wurde: Stadtregierung und Gemeinde binden sich in ritueller Weise an die kommunale Rechtsordnung und verpflichten sich öffentlich zur aktiven Umsetzung. Welche Rolle Satzungen, Matrikeln und andere Bücher in der symbolischen Kommunikation innerstädtischer Gliederungen spielen und welche Bedeutung sichtbaren Zeichen, vor allem Wappen, in dieser Kommunikation sowie für die Konstituierung von Gruppenidentitäten zukam, wird am Beispiel von Zünften und Waffengesellschaften untersucht; auch rituelle Aspekte der Anerkennung gerichtlicher Beilegung von Streit finden Beachtung. Verhältnisse nördlich der Alpen werden - im Kontakt mit den Teilprojekten A2 und A3 - vergleichend mitbetrachtet; hier sind intensive Studien zum Hanseraum (Behrmann, vgl. Historisches Seminar, FB 8) von Nutzen für das Projekt.

Mehrere Untersuchungen aus dem Projekt befinden sich im Druck. Grundfragen der SFB-Arbeit behandelte der Projektleiter in Vorträgen über den Wandel gesellschaftlicher Werte im 12. Jahrhundert (Internationale Tagung des Italienisch-deutschen Historischen Instituts/Trient; École des Hautes Études en Sciences Sociales/Paris) sowie über den Zusammenhang von Ritual, Symbolik und Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches (École des Hautes Études en Sciences Sociales/Paris; Institut für österreichische Geschichtsforschung/Wien). Projektleiter und Mitarbeiter haben durch eigene Forschungen auch das weitere Umfeld der Untersuchungen im SFB-Projekt beleuchtet (s. Historisches Seminar, FB 8).

Beteiligte Wissenschaftler:

Dr. F.-J. Arlinghaus (Kassel), HDoz. Dr. Th. Behrmann, Dr. Ch. Dartmann, Prof. Dr. H. Keller (Leiter), Dr. Th. Scharff, Dr. P. Schulte (Köln), Ch. F. Weber, Dr. B. Weifenbach, P. Worm M.A.

Veröffentlichungen:

Keller, H.: Die Siegel und Bullen Ottos III., in: Wieczorek, A./Hinz, H.-M. (Hgg.), Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie. Handbuch zur Ausstellung, 2, Stuttgart 2000, S. 767-773

--,: Das neue Bild des Herrschers. Zum Wandel der 'Herrschaftspräsentation' unter Otto dem Großen, in: Schneidmüller, B./Weinfurter, St. (Hgg.), Ottonische Neuanfänge, Mainz 2001, S. 189-211

--,: ODDO IMPERATOR ROMANORUM. L'idea imperiale di Ottone III alla luce dei suoi sigilli e delle sue bolle, in: Keller, H./Paravicini, W./Schieder, W. (Hgg.), Italia et Germania. Liber Amicorum Arnold Esch, Tübingen 2001, S. 163-189

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-10-17 ---- 2001-11-30