Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
|
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Albert-Schweitzer-Str. 33 48149 Münster Direktor: Univ.- Prof. Dr. H. Van Aken |
Tel. (0251) 83- 47252 / 53 /58
Fax: (0251) 88704 e-mail: anaest@anit.uni-muenster.de www: http://medweb.uni-muenster.de/institute/anaest |
|
Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002 Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät |
||||
Hämostaseologie
Thrombozyten sind nicht nur die Steuerzellen der Hämostase, sondern auch Kernzellen der innaten
Immunabwehr. Mit beiden Bereichen beschäftigt sich die Arbeitsgruppe.
Im Bereich Hämostase liegt der Schwerpunkt auf der Interaktion von Thrombozyten mit Proteinen der
extrazellulären Matrix und mit anderen Zellen, wie Monozyten und Endothelzellen. Insbesondere die
Steuerung der Blutgerinnung durch die Thrombozyten steht hier im Vordergrund. Im Gegensatz zu dem
herkömmlichen Kaskadenmodell der Gerinnung, welches noch in den Lehrbüchern steht, geht
man heute davon aus, daß die eigentliche Thrombinbildung, die zur Blutstillung benötigt wird,
von den Thrombozyten gesteuert auf deren Oberfläche stattfindet (Kehrel, im Druck). Die Kenntnis der
Proteinrezeptoren für klassische Gerinnungsfaktoren auf der Thrombozytenoberfläche und deren
Signaltransduktionswege macht neue Ansatzpunkte zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen und
vaskulären Erkrankungen,
wie Schlaganfall und Herzinfarkt, möglich.
Beispielhaft erwähnt seien
hier Ergebnisse, die im vom IZKF finanzierten Projekt C21 (Modulation der Affinität und/oder
Avidität von Integrinen durch CD47 und u-PAR in vitro und in tierexperimentellen Modellen
inflammatorischer Erkrankungen) von uns erzielt wurden. Wir konnten zeigen, daß Thrombospondin-1
(TSP-1) als Adhäsionsvermittler von Thrombozyten unter hohem Scherstress dient.
Bei inflammatorischen, wie akuten thrombotisch arteriellen Gefäßerkrankungen, sind
Interaktionen zwischen Thrombozyten und geschädigtem Endothel, bzw. extrazellulärer Matrix,
von entscheidender Bedeutung. Bisher wurde der von Willebrand Faktor (vWF) als einzigartiges,
adhäsives Substrat beschrieben, das eine Thrombusbildung unter hohem Scherstress, wie er z.B. in
arteriosklerotisch verengten Gefäßen auftritt, ermöglicht. Im Gegensatz dazu konnte durch
unsere in vitro Untersuchungen mit Hilfe von Durchflusskammerexperimenten und Scheraggregometrie TSP-1
als alternatives, thrombozytäres Adhäsionssubstrat bei hohen Scherkräften identifiziert
werden (Optimum bei 50 dyn/cm2 ca. 4-fache Adhäsion im Vergleich zu statischen
Bedingungen, p<0,005). Die Interaktion zwischen Plättchen und TSP-1 ist äußerst
Scherstress-resistent (bis 4000s-1) und Ca2+-abhängig, wie entsprechende Experimente mit
Ca2+-komplexierenden Antikoagulantien (Citrat, EDTA) zeigten. Plättchen eines Patienten, dem sowohl
der vWF in den Plättchen als auch im Plasma vollständig fehlt, verhielten sich bei der
Adhäsion an TSP-1 bei hohen Scherkräften wie Kontrollplättchen. Dieses Ergebnis zeigt,
dass der vWF bei der Interaktion zwischen TSP-1 und gescherten Plättchen weder direkt, noch indirekt
beteiligt ist. Ebenso konnte durch Experimente mit Plättchen von Glanzmann-Patienten mit
GPIIbIIIa-Antagonisten, mit a2b1-defizienten
Plättchen und mit funktionell inhibierenden monoklonalen Antikörpern nahezu ausgeschlossen
werden, dass die Integrine aIIbb3 und a2b1, sowie das Integrin-assozierte Protein CD47 an der
TSP-1 vermittelten Plättchenadhäsion unter hohen Scherkräften beteiligt ist. Dagegen
konnte durch Untersuchungen mit funktionell inhibierenden Antikörpern, sowie durch
Kompetitionsversuche, das Glykoprotein Ib als primärer TSP-1-Rezeptor auf gescherten Plättchen
identifiziert werden. Diese neue GPIb-TSP-1-Adhäsionsachse bildet somit einen neuen therapeutischen
Ansatzpunkt für Gefäßkrankheiten, deren Pathophysiologie nicht nur durch
Thrombozyten-Endothel Interaktionen, sondern auch z.B. durch Leukozyten-Endothel Interaktionen
charaktierisiert sind (näheres siehe Jurk et. al. FASEB J, in press).
