Forschungsbericht 1997-98   
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Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie

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[Pfeile blau] Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Fachbereich 08 - Psychologie und Sportwissenschaft
Psychologisches Institut I - Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie
Arbeitsbereich Prof. Dr. R. de Jong-Meyer
 


Förderung motivationaler und volitionaler Kompetenzen im Therapie- und Beratungsprozeß

Die Untersuchung der Wirkung kurzer psychologischer Interventionen bei einem breiten Spektrum subklinischer bis mittelschwerer klinischer Störungen ist nicht zuletzt unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten eine wichtige und noch nicht in ausreichendem Maße geleistete Aufgabe der klinisch-psychologischen Forschung.

Mit der Zielsetzung, die Ergebnisse der aktuellen motivations- und volitionspsychologischen Grundlagenforschung für Therapie- und Beratungsprozesse zu nutzen, wurden zwei Kurzinterventionen entwickelt: a) die Förderung einzelner Phasen der Handlungssteuerung und ihrer Übergänge vom Abwägen über das Planen zur Umsetzung selbstgewählter Ziele und b) die zielorientierte Aktivierung von Ressourcen. Der Wirksamkeitsvergleich dieser beiden Interventionen untereinander und gegenüber zwei Kontrollbedingungen des bisher üblichen Vorgehens ("verhaltenstherapeutische Aktivitätsförderung" und "Unterstützung von Klienten im selbstgewählten Umgehen mit Zielen") erfolgte über eine kontrollierte Therapie-Analogstudie. 134 Klienten mit niedergeschlagener, ängstlicher Befindlichkeit verbunden mit Belastungsempfinden, Passivität, Lustlosigkeit sowie Problemen des Zeitmanagements wurden den jeweils aus 5 Sitzungen bestehenden Beratungsbedingungen nach Zufall zugewiesen.

Eine unter motivations- und volitionspsychologischen Gesichtspunkten optimierte Intervention sollte neben einer Verbesserung der affektiven Symptomatik ablesbar sein an spezifischen Veränderungen motivationaler und volitionaler Kompetenzen. Bei den 112 Klienten, die die Interventionen nach Plan beendeten, gab es sehr bedeutsame Annäherungen an ihre selbstgesetzten Ziele. Ihre Handlungssteuerungs-Kompetenzen nahmen zu (u. a. schnelleres Entscheiden, zügigerer Handlungsbeginn, bewußteres Vorgehen in Planung und Umsetzung, weniger Angst vor Misserfolg) und ihr emotionales Befinden verbesserte sich. Diese Veränderungen hielten bis zur Nachkontrolle 6 Wochen nach dem letzten Gespräch an. Nach den varianzanalytischen Auswertungen ergaben sich bei den meisten Erfolgsmaßen keine differentiellen Effekte zwischen den Behandlungen. Der Vergleich über die erreichten Effektstärken ließ demgegenüber erkennen, dass die speziell optimierten Interventionen die Erfolgsindikatoren deutlicher und mit günstigerem längerfristigen Trend beeinflußten.

Einen zentralen Stellenwert im Rahmen des Projektes nahmen spezifisch für Handlungssteuerung als relevant erachtete Interaktionsbeobachtungen und motivationsbezogene Sitzungseinschätzungen ein. Fördermittel der DFG wurden eingesetzt, um diese Prozeßdaten zu kodieren und auszuwerten. Ein auf das Konzept der Handlungs-/Lageorientierung von Kuhl zurückgehendes Kategoriensystem (Hartung, 1990, Z-HOLO-K) wurde eingesetzt, um handlungsbezogene Klienten- und Berater-Äußerungen und ihre gegenseitige Beeinflussung (über Sequenzanalysen) zu erfassen. Eigene Piloterhebungen bei verschiedenen Stichproben hatten die Eignung dieses Systems bekräftigt (siehe de Jong-Meyer et al., 1999).

Gemäß der bei der Entwicklung der beiden Interventionen verfolgten Zielsetzung zeigte sich, dass die Anteile handlungsorientierter Äußerungen der Klienten im Therapieverlauf sehr deutlich zunahmen (besonders in den Kontextbereichen "Planung" und "Tätigkeitsausführung") und die Anteile lageorientierter Planung sowie Misserfolgsverarbeitung deutlich abnahmen. Analoge Veränderungen auf Seiten der Therapeuten waren noch deutlicher ausgeprägt. Nach den Sequenzanalysen reagierten sowohl Klienten wie Therapeuten überwiegend durch Übernahme/Aufgreifen des vom Gesprächspartner gesetzten Aufmerksamkeitsfokus. Es zeigte sich weiterhin, dass die Klienten in erfolgreichen Beratungen signifikant häufiger die Aufmerksamkeitsfokussierung des Therapeuten aufgriffen bzw. einen impulsgebenden Wechsel initiierten als die Klienten in nicht erfolgreichen Beratungen. Die Therapeuten reagierten hier unabhängig vom Behandlungserfolg vergleichbar. Zu Therapieende korrelierten die im Gespräch aktualisierten Orientierungen zum Teil sehr ausgeprägt mit den Erfolgsindikatoren der Handlungssteuerung und der Affektivität sowie bedeutsam mit der tatsächlichen Erreichung der von den Klienten angestrebten individuellen Ziele.

