Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie
und operative Intensivmedizin

Albert-Schweitzer-Str. 33
48149 Münster
Direktor: Univ.- Prof. Dr. H. Van Aken
 
Tel. (0251) 83- 47252 / 53 /58
Fax: (0251) 88704
e-mail: anaest@anit.uni-muenster.de
www: http://medweb.uni-muenster.de/institute/anaest
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 05 - Medizinische Fakultät
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Klinische Kardioanästhesie / Immungenetische Prädisposition


Systemische Inflammation nach extrakorporaler Zirkulation und mesenteriale Oxygenierung

Hintergrund:
Die bislang vorliegenden Erkenntnisse über den Darm als Schock- und Ischämieorgan, beruhen in erster Linie auf unterschiedlichen Tiermodellen und nur auf vereinzelten klinischen Studien. Der Darm reagiert sehr vulnerabel sowohl auf eine vorübergehende Minderperfusion als auch auf exogen zugeführtes Endotoxin. Beide Mechanismen führen zu einem Anstieg der Darmpermeabilität, wodurch die Integrität der Darmwand als Barriere zwischen gramnegativen Bakterien des Darmlumens und Blutkreislauf eingeschränkt oder aufgehoben ist. Der Verlust dieser Barrierefunktion führt zu einer Translokation von Bakterien und Toxinen in die Blutbahn. Dort werden die Mikroorganismen lysiert und als Zellwandbestandteil gramnegativer Bakterien wird Endotoxin freigesetzt. Endotoxin selbst stimuliert wiederum humorale und zelluläre Systeme, die inflammatorische Mediatoren synthetisieren. Die freigesetzten endogenen inflammatorischen Mediatoren sind aber nicht selektiv gegen das Endotoxin gerichtet und können zu einer systemischen Inflammation und einem Versagen unterschiedlicher Organsysteme führen. Insbesondere kardiochirurgische Eingriffe mit extrakorporaler Zirkulation führen zu einem Entzündungsprozess, der mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einhergehen kann. Ursachen der Inflammation nach extrakorporaler Zirkulation sind das chirurgische Trauma, der Kontakt des Patientenblutes mit der Oberfläche des extrakorporalen Kreislaufs, ein Ischämie- und Reperfusionschaden des Myokards und der Lunge während des Abklemmens der Aorta, sowie eine periphere und mesenteriale Minderperfusion.

Ergebnisse:
Inzidenz, Expression und Verlauf von systemischer Inflammation und Akut-Phase-Reaktion nach extrakorporaler Zirkulation
Bei herzchirurgischen Eingriffen mit extrakorporaler Zirkulation tritt eine Endotoxinämie auf, die bis zu 6 Stunden postoperativ ihre stärkste Ausprägung erreicht und sich danach wieder zurückbildet. Parallel zum Anstieg der Endotoxinämie steigt die mesenteriale Sauerstoffextraktion an als Zeichen einer mesenterialen Minderperfusion bzw. eines Missverhältnisses zwischen mesenterialem Sauerstoffangebot und -verbrauch während und unmittelbar nach extrakorporaler Zirkulation . Ein weiteres Zeichen dafür, dass die extrakorporale Zirkulation eine relevante mesenteriale Minderperfusion verursacht, ist die enge positive Korrelation zwischen Endotoxinämie und Dauer der extrakorporalen Zirkulation. Der Endotoxinämie folgt unmittelbar nach Ende der extrakorporalen Zirkulation die Freisetzung des proinflammatorischen Zytokins IL-6, deren zeitlicher Verlauf hinsichtlich Ausprägung und Rückbildung mit dem des Endotoxins übereinstimmt. Somit ist die Endotoxinämie mitbeteiligt an der Entwicklung der systemischen Inflammation nach extrakorporaler Zirkulation. Es fanden sich ferner Korrelationen zwischen IL-6 Konzentrationen und der Dauer der extrakorporalen Zirkulation. Diese primäre Inflammation wurde bei allen Patienten beobachtet und war wiederum in allen Fällen gefolgt von einem postoperativen Temperaturanstieg und einer Akut-Phase-Reaktion. Die extrakorporale Zirkulation induziert demnach eine vorübergehende, aber vollständige Entzündungsreaktion des menschlichen Organismus, die unter Berücksichtigung des komplikationslosen weiteren Krankheitsverlaufes der untersuchten Patienten in der Regel ohne bleibende Schäden verläuft.