Desweiteren konnten wir zeigen, daß die Oberflächen-assoziierte Proteindisulfidisomerase (PDI)
als Affinitätsmodulator des Integrins aIIbb3
dient.
Die Modulation der Affinität von Integrinen für ihre Liganden stellt eine Schlüsselrolle
für Zell-Zell und Zell-Matrix Interaktionen dar. Affinitätsveränderungen, die zur
Integrinaktivierung und somit zur Ligandenbindung führen, sind durch enorme
Konformationsänderungen innerhalb der Integrin-Domänen geprägt, die mit spezifischen,
redoxabhängigen Bindungsumlagerungen begleitet sind. In unseren Integrin-Funktionsuntersuchungen
diente das plättchenspezifische und sehr gut untersuchte Integrin aIIbb3 als Modellsystem. In Aggregationsexperimenten konnte mit Hilfe von
Membran-impermeablen Thiol-Blockern und spezifischen Inhibitoren der PDI gezeigt werden, dass durch
PDI-bedingter Umlagerung freier Cysteinreste auf der Thrombozytenoberfläche die irreversible stabile
Bindung des aIIbb3-Liganden Fibrinogen an
aktivierten Thrombozyten ermöglicht wird. Durchflusszytometrische Untersuchungen mit den oben
genannten Inhibitoren ergaben, dass nicht nur die stabile Bindung des Liganden Fibrinogen, sondern auch
durch Ligandenbindung neu induzierte Epitope/Konformationen im aIIbb3-Integrin, sowie dessen Aktivierung selbst durch enzymatisch/PDI katalysierten
Thiol-Redoxreaktionen auf der Thrombozytenoberfläche reguliert werden. Im Gegensatz zur
Integrin-Ligandenbindung scheint die Agonisten-induzierte Plättchenaktivierung (z.B. P-Selektin
Expression) Ectosulfhydryl-unabhängig zu erfolgen. Diese Ergebnisse verdeutlichen eine wichtige
Beteiligung der enzymatisch/PDI katalysierten Disulfid-Umlagerungen an der Affinitätsregulierung von
Integrinen auf der Zelloberfäche. (siehe Lahav et al. Blood 2002). Die Ergebnisse der
Untersuchungen zur Wirkung von Schlangengiftkomponenten auf Thrombozyten und deren
Signaltransduktionswegen zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. K.J. Clemetson sind in Dörmann
et. al. 2001 und Navdaev et. al. 2001 beschrieben. Mit der Arbeitsgruppe von Dr. R. Nofer
untersuchten wir Thrombozyten von Patienten mit Tangier-Erkrankung (ABCA-1 Defizienz) und
beschäftigten uns mit neuen Rollen von HDL, bei der Entstehung von arteriosklerotischen Plaques.
(Nofer et al 2002 und in press , sowie Patentantrag PCT-Anmeldung Kehrel 2001b).
Im letzten Abschnitt des IZKF Projekts A6 untersuchten wir die Interaktion von Blutplättchen mit
Leukozyten. In Kooperation mit der Klinik für Neurologie erfolgte eine prospektive Studie an Patienten
mit asymptomatischen, hochgradigen Stenosen (>70%). Dabei stand die klinische Bedeutung der Assoziation
zwischen Thrombozyten und Leukozyten im Vordergrund. Im Vollblut von Patienten mit echoarmen und
echoreichen Stenosen wurden signifikant erhöhte Plättchen-Monozyten- bzw.
