Forschungsbericht 1997-98   
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Sprecher: Prof. Dr. Clemens Sorg

 
 
 
[Pfeile blau] Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Sonderforschungsbereiche
Sonderforschungsbereich 293
Biochemie
 


Teilprojekt A5 (Galla): Migration von immunkompetenten Zellen über die Blut-Hirn-Schranke in vitro

Projektleiter:H.-J. Galla
Dienstanschrift:Institut für Biochemie
Wilhelm-Klemm-Str. 2,
48149 Münster
Telefon:(0251) 833-3201
Telefax: (0251) 833-3206
E-Mail:GallaH@uni-muenster.de

1.

Stand der Erkenntnis bei der Antragstellung und Ausgangsfragestellung
Ziel des Projektes ist es, die Rolle der Zelladhäsionsmoleküle, der Proteine des Zytoskeletts und deren Membrananbindung sowie der Komponenten der extrazellulären Matrix auf die Ausbildung endothelialer und epithelialer Zell-Zell-Kontakte (tight junctions) aufzuklären. Im Vordergrund standen für die zurückliegende Förderperiode Fragen des Durchtritts von Entzündungszellen durch das cerebrale Endothel in vitro als Modell der Blut-Hirn-Schranke. Neben der grundsätzlichen Charakterisierung dieses spezialisierten Endothels hinsichtlich Stofftransport und elektrischer Leitfähigkeit unter dem Einfluß regulierender Faktoren (second messenger, Cytokine, Komponenten der Basalmembran) stand zunächst eine grundlegende Analyse der Expression der Zelladhäsionsmoleküle und die Entwicklung einer auf die Problemstellung der Lymphocytenmigration optimierten Meßtechnik zur Bestimmung transzellulärer elektrischer Widerstände durch Impedanzspektroskopie im Mittelpunkt. Diese Methodik, wurde in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich mit der sog. Quarz-Mikrowaage-Technik kombiniert, so daß wir jetzt nicht nur den elektrischen Widerstand bestimmen, sondern parallel Fragen der mechanischen Kopplung der Zellen, Adhäsionsphänomene und viskoelastisches Verhalten von Zellen analysieren können. Dazu verwenden wir von uns selbst aufgebrachte Goldelektroden auf Schwingquarzen. Da für dieses umfangreiche und wegen der biophysikalischen und zellbiologischen Fragestellungen anspruchsvolle und umfassende Programm im Rahmen des SFB nur eine statt zweier beantragter Doktorandenstellen zur Verfügung gestellt wurde, konnte bisher der Durchtritt der Entzündungszellen nur exemplarisch gezeigt, aber nicht systematisch verfolgt werden. Die Untersuchung des Migrationsprozesses, des Einflusses der Cytokine auf die Struktur der tight junctions und die geplanten Antikörperinhibitionsstudien mußten auf die verbleibende Zeit dieser und auf die nächste Förderperiode verschoben werden. Daß wir trotz des geringen bewilligten Personaleinsatzes so erfolgreich sein konnten, liegt an der hervorragenden Mitarbeit zweier Lehramtskandidatinnen, die im Rahmen ihrer Examensarbeit die Zellkulturarbeiten durchgeführt haben und am Einsatz von Personal der Grundausstattung, das beim Aufbau des Impedanzspektrometers (Elektroingenieur) und bei den Zellkulturarbeiten (BTA) wesentlich zum Fortschritt dieses Projektes beigetragen haben.

2.

Angewandte Methoden
Zellkultur, Immunfluoreszenz, ELISA, konfokale Laser Scanning Mikroskopie, Cell-sorting (FACS-Analyse), Impedanzspektroskopie, Mikrogravimetrie (Quarz-Mikrowaage-Technik).

3.