Der Einfluss von Phosphodiesterase-III-Hemmern und Dopexamin auf mesenteriale Oxygenierung, Endotoxinämie und systemische Inflammation nach extrakorporaler Zirkulation
Die mesenteriale Minderperfusion während extrakorporaler Zirkulation wird weder durch eine präoperativ beginnende, kontinuierliche Infusion von Enoximon und Milrinon noch von Dopexamin entscheidend beeinflusst. Eine routinemäßig durchgeführte Infusion von Phosphodiesterase-III-Hemmern und Dopexamin mit dem Ziel der Verbesserung der mesenterialen Durchblutung aufgrund der vasodilatatorischen Eigenschaften der Substanzen kann demnach bei sonst gesunden herzchirurgischen Patienten nicht empfohlen werden. Diese Schlussfolgerung schließt aber nicht aus, dass die drei Substanzen aufgrund der allgemeinen Verbesserung von Hämodynamik und systemischer Oxygenierung den weiteren Krankheitsverlauf von Hochrisikopatienten, die sich einem herzchirurgischen Eingriff mit extrakorporaler Zirkulation unterziehen müssen, positiv beeinflussen können. Die primäre Inflammation nach extrakorporaler Zirkulation, repräsentiert durch den Anstieg des proinflammatorischen Zytokins IL-6, wird insofern durch die Infusion von Milrinon, Enoximon und Dopexamin beeinflusst, als jede der drei Substanzen eine signifikante Suppression und ein früheres Wiederabsinken der IL-6-Konzentrationen nach extrakorporaler Zirkulation verursacht. Diese Beobachtung ist weniger auf die vasodilatatorischen Eigenschaften der Substanzen mit nachfolgender Verbesserung der mesenterialen Durchblutung und Verminderung der Endotoxinämie zurückzuführen, als auf die Tatsache, dass sowohl Phosphodiesterase-Hemmer als auch Agonisten von b2-Rezeptoren und dopaminergen Rezeptoren vom Typ 1 einen intrazellulären Anstieg von c-AMP immunkompetenter Zellen zur Folge haben, der zu einer verminderten Synthese proinflammatorischer Zytokine führt. Zwar lässt sich anhand der gefundenen Ergebnisse eine Mitbeteiligung der tendenziell verminderten Endotoxinkonzentrationen an der IL-6-Suppression nicht ausschließen, aber die tierexperimentell vorbeschriebene direkte Beeinflussung der intrazellulären c-AMP-Konzentrationen ist wahrscheinlicher. Die verminderten IL-6-Konzentrationen führten nach Infusion von Dopexamin zu einer Abschwächung der nachfolgenden Akut-Phase-Reaktion. Eine Beeinflussung der Akut-Phase-Reaktion durch die Gabe von Milrinon oder Enoximon zeigt sich lediglich tendenziell angedeutet durch leicht erniedrigte Konzentrationen des Akut-Phase-Proteins Serum-Amyloid A.

Beteiligte Wissenschaftler:

Mitarbeiter: Prof. Dr. E. Berendes, Dr. C. Schmidt, Dr. S. Wirtz, Dr. M Grosse Hartlage

Kooperationen: PD. Dr. M. Walter, Dr. B. Schlüter (Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Institut für Arterioskleroseforschung). Prof. Dr. David Garbers, Department of Biochemistry, Southwestern Medical Center, Dallas

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
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Datum: 2003-07-29