Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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Alltagsgeschichte

3. Familie, soziale Differenzierung und (materielle) Reproduktionskosten

3.2. BEISPIEL HAUSHALT

Haushalt und Familie in den industriellen Unterschichten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert: Im Vergleich zum Haushalt vorindustrieller Unterschichten erlangte der proletarische Haushalt neue wirtschaftliche und soziale Funktionen:

  1. Versorgung: Bis ins frühe 20. Jahrhundert, d.h. mit wachsender Lebenserwartung und solange Leistungen staatlicher Altersrenten noch gering waren, nahm die Häufigkeit der Koresidenz von Ehepaaren mit Eltern noch zu.
  2. Unterstützung der Ehefrau und Mutter: Mit der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit von Frauen nahm deren Bedarf an Hilfe insbesondere bei der Kinderbetreuung zu. Z. T. koresidierende ältere verwandte Frauen übernahmen z. T. gegen Bezahlung diese Funktion.
  3. Familie als Arbeitseinheit: In der Textilindustrie war bis mindestens in die 1850er Jahre hinein, im Ruhrkohlebergbau bis zu den 1890er Jahren die Familie bzw. Verwandtschaftsgruppe zentrale Arbeitseinheit, da Arbeitsverträge z. T. mit dem Familienoberhaupt für einen ganzen Arbeitsverband (von 4–7 Personen) geschlossen wurden (Familie als Instanz der Ausbildung und Kontrolle von Arbeitskräften). Die Koresidenz von von weither zuwandernden Verwandten bildete somit eine wichtige Etappe für den Einstieg in den Arbeitsmarkt.
  4. Kost- und Schlafgängerwesen: Im deutschen Kaiserreich hatten ca. 10–20% der städtischen Haushalte sog. Aftermieter, v.a. junge, wandernde Männer. In den Unterschichten war der Anteil wohl höher: Im nördlichen Ruhrrevier waren 1893 28,1% der Bergleute Aftermieter; nach dem Ersten Weltkrieg nahm deren Zahl allgemein ab. Besonders in schwierigen Phasen des Familienzyklus (z. B. wenn kleine Kinder vorhanden waren -> extreme Überbelegung von Wohnungen) und bei Arbeitsunfähigkeit des Mannes stellte die Aufnahme von Kostgängern ein wichtiges, von Frauen erwirtschaftetes Nebeneinkommen dar.

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