Pressemitteilung upm

"Entstellung des Münsterlands"

Germanist untersuchte die Tatort-Folgen aus Münster / Humorvoll-ironische Übertreibungen sind das Erfolgsrezept

Münster (upm), 25. Juli 2012

"Wo bin ich denn hier gelandet?" Eine berechtigte Frage, meint Prof. Andreas Blödorn, denn "Münsterland ist Monsterland". Der Gemanist der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), zu dessen Forschungsschwerpunkten Filme der Nachkriegszeit und der Gegenwart zählen, hat sich eingehend mit den Schauerlichkeiten der Stadt Münster beschäftigt, wie sie in den derzeit beliebtesten Tatort-Folgen gezeigt werden.

Der 40-Jährige hat bei seiner Analyse der ARD-Krimis aus Münster "Perversionen der verschärften Art" beobachtet. Die Tatort-Filme aus Münster seien etwas Besonderes, weil sie die Muster der anderen Tatort-Folgen überzeichneten. "Selbst die Leichen sind nicht normal", konstatiert Andreas Blödorn - das gelte gleichermaßen für die Ermittler.

Die Drehbücher seien durch Merkmale des Grotesken wie Übertreibung und Überfluss gekennzeichnet. "Die schwarze Komödie arbeitet an einer von Folge zu Folge um sich greifenden Entstellung der münsterländischen Welt", betont der Wissenschaftler. Dazu gehöre auch, dass der Münster-Tatort, rein produktionstechnisch betrachtet, mittlerweile weitgehend in Köln gedreht wird. Die typischen münsterschen Schauplätze wie Prinzipalmarkt, Aasee, Domplatz würden in einer für Kenner der Stadt unmöglichen Art und Weise zusammengeschnitten.

Die bislang 21 Fälle von Kommissar Thiel und Gerichtsmediziner Prof. Boerne seien ein selbstreflexives Spiel mit den Konventionen des Genres. Dies stehe im bewussten Gegensatz zum sozialkritischen Ernst der anderen Tatort-Folgen, in denen üblicherweise eine in Unordnung geratene Gesellschaft wiederhergestellt werde. Anders im Münster-Tatort: Die Aufklärung des Verbrechens stehe im Hintergrund, mit verschiedenen Techniken werde Münster als unsicherer und abgründiger Ort dargestellt, an dem die Normen nur halbherzig wiederhergestellt werden. Ein Beispiel: Im ersten Münster-Tatort mit dem Titel "Der dunkle Fleck" ragt eine Leichenhand aus dem Sumpf. Durch eine Überblendung mit der Altstadt wird Münster mit einem "Sumpf des Verbrechens" gleichgesetzt.

Dazu gehört auch, dass Kleinkriminalität in Münster zum Alltag zu gehören scheint. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen, wenn der Vater des Kommissars Haschisch anbaut oder Fahrraddiebstahl als Kavaliersdelikt dargestellt wird. "Die bürgerliche Ordnung im Münster-Tatort ist nur eine Welt scheinheiliger Kompromisse", unterstreicht Andreas Blödorn.

 

Homepage Prof. Andreas Blödorn