Ergebnisse und ihre Bedeutung
3.1

Entzündungsreaktionen an der Blut-Hirn-Schranke in vitro

Ziel der bisherigen Arbeiten war es, ein in vitro-Modell der Blut-Hirn-Schranke zu entwickeln und zu charakterisieren, welches in Folgeexperimenten als Grundlage für funktionale Studien dienen sollte. Vor diesem Hintergrund wurden zunächst die cerebralen Kapillarendothelzellen, deren Kultur aus Schweinehirn in der Arbeitsgruppe bereits etabliert war, näher analysiert. Schwerpunktmäßig sollten auf der Seite des Endothels die Zelladhäsionsmoleküle analysiert werden, die in einer Kaskade von Ereignissen die Adhäsion und Transmigration von Leukocyten und Lymphocyten ermöglichen [Springer, T.A. (1995) Annu. Rev. Physiol. 57, 827 - 72]. Meilensteine der bisherigen Arbeit waren der Nachweis der wichtigsten entzündungsrelevanten Zelladhäsionsmoleküle, Untersuchungen ihrer Regulation durch Entzündungsmediatoren, sowie die Klärung der zellulären Lokalisation. Da im Verlauf von Entzündungsreaktionen mit der Expression endothelialer Adhäsionsmoleküle und Einwanderung von Entzündungszellen in vitro eine erhöhte Permeabilität der Endothelzellen einhergeht, wurde weiterhin die Wirkung verschiedener Entzündungsmediatoren auf die Ionen-Permeabilität der cerebralen Endothelzellen untersucht. Dabei wurde festgestellt, daß einzelne Mediatoren wie Tumornekrosfaktor-a (TNFa) konzentrationsabhängig die Permeabilität für Ionen stark erhöhen. Neben der künstlichen Induktion entzündungsbedingter Eigenschaften des cerebralen Endothels sollte auch deren Inhibition erreicht werden, um eine weitergehende Regulation des Entzündungszustandes in vitro zu ermöglichen. Dies konnte durch Corticoide erzielt werden, die sowohl die Expression der Zelladhäsionsmoleküle inhibieren, als auch der Cytokininduzierten Ionen-Permeabilität entgegenwirken, wobei letzterer Effekt nicht entzündungsspezifisch, sondern eher allgemeiner Art [Hoheisel et al. 1998] ist. Nach dieser Charakterisierung der Entzündungsreaktionen wurden erste funktionelle Studien zur Extravasation von Entzündungszellen über die Blut-Hirn-Schranken-Endothels in vitro durchgeführt. Hierzu wurden zunächst Lymphocyten sowohl aus Schweineblut als auch aus Lymphknoten isoliert und charakterisiert. Während aus dem Blut die gesamte Lymphocyten-Fraktion eingesetzt wurde, dienten die Lymphocyten der Lymphknoten zur Gewinnung reiner CD4+-T-Zell-Kulturen. Mit den unterschiedlichen Lymphocytenpopulationen konnten erste Transmigrationsexperimente an Monoschichten aus cerebralen Kapillarendothelzellen, welche auf großporigen Filtern kultiviert wurden, durchgeführt werden. Erste Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, daß die Transmigrationsrate unabhängig von der Aktivierung des Endothels, jedoch abhängig vom Aktivierungszustand der Lymphocyten ist. Dieses vorläufige Ergebnis geht mit der bekannten Beobachtung einher, daß in das Gehirn lediglich aktivierte, nicht aber naive Lymphocyten einwandern können [Wekerle et al. (1986), Trends Neurosci. 9, 221 - 227].

