Forschungsbericht 1999-2000 | |
Philosophisches Seminar
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Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 08 - Geschichte / Philosophie Philosophisches Seminar Forschungsstellen | ||||
Grundlagen und Typen der Tugendethik
Projekt B 5 im Rahmen des SFB 496
"Symbolische Kommunikation und Wertesysteme in der Vormoderne" Das Projekt
beschäftigt sich primär mit den systematischen Fragen nach metaethischen
Prämissen, Struktureigenschaften und Klassifizierungskriterien für
Tugendethiken. Diese systematischen Problemstellungen werden in ständigem
Rekurs auf historische Beispiele der Ausarbeitung und Fortentwicklung insbesondere
der antiken tugendethischen Traditionen durchgeführt. Der Renaissance kommt
in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, da in ihr die verschiedenen
Traditionsstränge antiker Tugendethik, besonders der aristotelischen,
platonischen, stoischen und epikureischen, in einem christlichen Bezugsrahmen
reinterpretiert und in vielfältiger Weise Versuche einer eklektizistischen
Harmonisierung unternommen wurden. Die Projektarbeit konzentrierte sich im ersten
Jahr zunächst auf die Materialerschließung und -sammlung von
Primärtexten des italienischen Frühhumanismus. Im Zentrum der
inhaltlichen Auswertung standen insbesondere Acciaiuolis einflußreicher
Kommentar zur nikomachischen Ethik des Aristoteles, Albertis Schrift über das
Hauswesen sowie Filelfos systematisches Hauptwerk De morali disciplina,
Salutatis Briefwechsel sowie Vallas Schrift De vero falsoque bono. Methodisch
wurde die Analyse des Textmaterials durch die Frage nach der je spezifischen Weise
der Rezeption antiker und christlicher Tugendethik bei den einzelnen Autoren geleitet.
Es erwies sich dabei als heuristisch hilfreich, die Interpretation gerade auf die
Bruchstellungen und Spannungen zu fokussieren, die sich bei den Versuchen einer
Harmonisierung der verschiedenen Traditionsstränge ergeben. Es konnte in
diesem Zusammenhang gezeigt werden, daß sich insbesondere die Frage nach
dem Verhältnis von Tugenden und Affekten hervorragend eignet, um in
vergleichender Perspektive die einzelnen Ansätze gegeneinander zu profilieren
und in einen fruchtbaren Dialog zu setzen, dessen Struktur sich aus dem Spannungsfeld
zwischen stoischer Affektabtötung des Tugendhaften (Apathie) einerseits,
peripatetischer Affektkultivierung (Metriopathie) andererseits, ergibt. Darüber
hinaus konnte gezeigt werden, daß gegenüber dem in der Hochscholastik
erreichten Problemniveau die Frage nach dem Verhältnis einer platonischen
Metaphysik des Guten, die als Kernbestandteil der christlichen Tradition von den
meisten Autoren weiter geteilt wird, zu einem überwiegend peripatetisch
geprägten Verständnis von Tugend im Florentiner Frühhumanismus
zwar als Problem wahrgenommen, nicht allerdings einer sachlich konsistenten und
problemadäquaten Lösung zugeführt wird. Begleitend zu diesem
Teil der Projektarbeit wurde in Zusammenarbeit mit den Projektleitern und
-mitarbeitern der Projekte B 2 ('Virtus' in Kunst
und Kunsttheorie
http://www.uni-muenster.de/Rektorat/Forschungsberichte-1999-2000/fo31ie01.htm) und
B 3 (Städtische und höfische Spiele
http://www.uni-muenster.de/Rektorat/Forschungsberichte-1999-2000/fo31if01.htm) eine interdisziplinäre,
zweisemestrige Lehrveranstaltung im philosophischen Seminar durchgeführt, in der die gemeinsam
gelesenen philosophischen Texte in den größeren Zusammenhang kunsttheoretischer und -praktischer
sowie literaturwissenschaftlicher Fragestellungen eingeordnet werden konnten. Die Anregungen aus den
benachbarten Disziplinen erwiesen sich für die eigene Projektarbeit als außergewöhnlich
fruchtbar. Parallel zu den genannten philosophiehistorischen Untersuchungen wurde auf einer systematischen
Ebene nach den metaethischen Prämissen von Tugendethik gefragt. Im Mittelpunkt stand hier eine Sichtung
der gegenwärtig vertretenen tugendethischen Positionen. Als grundlegendes Klassifikationsprinzip erwies
sich dabei die Unterscheidung zwischen reinen Tugendethiken einerseits, die den Begriff der richtigen Handlung
durch den der Tugend des Handelnden definieren, und lediglich agenten-fokussierte Tugendethiken
(Michael Slote) andererseits, die den Besitz der Tugenden, insbesondere die der Klugheit, als eine
epistemisch unerläßliche Bedingung für die Erkenntnis des Richtigen betrachten, das
jedoch seinerseits nicht wiederum im Rekurs auf tugendethische Kategorien gefaßt wird. Die gesamte
Tradition der peripatetischen Ethik läßt sich unter die Kategorie der agenten-fokussierten Tugendethik
subsumieren. Ihre systematische Ausarbeitung muß im Kontext der Konzeption eines moralischen Realismus
erfolgen, der den ontologischen und epistemologischen Status der evaluativen Eigenschaften einer Situation
klärt, die der Tugendhafte in adäquater Weise wahrnimmt. Insofern der Tugendhafte gegenüber
dem bloß Selbstbeherrschten durch eine solche adäquate Wahrnehmung des evaluativen Profils einer
Situation bereits hinreichend motiviert ist, entsprechend zu handeln, impliziert die Tugendethik einen
motivationstheoretischen Internalismus, demzufolge die Überzeugung, daß eine bestimmte Handlung
moralisch richtig ist, die motivationale Bereitschaft, entsprechend zu handeln, impliziert. Die weitere
Klärung der drei grundlegenden Kategorien Tugend, Wert und Handlungsmotivation wird einen
Schwerpunkt der weiteren Projektarbeit bilden.
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen: |
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Hans-Joachim Peter