Plättchen-neutrophile Granulozyten (PMNL)-Assoziate durchflusszytometrisch detektiert. Dabei lag die
Rate der Assoziation zwischen Plättchen und Leukozyten von echoarmen Patienten mit ca. 50%
vergleichbar hoch, wie bei Patienten mit akutem Schlaganfall, und konnte bei beiden Patientengruppen durch
Thrombinstimulierung in vitro nicht signifikant gesteigert werden. Sowohl bei Monozyten als auch bei PMNL
von Patienten mit echoarmen Carotisstenosen konnte im Gegensatz zu Patienten mit echoreichen
Carotisstenosen eine signifikant erhöhte Oberflächenpräsentation des
Adhäsionsmoleküls TSP-1, sowie des b2-Integrins CD11b
beobachtet werden. Im Gegensatz dazu exprimierten die Thrombozyten dieser Patienten die
Aktivierungsmarker P-Selektin, TSP-1 und CD63 nicht vermehrt auf ihrer Oberfläche. Sowohl die
Thrombozyten, als auch die Leukozyten von Patienten mit akutem Schlaganfall verhielten sich refraktär
bezüglich des Agonisten Thrombin. Dagegen konnten sowohl die Plättchen, als auch die
Monozyten, bzw. PMNL von Patienten mit echoarmen, wie echoreichen Stenosen, weiterhin durch Thrombin
in vitro stimuliert werden. Diese Ergebnisse sind zur Publikation eingereicht.
Auf der anderen Seite ergeben sich aus dem neuen Verständnis der Hämostase Perspektiven
für eine effektivere Blutstillung bei Operationen, die zum Einsparen von Blut-Transfusionen
führen.
Hier führten wir Untersuchungen
zum Wirkmechanismus von rFVIIa und zur Verbesserung von Vliesen durch, die zur Blutstillung eingesetzt
wurden. Diese Projekte wurden von der Industrie finanziert. Aus dem neuen
Verständnis, wie die Blutgerinnung und die Thromboseentstehung funktionieren, entsteht der Bedarf,
dies auch diagnostisch nutzen zu können. Daher wird an der Entwicklung einfacher, präziser
Testmethoden zur Untersuchung der Hämostase gearbeitet.
Für die Diagnostik von Thrombozytopathien wurden Methoden entwickelt, welche die
Differentialdiagnostik erleichtern und Untersuchungen auch bei Säuglingen und/oder unter
Thrombozytopenie erlauben. Daher dient die Arbeitsgruppe seit vielen Jahren als Referenzzentrum für
die Diagnostik dieser Erkrankungen. Zusammen mit der Kinderklinik wurden für diese neuen Methoden
Normalwerte für Kinder unterschiedlichen Alters ermittelt und auf dem Meeting des Scientific
and Standardisation Commitees der Internationalen Thrombose- und Hämostasegesellschaft
(ISTH) vorgestellt.
Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Morgenstern gingen wir der Frage nach, welcher Vorgang bei der
Aktivierung der Blutplättchen zuerst passiert, der Formwandel oder die Aggregation. Nach
Aktivierungszeiten von 1,5 sec konnten wir Aggregation von noch diskoiden Plättchen beobachten.
Daneben konnten wir zeigen, daß Blutplättchen, wie epitheliale Zellen, in einer späteren
Phase der Aggregation s.g. tight junctions ausbilden können. Auch diese Ergebnisse sind
zur Publikation eingereicht worden.
Einerseits sind Infektionen und
entzündliche Erkrankungen ein Trigger für thromboembolische Ereignisse (tiefe
Beinvenenthrombose, Lungenembolie, u.a.) und Gefäßwanderkrankungen, andererseits
beeinflussen Veränderungen der Hämostase entzündliche Erkrankungen, wie
Ischämie- Reperfusionsschäden, Sepsis und andere. Die Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt,
die zugrunde liegenden Pathomechanismen aufzuklären und auf dem Hintergrund dieses neuen Wissens
neue Wege für die Therapie dieser Erkrankungen aufzuzeichnen.
Die Ergebnisse führten unter
anderem in die Patentanmeldungen WO 02/22150A2 und WO 02/32445A2.
