Arbeitsbereich Prof. Dr. R. M. Mesters
Tumorangiogenese
In diesem Forschungsschwerpunkt wird die Bedeutung der Angiogenese für die Progression
hämatologischer Neoplasien (AML, Multiples Myelom) und die mögliche Effektivität
antiangiogener Therapieprinzipien bei hämatologischen und soliden Tumorerkrankungen sowohl in
präklinischen Modellen wie auch in klinischen Phase I-/II-Studien bearbeitet. Im Tiermodell werden
verschiedene antiangiogene Therapiestrategien verfolgt, mit dem Ziel, eine signifikante Hemmung des
Tumorwachstums zu erreichen. Darüber hinaus werden in klinischen Studien die antiangiogene und die
antileukämische Wirksamkeit kleinmolekularer Rezeptor-Tyrosinkinase Inhibitoren (SU5416, AZD2171),
Thalidomid und anderen Substanzen geprüft.
Bedeutung der Angiogenese
bei hämatologischen Neoplasien
Tierexperimentelle und klinische Untersuchungen
haben demonstriert, daß eine adäquate Neovaskularisierung (Angiogenese) eine absolute
Voraussetzung
für ein expansives Wachstum eines soliden Tumors ist. Die Bedeutung der Angiogenese für die
Progression hämatologischer Neoplasien ist jedoch bislang nicht ausreichend erforscht. In früheren
Untersuchungen konnte eine erhöhte Mikrovaskularisationsdichte auch bei Patienten mit Akuter
Myeloischer
Leukämie (AML) nachgewiesen werden. Ziel der Folgeuntersuchungen war es nun, die Mediatoren für
die AML-induzierte Angiogenese zu identifizieren.
Immunhistochemische Analysen von Knochenmarkbiopsaten bei der AML zeigten eine Überexpression
von vaskulärem endothelialem Wachstumsfaktor (VEGF), einem wesentlichen Mediator der Angiogenese,
sowie VEGF-Rezeptor 2 in Endothelzellen wie auch in Leukämiezellen. Aufgrund dieser Daten scheinen
VEGF bzw. VEGF Rezeptor 2 eine interessante Zielstruktur für antiangiogene und antileukämische
Therapiestrategien zu sein. Folgerichtig wurde eine klinische Phase II-Studie mit dem Rezeptor
Tyrosinkinase-Inhibitor SU5416, welcher u.a. den VEGF Rezeptor 2 inhibiert, bei Patienten mit AML
durchgeführt. In einem compassionate use-Programm konnten wir in der Tat über den weltweit ersten
Fall einer kompletten Remission bei einer Patientin mit therapierefraktärer AML unter der Behandlung mit
SU5416 berichten. Die Ergebnisse einer weiteren klinischen Phase I/II-Studie zur Behandlung der
therapierefraktären AML mit Thalidomid, einem relativ unspezifischen Angiogenese-Inhibitor, wurden
publiziert. Ein Ansprechen auf diese Behandlung konnte in etwa 1/5 der Patienten beobachtet werden. Diese
Ergebnisse unterstreichen, daß die Angiogenese auch für hämatologische Neoplasien wie der
AML eine bedeutende pathophysiologische Rolle spielt und die Angiogenese eine interessante therapeutische
Zielstruktur darstellt. Weitere Studien mit antiangiogenen Substanzen sind in der Planung. Nach unseren
Untersuchungen scheint ferner auch der basische Fibroblastenwachstumsfakor (bFGF) für die Angiogenese
bei AML relevant zu sein, so daß sich hier ein weiteres Target herauskristallisiert. Darüber hinaus
fungiert das Labor als Referenzzentrum zur Bestimmung der Mikrogefäßdichte bei der AML und dem
Multiplen Myelom im Rahmen von internationalen multizentrischen Phase II-Studien mit verschiedenen
Angiogenese-Inhibitoren.
