Neuere und Neueste Geschichte
Theorie und Praxis der Geschlechterrollen im 18. Jahrhundert
Die moderne Geschlechtergeschichte hat deutlich gemacht, dass das soziale Geschlecht ("gender") ein historisch höchst wandelbares kulturelles Konstrukt ist. Im
späten 18. Jh. bahnte sich ein besonders tiefgreifender Wandel in der Konstruktion politisch-sozialer Unterschiede an, der bis heute fortwirkt: An die Stelle
gradueller rechtlicher Abstufungen und mannigfaltiger ständischer Unterschiede traten die staatsbürgerliche Gleichheit der Männer einerseits und die
polare Ungleichheit der Geschlechter andererseits. Während ständische Grenzen sich auflösten, wurde die Geschlechtergrenze desto schärfer
gezogen. Dieser Wandel wird für beide Geschlechter und auf verschiedenen Ebenen thematisiert: in sozialgeschichtlichen Einzelstudien und in Studien zum
theoretischen Diskurs um 1800.
Einen Schwerpunkt
bilden dabei die Auswirkungen dieses Wandels auf die Rolle und Position von Frauen im Literaturbetrieb. In diesem Feld wurde die Polarisierung der Geschlechterrollen
durch die Ablösung des Ideals der gelehrten Frau durch die neue Empfindsamkeit verschärft. Am Beispiel der Schriftstellerin Sophie von LaRoche wird
untersucht, wie eine gebildete Frau mit diesem Normenwandel umging, wie sie ihn sich aneignete, und welche weiblichen Ideale sie selbst in ihrer Zeitschrift
"Pomona - Für Teutschlands Töchter" verbreitete
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Untersuchung
von Männlichkeiten. Anhand eines Vertreters des kulturellen und akademischen Lebens Münsters um 1800 soll herausgearbeitet werden, wie Bilder von
Männlichkeit rezipiert und konstruiert werden. Ausgehend von Ego-Dokumenten (Briefen, Autobiographien und Tagebüchern) A. M. Sprickmanns, der die
Schriftstellerei für eine materiell sichere Existenz als Juraprofessor aufgab, soll die Lebens- und Erfahrungswelt anhand der um ihn zentrierten Geschlechter- und
Generationenbeziehungen untersucht werden. Dabei sollen drei Ebenen der Geschlechterbeziehungen unterschieden werden: 1. Rezeption gesellschaftlicher Leitbilder von
Männlichkeit, 2. soziale Praxis, 3. Identität und subjektive Erfahrung. (Arbeitstitel der Dissertation: Anton Matthias Sprickmann (1749-1833) -
Geschlechterbeziehungen im deutschen Bürgertum)
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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