Forschungsbericht 1999-2000 | |
Institut für Kriminalwissenschaften
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Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 03 - Rechtswissenschaftliche Fakultät Institut für Kriminalwissenschaften Abt. IV - Prof. Dr. K. Boers e-mail: boers@uni-muenster.de, Tel.: (0251) 83-22749, Fax: (0251) 83-22376 | ||||
Jugendstrafverfahren
In Münster haben die Polizei und Staatsanwaltschaft, das Jugendamt, Amt
für soziale Dienste und Amtsgericht im vergangenen Sommer vereinbart,
Strafverfahren gegen jugendliche Intensivtäter "mit besonderer Beschleunigung"
(im Folgenden "zügiges Jugendstrafverfahren" genannt) zu bearbeiten
("Vereinbarung zur Beschleunigung von Verfahren ...." Münster,
AktZ.: 421-508). Jugendliche Mehrfachtäter werden mit Blick auf die
anzunehmende Inzidenzrate und die zu berücksichtigenden Deliktsarten in der
Kriminologie und Kriminalpraxis sowie für das Dunkelfeld und das Hellfeld
recht unterschiedlich definiert. Gleichwohl ist der Anteil dieser Tätergruppe an
einem Geburtsjahrgang nach allen Definitionen jeweils sehr gering. So betrug unter
den 13-, 15- und 17-Jährigen der Anteil der Jugendlichen, die in der
Münsteraner Schulbefragung 2000 angegeben hatten, in den vergangenen
zwölf Monaten mindestens fünf Gewaltdelikte begangen zu haben, bei
einer engen Definition (Raub oder Körperverletzung mit Gegenstand oder
Waffe) 1,3% (bei zusätzlicher Berücksichtigung der
Körperverletzung ohne Waffen: 3,4%). Der Münsteraner Polizei sind
nach den in der o.g. Vereinbarung festgelegten Kriterien (mindestens zwei erfasste
Taten mit mindestens sechs Delikten, unter denen sich mindestens eine Gewalttat oder
ein schwerer Diebstahl befinden) weniger als 75 jugendliche Mehrfachtäter
bekannt. (< 0,75% aller ca. 9.500 Münsteraner Jugendlichen).
Gleichwohl begehen diese Mehrfachtäter, so die wiederholte Beobachtung in
(internationalen) kriminologischen Untersuchungen, einen großen Teil der
Gewalt- und schweren Eigentumsdelikte ihrer jeweiligen Altersgruppe, häufig
auch über mehrere Lebensjahre hinweg (so genannte Karrieretäter). Die
hierhin konzentriert zum Ausdruck kommenden persönlichen und
gesellschaftlichen Problemlagen legen es unter erzieherischen und
kriminalpräventiven Gesichtspunkten nahe, jugendliche Mehrfachtäter zu
einem Schwerpunkt der polizeilichen, justitiellen und sozialpädagogischen
Arbeit zu machen. Sowohl in der Jugendkriminologie als auch in der Praxis der
Jugendstrafrechtspflege wird allgemein die kriminalpädagogisch plausible
Ansicht vertreten, dass eine jugendstrafrechtliche Reaktion am ehesten dann eine
positive erzieherische und legalbewährende Wirkung entfalten kann, wenn sie
alsbald nach der Tat erfolgt. In Münster (wie anderenorts) beträgt
indessen bei jugendlichen Mehrfachtätern der Zeitraum zwischen der
Tatbegehung und der Hauptverhandlung nach übereinstimmenden
Einschätzungen der Praktiker in der Regel mehr als vier Monate. Deshalb wurde
in der o.g. Vereinbarung als ein erster Schritt die Durchführung eines
zügigen Strafverfahrens für jugendliche Mehrfachtäter beschlossen
(zu den Einzelheiten der organisatorischen Durchführung, siehe dort). Um die
vermuteten Effekte allein eines zügigen Verfahrens in einer Begleitforschung
so kontrolliert wie möglich überprüfen zu können, sollen
zunächst keine weiteren Änderungen, insbesondere nicht im
sozialpädagogischen Betreuungsangebot vorgenommen werden. In Anbetracht
der richterlichen Unabhängigkeit, aber auch wegen der sachlichen
Verschiedenheiten der in Betracht kommenden Fälle, wurde in der Vereinbarung
nicht exakt festgelegt, bis zu welcher Dauer ein Jugendstrafverfahren (von der
Tätervernehmung bis zum Verfahrensabschluss durch Urteil oder Einstellung)
als "beschleunigt" anzusehen ist. Die Beteiligten waren sich jedoch darüber
einig, dass ein zügiges Jugendstrafverfahren, um die erwarteten positiven
Effekte zu erreichen, nach spätestens zehn Wochen abgeschlossen sein
sollte.Im Rahmen von biografischen sowie problemzentrierten Interviews sollen die
Jugendlichen bis zum Ende des Heranwachsendenalters in jährlichem Abstand
befragt werden (qualitatives Panel). Zudem werden Akten erhoben sowie
Familienmitglieder und die beteiligten Institutionen befragt. Die Auswertung erfolgt
vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Münsteraner
Kriminalitätsbefragung. Forschungsmittel sind beantragt.
Beteiligter Wissenschaftler: |
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Hans-Joachim Peter