Der Kelch Salomons in der Hagia Sophia

Stichel setzte seine Untersuchung der kirchenslavischen Vita des Slavenapostels Kyrill † fort. Diese berichtet, in der Hagia Sophia habe man einen Kelch des Salomon mit einer Inschrift in hebräischer und samaritanischer Schrift gezeigt; erst der hl. Kyrill sei in der Lage gewesen, sie zu entziffern und sei als eine Weissagung auf Christus zu erkennen. Ein bisher unbekanntes griechisches Zeugnis der Inschrift in einer Handschrift des 10. Jahrhunderts erlaubt zum einen Rückschlüsse auf die Herkunft des Textes der Inschrift aus dem Judentum der hellenistischen Zeit, in dessen Überlieferungen Salomon als Prophet, Mantiker und Astrologe lebte. Dabei fällt auch neues Licht auf die Vorgeschichte des christlichen Hoheitstitels protótokos "der Erstgeborene". Desweiteren ergeben sich Rück schlüsse auf das Weiterleben solcher Überlieferungen in Byzanz und in der islamischen Welt sowie auf die Form- und Redaktionsgeschichte der Vita des hl. Kyrill, in der sich die kirchen politischen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Konstantinopel im 9. Jahrhundert widerspiegeln.

Teilergebnisse der Untersuchung stellte R. Stichel in einem Vortrag über den "Kelch Salomons in der Hagia Sophia" dar, den er verschiedenenorts vortrug. Über die Frage "Warum lernte der hl. Kyrill auf der Krim hebräisch?" sprach er im Juni 1997 auf einem internationalen Kollo quium der Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Sevastopol' (Krim), das dem Thema "Byzanz und die Krim" gewidmet war. Auf einem Präsentationstag der Südosteuropaforschung an der Universität Münster zum Thema "Ethnizität, Identität und Nationalität in Südosteuropa" (1998) sprach er über "Slavorum apostoli - Identitätsstiftung durch Heiligenverehrung in Südosteuropa".