3.1.1

Analyse der Zelladhäsionsmoleküle cerebraler Kapillarendothelzellen

Nachweis von Zelladhäsionsmolekülen durch Western Blot Nach Induktion durch den Tumornekrosefaktor-a gelang der Nachweis der wichtigsten entzündungsrelevanten Zelladhäsionsmoleküle durch Western Blot. Exprimiert werden von den kultivierten cerebralen Kapillarendothelzellen die Adhäsionsmoleküle E-Selektin, VCAM-1, ICAM-1 und PECAM-1. Der Einfluß von Cytokinen und Serum auf die Expression der Zelladhäsionsmoleküle. Um die Regulation der Oberflächen-Expression der Adhäsionsmoleküle studieren zu können, wurde zunächst ein Zelloberflächen-ELISA entwickelt. Da die Epitope der Zell-adhäsionsmoleküle durch jegliche Fixierung zerstört wurden, gelang die Durch-führung des ELISA erst, nachdem die Endothelzellen vor Gabe der Adhäsionsmolekülspezifischen Antikörper statt einer Fixierung lediglich auf 4°C abgekühlt wurden. Die Zelloberflächen-ELISAs zeigten eine Induzierbarkeit des E-Selektin, VCAM-1 und ICAM-1 mit Tumornekrosefaktor-a auf. Dabei entsprach die Kinetik der Expression an der Zelloberfläche dem bekannten Muster mit einer maximalen Expression des E-Selektin, VCAM-1 und ICAM-1 nach 4 h, 8 - 16 h bzw. 24 h. Neben dem Tumornekrosefaktor-a wurden auch die humanen, rekombinanten Cytokine Interferon-g, Interleukin-1b und Interleukin-4 auf ihre Induktionsfähigkeit untersucht. Es zeigten sich jedoch bei keinem dieser Cytokine Auswirkungen auf die Expression von Zelladhäsionsmolekülen. Hierbei ist zu bemerken, daß die generelle Kreuzreaktivität dieser humanen rekombinanten Moleküle auf das porcine System auch nach anderen Studien in Frage gestellt wurde [Batten et al. (1996) Immunol. 87, 127 - 33]. Cytokine aus Schwein sind jedoch kommerziell nicht erhältlich. Die Untersuchungen mit dem Zelloberflächen-ELISA zeigten weiterhin, daß die Zelladhäsionsmoleküle E-Selektin, VCAM-1 und ICAM-1 neben dem Tumornekrosefaktor-a auch durch das den Kulturen üblicherweise zugesetzte Serum induziert werden. Dabei entspricht die Expressionskinetik dem bereits beschriebenen zeitlichen Verlauf. Da denkbar ist, daß im verwendeten Ochsenserum Antikörper existieren, die mit den porcinen Endothelzell-Oberflächen kreuzreagieren und so den entzündungsfördernden Effekt des Serums durch Anlagerung von Immunkomplexen mit anschließender Komplementaktivierung hervorrufen, wurde das Serum einer Hitzebehandlung ausgesetzt. Durch die Hitzeinstabilität verschiedener Komplement-Komponenten wäre dieser Aktivierungsweg nach der Hitzeinaktivierung des Serums ausgeschaltet, was auch tatsächlich beobachtet wurde. Die Expression des PECAM-1 erfolgte konstitutiv auf hohem Niveau und wurde weder durch Cytokine, noch durch Serum beeinflußt. Die Lokalisation der Zelladhäsionsmoleküle Neben Western Blot und Zelloberflächen-ELISA wurden die Zelladhäsionsmoleküle E-Selektin, VCAM-1, ICAM-1 und PECAM-1 durch indirekte Immunfluoreszenzen nachgewiesen. Es konnte gezeigt werden, daß alle genannten Adhäsionsmoleküle membranständig sind, wobei das PECAM-1 sich verstärkt an den Zell-Zell-Kontakten befindet. Weitergehende Untersuchungen mit der konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie erlaubten bei den intensiven Fluoreszenzbildern des E-Selektin und des PECAM-1 die Aufnahme von vertikalen Schnittbildern durch einzelne Zellen. Diese zeigten sowohl beim PECAM-1, als auch bei E-Selektin eine unpolare Verteilung mit sowohl apikaler, als auch basolateraler Lokalisation. Der Einfluß von Cytokinen und Serum auf die Expression und Lokalisation des ZO-1 Neben der Wirkung auf die Zelladhäsionsmoleküle wurde auch der Effekt von Entzündungsmediatoren auf die Ausbildung der tight junctions untersucht, die sich bei dem cerebralen Kapillarendothelzellen durch eine besonders komplexe Struktur auszeichnen, und dadurch die molekulare Basis der geringen Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke bilden. Hierzu wurden neben den im nächsten Abschnitt dargestellten Messungen des transendothelialen Widerstandes auch die Expression und Lokalisation des tight junction-assoziierten Moleküls ZO-1 nach Applikation von Cytokinen oder nicht-hitzeinaktivierten Serum mittels der indirekten Immunfluoreszenz untersucht. In keinem Fall ergab sich eine Veränderung der starken, auf die Zell-Zell-Kontakte beschränkten Lokalisation des ZO-1.