Der zweite
Schwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt in der Erforschung der Rolle der Thrombozyten bei der innaten
Immunabwehr. Bakterien, Pilze, Parasiten , Viren und Tumorzellen binden an Thrombozyten. Thrombozyten
können diese Körperfeinde aktiv abtöten. Die Bedingungen, unter denen
dies geschieht, und die zugrunde liegenden Mechanismen werden untersucht. Neben einer direkten Wirkung
der Thrombozyten wirken diese aber auch indirekt, indem sie mit den Leukozyten und dem Endothel
wechselwirken. Im
SFB 293 geförderten Projekt A6 wurde z.B. die Interaktion von S. aureus mit
Blutplättchen untersucht
Zu den schwersten Verlaufsformen invasiver, durch
S. aureus verursachter Infektionen, zählen solche, die durch ihre endovaskuläre
Manifestation charakterisiert sind. Das Teilprojekt A6 (Heilmann/Peters/Kehrel) befaßte sich
daher mit der Anhaftung von S.aureus an die Gefäßwand und der Aktivierung/
Schädigung des vaskulären Endothels bei S. aureus Infektionen.
Die biomolekularen Interaktion der Thrombozyten mit Endothel und mit S.aureus und die molekularen
Bedingungen der Thrombozytenaktivierung durch S.aureus wurden untersucht.
So fanden wir, daß Thrombozyten PSGL-1
in ihrer Plasmamembran exprimieren und über eine P-selectin/ PSGL-1 Brücke an aktiviertes
Endothel adhärieren können.
Es gelang uns zu zeigen, daß
für die Assoziation der Bakterien an Thrombozyten sowohl der Aktivierungszustand an sich, als auch
das Vorhandensein von löslichem Fibrin essentiell sind. Daraus ergibt sich, daß bei Endokarditis,
bedingt durch eine Infektion mit PMBP (platelet-microbicidal proteins)-resistenten Bakterien, eine
Zusatzbehandlung mit Thrombin-Hemmern, die sowohl die Plättchenaktivierung, als
auch die Entstehung von Fibrin hemmen, einen therapeutischen Nutzen für die Patienten bringen
könnte. Weiterhin konnten wir zeigen, daß essentielle Grundlage für die Ausprägung
eines prokoagulanten Zustands, und damit für die Fibrinentstehung auf der
Plättchenoberfläche, eine Bindung von Thrombin an das Glykoprotein Ib ist.
Granulaproteine sind für die S. aureus-Thrombozyten-Assoziation von besonderer
Bedeutung, wie Untersuchungen an Patienten mit dem äußerst seltenen Gray-platelet-Syndrom
(Fehlen der alpha-Granula) zeigten. Das gesuchte Vermittlerprotein wurde als Thrombospondin
identifiziert. Die Ergebnisse wurden zur Publikation eingereicht. Aus Überständen
aktivierter Thrombozyten wurde ein Peptid isoliert, welches in der Lage ist, einige pathogene Bakterien, Viren,
Pilze, Parasiten und Tumorzellen abzutöten. Ein entsprechender Patentantrag ist in Bearbeitung.
In einem anderen vom IZKF geförderten
Projekt B11 Zielgerichteter Transport antimikrobieller Substanzen durch Thrombozyten bei
Staphylococcus aureus-Endokarditis werden Blutplättchen als trojanische Pferde zum
zielgerichteten Transport von Medikamenten eingesetzt. Die durch Staphylococcus
aureus ausgelöste Endokarditis ist eine fulminant und oft deletär verlaufende Erkrankung. Dem
Pathomechanismus liegt primär eine Schädigung der
Endothelzell-Gefäßwandauskleidung zugrunde. An das freigelegte Subendothel lagern sich
Thrombozyten an. Proteine der Matrix, des Plasma und die Thrombozyten bilden gemeinsam den Nidus
für eine konsekutive Kolonisierung für Staphylokokken aus der Blutbahn. Alleinige
antimikrobielle Therapie versagt oft, da es zur Bildung von Klappenvegetationen kommt und wirksame,
suffiziente Spiegel von antimikrobiellen Substanzen wegen der schlechten Durchblutung des Klappengewebes
und der schlechten Penetration in die Klappenvegetationen nicht erreicht werden können. Das Projekt
beruht auf der natürlichen Funktion von Thrombozyten, sowohl an die geschädigte
Gefäßwand, als auch an Staphylokokken zu binden. Antibiotika werden in Thrombozyten
enkapsuliert, welche diese Medikamente am Ort der Infektion im direkten Kontakt mit den Bakterien dann
freisetzen. Übergreifendes Ziel ist es, die potentielle klinische Anwendbarkeit dieses neuartigen
Verfahrens zu evaluieren
Beteiligte Wissenschaftler: Publikationen 2001-2002:
Patentanträge |
||||