Gesünder durch Bildung

Prof. Dr. Volker H. Schmidt über Priorisierung in der Sozialpolitik

Über Fragen der „Priorisierung auf der Makroebene“ hat der Soziologie Prof. Dr. Volker H. Schmidt (National University of Singapore) im Rahmen seiner Fellow Lecture mit den Mitgliedern der Kolleg-Forschergruppe „Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik“ diskutiert. Er vertrat dabei die These, dass innerhalb der deutschen Sozialpolitik die Ausgaben für Gesundheit zugunsten jener für Bildung zurückgefahren werden sollten.

Den Ausgangspunkt dieser Überlegungen bildet das Anliegen, die begrenzten Mittel staatlicher Sozialpolitik optimal einzusetzen, um verschiedene gesellschaftliche Bedürfnisse abzudecken, so etwa Bildung oder Absicherung im Krankheitsfall oder bei Arbeitslosigkeit. Professor Schmidt führte empirische Belege aus skandinavischen und ostasiatischen Ländern an, in denen trotz zum Teil erheblich geringerer staatlicher Aufwendungen im Gesundheitswesen ähnliche oder sogar bessere Werte in statistisch relevanten Kennzahlen wie etwa der durchschnittlichen Lebenserwartung erzielt werden. Es erstaunt zunächst, dass diese guten Gesundheitswerte zugleich mit hohen Bildungsausgaben der entsprechenden Länder korrelieren. Offenbar trägt ein hoher Bildungsstand auch zum gesundheitsbewussten Verhalten einer Bevölkerung bei und ruft empirisch gesundheitsfördernde Folgeeffekte hervor, wie ein höheres Einkommen oder eine geringere Anfälligkeit für Depressionen.

Schmidt plädierte für eine steuerfinanzierte medizinische Grundversorgung in Deutschland, die durch individuellen Versicherungsschutz ergänzt werden kann. In der anschließenden Diskussion wurden etwa die Folgen dieses Modells für die medizinbezogene Industrie in Deutschland, die Form der Berücksichtigung natürlicher Nachteile (z.B. angeborener Leberschäden) oder die Findung eines gesellschaftlichen Konsenses über eine angemessene Grundversorgung thematisiert. Besondere Bedeutung für den Schwerpunkt der Kolleg-Forschergruppe hatten zudem Fragen nach dem Verhältnis von empirischen Daten und normativen Konzepten sowie der diskrepanten Bewertung paternalistischer Ansätze in der Gesundheitspolitik und anderen Bereichen der Sozialpolitik.

Das der Fellow Lecture zugrundliegende Paper "Priorisierung auf der Makroebene" kann auf der Homepage von Professor Schmidt heruntergeladen werden.