3.1.2

Der Einfluß von Cytokinen und Serum auf den transendothelialen Widerstand

Die Erhöhung der Permeabilität des Endothels stellt bei Entzündungsreaktionen in vivo neben der Expression spezifischer Oberflächenmoleküle eine zweite weitreichende Veränderung dar. Um diese Effekte in vitro zu studieren, wurde als leicht meßbarer Parameter der transendotheliale Widerstand (TER) bestimmt, der eine Aussage über die Ionenpermeabilität von Monoschichten cerebraler Kapillarendothelzellen erlaubt. Die Messung des TER erfolgte mit der Impedanzspektroskopie, die durch das Meßprinzip und die technische Ausführung der Elektroden eine hohe Meßgenauigkeit erzielt (vergl. 3.2). Der transendotheliale Widerstand im Kulturverlauf Zunächst wurde der TER unter den üblicherweise angewendeten Kulturbedingungen (Medium M 199 mit 10 % hitzeinaktiviertem Serum) bestimmt. Der Verlauf des TER zeigt dabei einen Anstieg von ca. 50 W x cm2 am 6. Kulturtag (einem Tag nach Aussaat der Endothelzellen auf Filtern) bis zu einem Maximum von etwa 150 - 200 W x cm2 am 8. Bis 9. Tag. Danach fällt der TER wieder ab und erreicht ca. 50 W x cm2 am 12. Kulturtag. Der Einfluß von Cytokinen auf den TER Zur Untersuchung des Einflusses von Cytokinen auf den TER wurden dem Kulturmedium am 7. oder 8. Kulturtag die humanen, rekombinanten Cytokine Tumornekrosefaktor-a, Interferon-g oder Interleukin-4 in Konzentrationen von 10 - 1000 U/ml sowie humanes, rekombinantes Interleukin-1b in einer Konzentration von 1 - 100 U/ml zugeführt. Die Wirkung des Tumornekrosefaktor-a bestand in Konzentrationsbereich von 10 - 100 U/ml in einer reversiblen TER-Absenkung (bis zu 30 % nach 4 h) während 1000 U/ml Tumornekrosefaktor-a zu einem irreversiblen TER-Abfall um bis zu 50 % nach 24 h führen. Die weiteren humanen, rekombinanten Cytokine zeigten keinen Effekt (zur Frage der Kreuzreaktivität s. Kap. 1). Die beschriebenen Wirkungen der Cytokine auf den TER zeigten sich in gleicher Weise auch bei den Kulturen cerebraler Kapillarendothelzellen mit sehr hohem TER (400 - 1000 W x cm2 am 7. und 8. Kulturtag), die in dem Medium DMEM / HAMïs F12 mit Zusatz von Hydrocortison, Insulin und dem Wachstumsfaktor EGF erreicht werden konnten. Der Einfluß von Serum auf den TER Da neben den Cytokinen auch Ochsenserum zu einer Induktion der Zelladhäsionsmoleküle führte, wurde dessen Wirkung auf den TER ebenfalls näher untersucht. Ausgehend von standardmäßig kultivierten Endothelzellen mit dem Medium M199 mit 10 % hitzeinaktiviertem Serum konnte gezeigt werden, daß ein Wechsel des Kultur-mediums zu normalem Serum einen TER-Abfall von ca. 30 W x cm2 (ca. 15 %) führte. Eine ähnliche Wirkung des normalen Serums gegenüber hitzeinaktiviertem Serum konnte an hochohmigen Endothelzellmonschichten, kultiviert mit DMEM/HAMïs F12 mit Hydrocortison, Insulin und EGF gezeigt werden. Bei diesem Experiment erfolgte eine Zugabe von normalem oder hitzeinaktiviertem Serum, die in beiden Fällen zu einem starken Abfall des TER um ca. 150 W x cm2 (~50 %) führte, der bereits als genereller Effekt des Serums bekannt war (Hoheisel et al., 1998). Im Vergleich zum hitzeinaktivierten Serum bewirkt das nicht inaktivierte Serum jedoch einen TER-Abfall um weitere 30 - 50 W x cm2. Die in den hier geschilderten Arbeiten erlangten Erkenntnisse über die entzündungsfördernde Wirkung von normalem Serum führten zu den mittlerweile standardmäßig angewandten Kulturbedingungen mit hitzeinaktiviertem statt normalem Serum, wodurch überhaupt erst Untersuchungen zur Wirkung anderer inflammatorischer Mediatoren möglich wurden. Der Einfluß von Corticoiden auf die Expression von Zelladhäsionsmolekülen Corticoide, wie Hydrocortison oder Dexamethason, üben eine entzündungshemmende Wirkung aus und werden auch in der Medizin bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern eingesetzt. Bekannt ist, daß die Wirkung allgemein rezeptorvermittelt auf der Transkriptionsebene erfolgt, wenngleich es über die Wirkung auf das vaskuläre Endothel nur wenige Erkenntnisse über potentielle Zielproteine gibt. Zur Untersuchung des antiinflammatorischen Effektes von Corticoiden auf die cerebralen Kapillarendothelzellen wurde zunächst deren Wirkung auf die Expression der Adhäsionsmoleküle mit Hilfe des Zelloberflächen-ELISA untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, daß bei gleichzeitiger Applikation von Hydrocortison oder Dexamethason (je 550 nM) mit Tumornekrosefaktor-a oder nicht-aktiviertem Serum die Expression des E-Selektin und des ICAM-1 um 30 - 50 % inhibiert wurden. Der Einfluß von Corticoiden auf den TER Neben der Überprüfung der Wirkung von Corticoiden auf die Expression der Adhäsionsmoleküle wurde auch deren Effekt auf den TER untersucht. Zeitgleich zur Gabe des TER-senkenden Cytokins Tumornekrosefaktor-a wurde Hydrocortison appliziert. Dadurch erhöhte sich der TER um 80 - 100 %. Dieser Anstieg war unabhängig von der Konzentration an Tumornekrosefaktor-a (0 - 1000 U/ml) zu beobachten, so daß die Differenzen zwischen den TER, die sich nach Zugabe unterschiedlicher Konzentration an Tumornekrosefaktor-a ergaben (s. Kap. 2) weiterhin bestehen bleiben. Ein analoger Effekt des Hydrocortisons konnte bei der Umstellung des Kulturmediums auf nichtinaktiviertes Serum ( s. Kap. 2) mit gleichzeitiger Zugabe von Hydrocortison gefunden werden. Diese Ergebnisse legen den Schluß nahe, daß Hydrocortison generell zu einer Erhöhung des TER der kultivierten cerebralen Kapillarendothelzellen führt, wobei bestehende Unterscheide zwischen den TER von Endothelzellen mit unterschiedlichem Grad nicht nivelliert werden. Zusammenfassend ist Hydrocortison in seiner Wirkung auf das cerebrale Endothel als ein Gegenspieler des Tumornekrosefaktor-a zu betrachten, der in einer spezifischen antiinflammtorischen Wirkung die Expression von Adhäsionsmolekülen inhibiert und über einen generellen, nicht entzündungsspezifischen Weg zu einer Erhöhung des transendothelialen Widerstandes führt.