Antiangiogene
Therapiestrategien in präklinischen Modellen
Im Tumor-Tiermodell wird
unter anderem folgender Therapieansatz verfolgt: Selektive Thrombosierung von Tumorgefäßen mit
nachfolgender Tumorzellnekrose durch die Injektion von Fusionsproteinen. Mittels zielgerichteter Applikation einer
verkürzten Form des Gewebefaktors (truncated Tissue Factor, tTF) werden selektiv in
Tumorgefäßen thrombotische Verschlüsse induziert. Dieser Ansatz zeigt eine effektive Inhibition
des Tumorwachstums in verschiedenen präklinischen Mausmodellen mit humanen Tumorzelllinien
(Adenocarcinom, Melanom, Fibrosarkom).
Bedeutung hämatopoetischer und endothelialer Vorläuferzellen für die
Neovaskularisation
Tumorangiogenese bezeichnet die Gefäßneubildung in Tumoren, die einerseits über sich
teilende ortsständige Endothelzellen, als auch durch die Freisetzung von hämatopoetischen
Stammzellen (HSC) und endothelialen Progenitorzellen (EPC) verursacht wird. Dieser Vorgang wird in Abgrenzung
zur Angiogenese als postnatale Vaskulogenese bezeichnet. In vivo konnte gezeigt werden, dass diese HSC/EPC
in
verschiedenen pathologischen Zuständen aus dem Knochenmark und dem peripheren Blut an Stellen
gesteigerter Gefäßneubildung einwandern und zu Endothelzellen differenzieren können. Die
Bedeutsamkeit der HSC/EPC für die Neovaskularisation verschiedener Tumoren ist bisher wenig erforscht.
Im Rahmen
dieses Projekts wird der Beitrag der HSC/EPC induzierten Vaskulogenese in Tumoren untersucht. Durch gezielte
Expression therapeutischer Gene in gentechnisch veränderten HSC/EPC soll das Tumorwachstum inhibiert
werden.
Evaluation des PDGF-Rezeptor
Systems als Target für anti-angiogene Therapiestrategien
Nach der
Bildung von neuen Endothelsträngen unterläuft das zunächst primitive Gefäßnetz
einen ausgiebigen Umbau in ein schließlich reifes und stabiles Gefäßsystem. Dieser Prozeß
beinhaltet auch die Ummantelung mit Gefäßwandzellen (sogenannten Perizyten), was allgemein als
Zeichen eines "reifen" Gefäßes interpretiert wird. Verschiedene in vitro Versuche haben gezeigt,
daß der Platelet-Derived Growth Factor (PDGF-B) für die Migration und Proliferation von Stromazellen
einschließlich Perizyten eine wichtige Rolle spielt. Obwohl PDGF-B auch als autokriner Wachstumsfaktor
für einen Teil mesenchymaler und epithelialer Tumoren einschließlich des nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinoms (NSCLC) agieren kann, so ist doch die Bedeutung und Funktion besonders bezüglich der
Stromaentwicklung und Angiogenese unklar. Das Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, über eine
Hemmung
von Tumorzell-produziertem PDGF-B Möglichkeiten zu finden, die durch perivaskuläre Zellen
(Perizyten) ausgeübte Gefäßstabilität im Tumor zu beeinflussen und daraus letztlich neue
Therapiestrategien zu entwickeln.
Prognostische Bedeutung der Angiogenese bei soliden Tumoren
Obwohl
die prognostische Bedeutung gesteigerte Blutgefäßneubildung bei den häufigen soliden
Tumoren
gut etabliert ist, gibt es nur wenige und z.T. widersprüchliche Ergebnisse zu seltenen Tumoren wie z.B. dem
Osteo- oder Ewing-Sarkom. An Biopsiematerial, welches von Patienten, die im Rahmen der Kooperativen
Osteosarkom Studie (COSS) behandelt wurden, konnten wir demonstrieren, dass, im Gegensatz zu den soliden
Tumoren, eine höhere Mikrogefäßdichte mit einer günstigen Prognose assoziiert war. Dies
mag z.T. durch die höhere Empfindlichkeit dieser Tumoren gegenüber der zytotoxischen
Chemotherapie erklärbar sein. Ähnliche Untersuchungen beim Ewing-Sarkom und zu Mediatoren der
Tumorangiogenese werden z.Zt. ausgewertet.
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