Forschungsbericht 1999-2000   
WWU-Logo Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft
Georgskommende 26 u. 33
48143 Münster
Tel. (0251) 83-24227, -24218, -24234, -24200
Fax: (0251) 83-24184, -24242
e-mail: wittea@uni-muenster.de
WWW: http://www.uni- muenster.de/Erziehungswissenschaft

Direktor: Prof. Dr. Bernd Zymek

 
 
 
[Pfeile  gelb] Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 06 - Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften
Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft
Internationale Bildungsforschung
 


Gender, Ethnizität und Identität.
Die neue Dienstmädchenfrage im Zeitalter der Globalisierung

Dieses Forschungsprojekt widmet sich einem aktuellen Phänomen, dem scheinbaren Paradox, dass in unserem Zeitalter großer technologischer Umwälzungen Dienstmädchen, Kindermädchen, Haushaltshilfen, Putz- und Pflegekräfte in zunehmendem Maße die Versorgungsarbeit des modernen Haushalts übernehmen. Der lange Zeit herrschenden Vorstellung, dass die technische Revolution menschliche Arbeitskräfte im Haushalt ersetzen würde, steht heute die Realität der 'neuen Dienstmädchen' gegenüber, die in vergleichbarer Anzahl das Haushaltsleben des Techno-Zeitalters prägen, wie das bereits vor hundert Jahren der Fall war. Damals wie heute geht es vorrangig um Frauen, die diese Tätigkeiten ausüben; allerdings handelt es sich bei den Betroffenen heute oft um Migrantinnen aus Osteuropa, Ostasien und Lateinamerika, die nicht als Arbeitskräfte registriert sind und damit in der Schattenökonomie operieren. Das Projekt ist im Schnittpunkt von drei Forschungsbereichen und -perspektiven verortet: der kontemporären Migrationsforschung, der Genderforschung, sowie drittens der sozial-historischen Studien zu Frauenarbeit in Europa, insbesondere der so genannten 'Dienstmädchenforschung'. Der historische Bezug als Vergleichsaspekt für die heutige Situation erhält in diesem Projekt eine wichtige Funktion, da mit seiner Hilfe die Frage nach der Reproduktion und der Modernisierung sozialer Ungleichheiten im Rahmen von weltweiten Migrations- und Globalisierugsprozessen zu stellen ist. Dabei geht es in diesem Projekt weniger um die Schließung von Forschungslücken in Bezug auf quantitative Daten, sondern vielmehr um die Erforschung interkultureller Aspekte von Alltagsarrangements in einem geschlossenen sozialen Raum, dem Privatraum. Zu diesem Fragenkomplex gibt es, soweit uns bekannt, keinerlei Forschung in der Bundesrepublik.

Dem Projekt liegt folgende These zugrunde: Aus der Tatsache, dass es sich bei dem Arbeitsplatz dieser Migrantinnen nicht um einen öffentlichen, sondern um den privaten Raum handelt, ergeben sich spezifische Probleme und Fragen, die ein neues Licht werfen auf Prozesse interkultureller Begegnung und Abgrenzung sowie auf die Identitätsbildung der Betroffenen. Der Privatraum als Arbeitsplatz generiert eine Reihe von Fragen.

  1. Als intimer Raum mit eigenen Gesetzen, in dem habituell geprägte Handlungsabläufe und Gewohnheiten verschiedener Akteurinnen und Akteure zusammentreffen, kann der Privatraum als Arena von Kommunikation und von Macht-/Interessensausübung definiert werden. Er soll daher sowohl als Territorium gegenseitiger Abgrenzung und vielfältiger Konflikte als auch (gleichzeitig) als Feld von Annäherung und Austausch untersucht werden. Wie gestalten sich Begegnungen in dieser 'Arena'- insbesondere dort, wo Kinder und alte Menschen versorgt werden? Wie verläuft die Kommunikation zwischen Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in und den Betreuten (Kindern und/oder Pflegebedürftigen)? Dabei geht es nicht nur um die Frage der sprachlichen Gestaltung (in welcher Sprache wird kommuniziert?), sondern ebenfalls um die sprachlich transportierten (kulturellen) Wertungen, Selbst- und Fremdwahrnehmungen und -bilder. Insbesondere die emotionale Bindung, die bei der Betreuung der Kindern auftritt, gilt es hier zu untersuchen.
  2. Zweitens fragt sich, ob und wie bei den betroffenen Frauen eine Arbeitsidentität - also eine Identitätsbildung über den Beruf entwickelt wird? Angesichts der Tatsache, dass viele Betroffene eine Ausbildung und/oder professionelle Erfahrungen in einem (anderen) Beruf haben, stellt sich die Frage nach der lebensgeschichtliche Integration dieser Tätigkeit. Wie begründen die Frauen die Ausübung dieser Tätigkeit für sich selbst und gegenüber anderen, etwa gegenüber im Herkunftsland verbliebenen Familienangehörigen? Dies gilt sowohl für diejenigen, die diese Tätigkeit vorübergehend ausüben, als auch für Betroffene, die letztlich lebenslang in diesem Bereich verbleiben.
  3. Aus den bereits vorliegenden Forschungen geht hervor, dass die Betroffenen sowohl bei der Suche nach einer Dienstmädchentätigkeit als auch während des Aufenthaltes im Ausland auf ein (familiär-freundschaftliches) Netzwerk angewiesen sind. Diese Tätigkeit entzieht sich weitgehend der öffentlichen Kontrolle, und es liegt deshalb nahe, dass Informationsbeschaffung mittels informeller Netzwerke bevorzugt wird, ja zum Ausharren in dieser Tätigkeit unbedingt erforderlich ist. Unklar ist bislang auf welcher Basis die Netzwerkbildung erfolgt. Handelt es sich dabei vorrangig um familiäre Kontakte, um Kontakte die sich im Ausland aufgrund nationaler oder ethnischer Zugehörigkeiten etablieren? Welchen Einfluss haben die jeweiligen Netzwerke auf die Entwicklung transnationaler Identitäten? Wie gestaltet sich in einem solchen Rahmen transnationale Mutterschaft?

Beteiligte Wissenschaftlerin:

PD. Dr. Helma Lutz

Veröffentlichungen:

Lutz, H.: Geschlecht, Ethnizität, Profession. Die neue Dienstmädchenfrage im Zeitalter der Globalisierung. IKS Querformat 1. Münster, 2000, 31 Seiten.

 
 
[Startseite (Rektorat)] [Inhaltsverzeichnis] [vorherige Seite] [nächste Seite]

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO06AA07
Datum: 2002-04-08