3.1.3

Transmigrationsstudien

Isolierung und Charakterisierung porciner Lymphocyten Nach der Charakterisierung endothelialer Adhäsionsmoleküle und Studien zu den Effekten entzündungswirksamer und antiinflammtorischer Mediatoren wurden erste funktionelle Studien zur Transmigration von Lymphocyten durchgeführt. Da von einem allogenen Kokulturmodell ausgegangen werden sollte, um eine optimale Wechselwirkung endothelialer und leukocytärer Adhäsionsmoleküle sicherzustellen, mußten neben den cerebralen Kapillarendothelzellen auch die Lymphocyten aus Schwein gewonnen werden. Hierzu wurde zunächst die Lymphocytenfraktion aus Vollblut frisch geschlachteter Tiere isoliert und charakterisiert. Die Isolierung glang mit Hilfe zweier Dichtegradientenzentrifugationen, wobei ein diskontinuierlicher Ficollgradient der Isolierung der mononukleären Zellen diente und ein sich anschließender kontinuierlicher Percollgradient die Isolierung einer Lymphocytenfraktion und die Abtrennung einer Monocytenfraktion erlaubte. Die Analyse der Lymphocytenfraktion mit Hilfe des FACS (Fluorescenceactivated cell-sorter) ergab, daß noch Fremdzellen in Form von Monocyten und Granulocyten vorhanden waren. Mit Hilfe eines Monocytenspezifischen Antikörpers, der gegen das CD14-analoge Molekül aus Schwein gerichtet war, konnte ein Monocytenanteil von 9 % ermittelt werden. Eine weitere Quelle zur Gewinnung von Lymphocyten stellten die Lymphknoten des Halsbereiches dar. Nach dem Ausspülen der Lymphocyten und Markierung mit einem neu auf dem Markt befindlichen Antikörper gegen das porcine CD4 (Corezeptor des MHC II-Komplexes auf T-Helferzellen) konnte mit Hilfe des FACS eine reine Po-pulation an CD4+-Lymphocyten gewonnen werden. Der Anteil dieser CD4+-positiven Zellen an der Gesamtpopulation betrug dabei 39 %. Entwicklung eines in vitro-Modells für Transmigrationsstudien Um die cerebralen Kapillarendothelzellen und die Lymphocyten in einem gemeinsamen Transmigrationsmodell zusammenführen zu können, mußten zunächst Vorarbeiten zur Kokultur beider Zelltypen durchgeführt werden. Zunächst wurde für die Endothelzellen nach einer geeigneten dreidimensionalen Matrix gesucht, in welche die Lymphocyten nach dem Durchdringen der Endothel-zell-monoschicht einwandern sollten. Mit Gelantine- oder Collagengelen gelang die Ausbildung einer Endothelzellmonoschicht nicht. Daher wurden großporige Filter (8 mm) verwendet, die von den Lymphocyten durchwandert werden können. Messungen des transendothelialen Widerstandes zeigten, daß auch bei diesen großporigen Filtern eine intakte Endothelzellmonoschicht ausgebildet wird. Bei gemeinsamem Kokulturmedium zeigte sich, daß das in der Literatur häufig zitierte Medium RPMI für die cerebralen Kapillarendothelzellen ungeeignet ist, da die Ausbildung intakter Endothelzellmonoschichten verhindert wird oder aber der transendotheliale Widerstand mit 25 - 50 W x cm2 sehr gering ist. Ein hohes Grundniveau bildet jedoch die Voraussetzung für die Detektion eines möglichen Abfalls des Widerstandes während der Transmigration von Entzündungszellen. Daher wurde das Medium M199 verwendet. Die Art des zugesetzten Serums hatte keinen Einfluß auf die Vitalität der Lymphocyten. Da bekannt war, daß der TER allgemein mit zunehmender Serumkonzentration abnimmt, die Lymphocyten jedoch eher eine höhere Serumkonzentration zur Erhaltung ihrer Vitalität benötigen, wurden umfangreiche Experimente zur Einstellung einer optimalen Serumkonzentration des Kokulturmediums durchgeführt. Dabei ergab sich eine Konzentration von 5 % hitzeinaktivierten Ochsenserum, welches am Kulturtag 7 - 9 zu einem hohem TER mit bis zu 180 - 250 W x cm2 führt und keine verringerte Vitalität der Lymphocyten im Vergleich zu einer Serumkonzentration von 10 % bewirkt. Transmigration der Lymphocytenfraktion aus zentralem Schweineblut durch Monoschichten cerebraler Kapillarendothelzellen Bei ersten Transmigrationsexperimenten mit aufgereinigten Lymphocyten aus zentralem Blut bewährte sich das zugrunde gelegte Versuchskonzept. Bei Zugabe von 3,3 x 105; Lymphocyten pro cm2 (Verhältnis Lymphocyten : Endothelzellen = 20 : 1) durchwanderten etwa 10 % der Zellen innerhalb von 24 h das cerebrale Endothel. In Kontrollexperimenten mit Filtern ohne Endothelzellen waren es 50 %. Die Quantifizierung der Lymphocyten erfolgte bei diesen Experimenten über Fluoreszenzsonden, welche vor Versuchsbeginn in die Zellmembran eingelagert wurden. Studien zur Wirkung der Lymphocyten auf den transendothelialen Widerstand führten zu dem Ergebnis, daß die Entzündungszellen den TER konzentrationsabhängig erniedrigen. Die Absenkung des TER beträgt bei der maximal eingesetzten Lymphocytenkonzentration von 4 x 105; Zellen pro cm2 nach 6 - 12 h etwa 70 - 80 W x cm2 (ca. 70 - 80 %). Transmigration von CD4+-Lymphocyten aus Lymphknoten durch Monoschichten cerebraler Kapillarendothelzellen Analoge Versuche zu den Experimenten mit der Lymphocytenfraktion aus Blut wurden auch mit Kulturen reiner CD4+-T-Zellen durchgeführt. Dabei betrug die Transmigrationsrate nach 24 h lediglich 0,1 % und war unabhängig von der Vorinkubation der Endothelzellen mit den Cytokinen Tumornekrosefaktor-a, Interferon-g, Interleukin-4 oder Interleukin-1b. Eine Aktivierung der Lymphocyten hingegen mit den Lektinen Concanavalin A oder Phytohämagglutinin A führte zu einer etwa 300 % erhöhten Transmigration. Die generell geringe Transmigrationsrate der CD4+-Lymphocyten korreliert mit einer nur geringen Absenkung des TER während des Transmigrationsprozesses, die nach 6-24 h lediglich 20 W x cm2 (etwa 12 % ) beträgt. Die starke Tendenz der Lymphocytenfraktion aus Blut zur Transmigration durch das cerebrale Endothel läßt im Vergleich zu den Befunden mit reinen CD4+-Lymphocyten vermuten, daß generell unterschiedliche Vorgänge ablaufen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß die Lymphocytenfraktion aus Blut einen hohen Anteil an Monocyten und Granulocyten besitzt, wobei allein der Anteil CD14-positiver Monocyten bei 9 % liegt. Es kann daher noch nicht ausgeschlossen werden, daß bei diesem experimentellen Ansatz auch die Fremdzellenpopulationen mit für die hohe Transmigrationsrate verantwortlich sein können. Die hier geschilderten Ergebnisse zur Transmigration CD4-positiver Zellen weisen deshalb lediglich vorläufigen Charakter auf, da sie statistisch noch nicht abgesichert sind und noch einige methodische Probleme zu lösen sind. Hierzu zählt die Quantifizierung transmigrierter Lymphocyten, welche durch die geringe Transmigrationsrate nicht mehr über die Fluoreszenzmarkierung erfolgen kann (Unterschreitung der Nachweisgrenze). Daher wurden die Zellen mikroskopisch ausgezählt, wobei sich jedoch aufgrund von Zellresten der Endothelzellen und möglicherweise auch der Lymphozyten eine hohe Ungenauigkeit ergab. Weiterhin führte die Aktivierung der Lymphocyten mit Lektinen teilweise auch zu einer Quervernetzung verschiedener Zellen, wobei die Aggregate einerseits der Transmigration entzogen werden könnten und andererseits jedoch eine undefinierte Wirkung auf das Endothel und den TER ausüben könnten.

