Forschungsbericht 1999-2000   
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Abteilung Lateinamerika: Prof. Dr. Rolf Eschenburg

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[Pfeile  gelb] Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 04 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Institut für Genossenschaftswesen
Neue Institutionenökonomik/Wirtschaftspolitik
 


Wirtschaftliche Globalisierung, internationaler Kapitalverkehr
und nationale Wirtschaftspolitik

Vielfältige Facetten kennzeichnen den aktuellen Globalisierungsprozeß. Eine davon ist die zunehmende internationale Mobilität von Real- und Finanzkapital, die sich in der Integration von Finanzmärkten spiegelt. Eine zweite besteht in der Einbeziehung von emerging markets in die internationale Arbeitsteilung. Sowohl für sich entwickelnde als auch für bereits entwickelte Ökonomien ändern sich in diesem Prozeß die Voraussetzungen für Einsatz und Effektivität nationaler Wirtschaftspolitik. Das Forschungsprojekt weist zwei Schwerpunkte auf: Erstens die Bedingungen für das Auftreten von kombinierten Banken- und Währungskrisen (Zwillingskrisen) in emerging markets und zweitens die Voraussetzungen für einen effektiven Standortwettbewerb im globalen Kontext. Als gemeinsamer Ausgangspunkt wird die globale Finanzmarktintegration und als Methode eine institutionenökonomische Analyse gewählt. Globalisierung bedeutet veränderte Anreize auf der Handelnsebene, die wirtschaftliche Entscheidungen und gesamtwirtschaftliche Ergebnisse hervorrufen, die in der Folge Reformen auf der Regelebene nahelegen. Deren Implementierung ist jedoch mit vielfältigen Verzögerungen und Korrekturen verbunden, da sie im politischen Prozeß zu vereinbaren und umzusetzen sind.

Emerging markets zeichnen sich im Globalisierungsprozeß durch ein zins- und wechselkursdeterminiertes Anreizset aus, das den Zufluß von kurzfristigem ausländischem Portfoliokapital fördert. Die für diesen Entwicklungsstand typischen Mechanismen der Finanzintermediation führen zu Kapitalfehlallokationen, die durch Erwartungen ausländischer Investoren und inländischer Kreditnehmer hervorgerufen werden. Die Kombination von Finanzmarktintegration und ineffizienter Finanzintermediation birgt die Gefahr in sich, daß Erwartungen kippen. Mit der Umkehr der internationalen Kapitalströme werden vielfältige Mechanismen aktiviert, die Zwillingskrisen nach sich ziehen, die mit hohen realwirtschaftlichen Kosten verbunden sind. Kapitalverkehrskontrollen sind in dieser Situation nur dann und nur unter sehr speziellen Voraussetzungen zu rechtfertigen, wenn sie zur Unterstützung eines institutionellen Reformprozesses (Finanz- und Unternehmenssektor) dienen.

Während die Wirtschaftspolitik von emerging markets im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung vor allem durch mobiles Finanzkapital herausgefordert wird, geschieht dies bei industrialisierten Ökonomien durch mobiles Realkapital. Seine Ströme bringen den internationalen Standortwettbewerb zum Ausdruck. Einer ambitionierten nationalen Makropolitik werden dadurch deutliche Restriktionen vorgegeben. Die Freiheitsgrade in der Wahl des Wechselkursregimes verringern sich und Ordnungspolitik wird zur Standortpolitik. In der Diskussion der Globalisierungswirkungen werden häufig eine Belastung der immobilen Produktionsfaktoren, eine Verringerung von Umverteilungsspielräumen, die Senkung von Regulierungsstandards sowie eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern befürchtet. Dem sind jedoch vielfältige Gegenkräfte entgegenzuhalten. So existieren viele Mobilitätshemmnisse für Finanz- und Realkapital. In diese Richtung wirken etwa spezifische Investitionen und Dauerbeziehungen. Transaktionen zwischen unterschiedlichen Territorialrechtssystemen sind mit zusätzlichen Kosten und Unsicherheiten verbunden. Die Existenz von Gruppen von Wirtschaftssubjekten mit unterschiedlichen Präferenzordnungen lassen das Nebeneinander heterogener Leistungs- und Finanzierungsbündel erwarten. Zudem müssen wirtschaftspolitische Reformen mehrheitsfähig sein, um im politischen Prozeß vereinbart und umgesetzt zu werden. Zunehmende Kapitalmobilität, die ein konstituierender Bestandteil von wirtschaftlichen Globalisierungsprozessen ist, schränkt also Spielräume nationaler Wirtschaftspolitik dahingehend ein, daß eine regel- und ordnungsorientierte Politik zulasten einer interventionsorientierten Politik naheliegt.

Beteiligte Wissenschaftlerin:

Prof. Dr. Theresia Theurl

Veröffentlichungen:

Th. Theurl: International mobiles Kapital. In: Theurl, T.; Smekal, C. (eds.): Globalisierung: Globalisiertes Wirtschaften und nationale Wirtschaftspolitik. Tübingen (Mohr & Siebeck), 2001, S. 59-92.

Th. Theurl: Zum Zusammenhang zwischen Finanzmarkt- und Währungskrisen in sich transformierenden Ökonomien. In: Nutzinger, H. (ed.): Osterweiterung und Transformationskrisen. Berlin (Duncker & Humblot), 2000, S. 125-156.

Th. Theurl: Mikroaspekte von Währungskrisen: Herausforderungen für Währungstheorie und Wirtschaftspolitik. In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 44. Jahr, 1999, S. 235-254.

Th. Theurl: Monetäre Ordnung im Lichte der Traditionellen Ordnungstheorie und der Neuen Institutionenökonomik. In: Cassel, D. (ed.): Perspektiven der Systemforschung. Berlin (Duncker & Humblot), 1999, S. 147-178.

Th. Theurl: Globalisierung als Selektionsprozeß ordnungspolitischer Paradigmen. In: Berg, H. (ed.): Globalisierung der Wirtschaft: Ursachen - Formen - Konsequenzen. Berlin (Duncker & Humblot), 1999, S. 23-49.

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-10-24