Die Ausgangshypothesen, mit denen das Teilprojekt im Jahr 2000 seine Forschungen aufgenommen hat, haben sich als noch aufschlußreicher erwiesen als
ursprünglich erwartet. Im Berichtszeitraum führte das Teilprojekt seine Arbeit schwerpunktmäßig auf folgenden Problemfeldern fort: der
Privilegienvergabe durch den König (9.-12. Jahrhundert), der Wechselwirkung zwischen symbolischer Kommunikation und Schriftgebrauch im kommunalen Italien
(11.-15. Jahrhundert) sowie des Schriftdenkmals in der symbolischen Kommunikation spätmittelalterlicher Herrschaftsverbände nördlich der Alpen.
Darüber hinaus wurde durch Längs- und Querschnitte eine Synthese der im Teilprojekt erarbeiteten Ergebnisse vorbereitet. Zugleich kann konstatiert werden,
daß durch unsere Veröffentlichungen und Aktivitäten das Thema des Teilprojekts mittlerweile in der internationalen Diskussion über
Schriftlichkeit im Mittelalter angekommen ist und an Bedeutung gewinnt. Eine Bestandsaufnahme bot das vom Teilprojekt im Sommer 2003 organisierte internationale
Kolloquium zum Thema "Öffentlichkeit und Schriftdenkmal im Mittelalter".
In den Arbeiten über Urkunden in der symbolischen Kommunikation des Früh- und Hochmittelalters wurde einerseits in minutiösen Fallstudien die Einbettung von Privilegierungsakten mit deren konkretem Ablauf in einen weiteren Lebenszusammenhang sowie in die Handlungsabsichten der Beteiligten herausgearbeitet; dabei traten
Phänomene in das Blickfeld, die von der Forschung bisher nicht wahrgenommen wurden, jedoch für das Verständnis der Bedeutung von und des
Umgangs mit Urkunden grundlegend sind. Andererseits wurden die in den Fallstudien hervortretenden grundsätzlichen Fragen nach dem Stellenwert von
Schriftdenkmälern in der Gesellschaft des frühen und hohen Mittelalters, nach den Funktionen symbolischen Handelns in den damaligen Gesellschaften, nach
Öffentlichkeit und den Formen der Kommunikation, nach Medialität und Performanz und schließlich nach dem in der Intertextualität der
Dokumente aufscheinenden Verweischarakter des rituell-performativen Handelns in eigenen Studien verfolgt.
Die Beiträge zur Verwendung von Urkunden und Büchern in der symbolischen Kommunikation der italienischen Stadtkommune haben vor allem nach Wechselwirkungen und der
medialen Integration von Schrift und Performanz gefragt. In verschiedenen Fallstudien wurden jeweils sehr spezifische Wege nachgezeichnet, auf denen Schrift, Geste und
gesprochenes Wort in plurimediale Ensembles integriert wurden.
Die Untersuchungen zu Schriftdenkmälern
in der symbolischen Kommunikation spätmittelalterlicher Herrschaftsverbände konnten eine charakteristischen Spannung herausarbeiten, die den Gebrauch
von Schriftdenkmälern in Akten symbolischer Kommunikation während des europäischen Spätmittelalters durchzog. Es existierten etablierte
Verfahren und Bezugstexte, über die die Authentizität der Dokumente festgestellt wurde und die zugleich Ordnungsvorstellungen und Handlungsmuster
für den performativen Umgang mit den Schriftdenkmälern vorgaben. Obwohl diese Muster stets präsent waren, engten sie jedoch keineswegs die
Möglichkeiten individueller kommunikativer Lösungen ein, die durch einen spezifischen Bezug zwischen Text- und Ritualbotschaft gefunden wurden. Die
tatsächlich inszenierten Botschaften des performativen Schriftgebrauchs konnten in einem spannungsreichen Verhältnis stehen zu den mit ihnen verbundenen
Vorgaben und Darstellungsabsichten, die die weitere Überlieferung der Dokumente bestimmten.