Die klinische Relevanz dieser Prozessanalyse-Ergebnisse liegt nicht nur in den aufgezeigten und nun prospektiv prüfbaren Möglichkeiten einer gezielteren Gestaltung von Thereapeut-Klient-Interaktionen, sondern auch in der Nutzung im Rahmen der Therapeuten-Ausbildung.

Es lohnt sich nach den erhaltenen Ergebnissen, Therapeuten in der Erkennung von handlungsbezogenen Aspekten der Klientenbeiträge und bezogen auf ihre Steuerungsmöglichkeiten zu trainieren, weil

  • die Anteile handlungsorientierter Verbaläußerungen (bezogen auf Planen, Tätigkeitsausführung und Umgang mit Mißerfolgen) über die Therapie zunehmen
  • diese Anteile am Therapieende mit anderen Erfolgsindikatoren in Beziehung stehen und auch mit der Stabilität der Zielerreichung korrelieren
  • Therapeuten und Klienten sich gegenseitig "mitziehen" und der Anteil impulsgebender Wechsel der Therapeuten noch optimiert werden kann
  • günstige Steuerungssequenzen bei erfolgreichen Klienten häufiger waren
  • Änderungsmöglichkeiten bei allen interaktionellen Ausgangsbedingungen bestehen (keine Prädiktoren).
1998 wurden die Hauptergebnisse der Studien im Abschlussbericht an die DFG zusammengefasst und auf Kongressen präsentiert (Auswahl siehe unten).

Drittmittelgeber:

Deutsche Forschungsgemeinschaft (Jo 140/2-1) Juni 1997 - April 1998

Beteiligte Wissenschaftler:

Dipl.-Psych. M. Engberding, Prof. Dr. J. Hartung (Fachbereich Sozialpädagogik Fachhochschule Düsseldorf), Prof. Dr. R. de Jong-Meyer (Leiterin), Dipl.-Psych. J. Kosfelder (Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum), Dr. R. Künzel (Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum), Dipl.-Psych. U. Michalak, Dipl.-Psych. F. Schneider, Dipl.-Psych. K. Thiemann

Veröffentlichungen:

de Jong-Meyer, R.: Förderung motivationaler und volitionaler Konsequenzen, Abschlußbericht an die DFG, 1998

de Jong-Meyer, R., S. Schmitz, M. Ehlker, S. Greis, U. Hinsken, B. Sonnen, N. Dickhöver: Handlungsorientierte Interaktionsbeiträge in verschiedenen Therapien: Prozeßsteuerung und Erfolgsrelevanz, in: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie, 1999

de Jong-Meyer, R., M. Engberding, U. Michalak: Die Förderung motivationaler und volitionaler Kompetenzen im Therapie- und Beratungsprozeß, in: Abstraktband 16. Symposium für Klinisch-Psychologische Forschung. Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1998, S. 28f

de Jong-Meyer, R., U. Michalak, M. Engberding: Aufmerksamkeitsfokussierungen auf handlungs- und lageorientierte Selbstregulationsprozesse in den Gesprächsbeiträgen von Beratern und Klienten, in: Abstraktband 16. Symposium für Klinisch-Psychologische Forschung. Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1998, S. 29f

Engberding, M., U. Michalak, R. de Jong-Meyer: Vereinbarung und Aufgreifen therapeutischer Hausaufgaben im Zusammenspiel mit Indikatoren der Veränderungsmotivation, in: Abstraktband 16. Symposium für Klinisch-Psychologische Forschung. Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1998, S. 15f

Michalak, U., M. Engberding, R. de Jong-Meyer: Die Wirkung "lösungsorientierter" Interventionsstrategien auf erlebte Fortschritte des Klienten, auf das Ausmass von Lage- bzw. Handlungsorientierung und auf die Förderung von volitionalen Kompetenzen, in: Abstraktband 16. Symposium für Klinisch-Psychologische Forschung. Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1998, S. 44f

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 1999-10-13