Drittmittelgeber:

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Hans-Joachim Galla (Teilprojektleiter), Katja Dernbach (WM), Dr. Joachim Wegener (WM)

Veröffentlichungen:

Hoffmann, U. Gath, G. Gross, J. Laube, R. Getzlaff, H.-J. Galla, H.S. Conradt: Beta-trace protein is constitutively secreted by cultivated porcine choroid plexus epithelial cells: elucidation of its complete amino acid and cDNA sequences - J. Cell. Physiol 169: 235-241 - 1996

Mroczkowska, J.M., F.S. Roux, H.-J. Galla, M.J. Nalecz, K.A. Nalecz: Transport of carnitine in RBE4 cells - An in vitro model of the blood-brain-barrier - Neurosci. Res. Commun. 19: 153-160 - 1996

Janshoff, A., J. Wegener, M. Sieber, H.-J. Galla: Doublemode impedance analysis of epithelial cell monolayer cultured on shear wave resonators - Europ. Biophys. J. 25: 93-103 - 1996

Beuckmann, K. Dernbach, A. Hakvoort, H.-J. Galla: A new astrocytic cell line which is able to induce blood-brain-barrier properties in cultured brain capillary endothelial cells - Cytotechnology 24: 11-17 - 1997

Gath, U., A. Hakvoort, J. Wegener, St. Decker, H.-J. Galla: Porcine Choroid plexus epithelial cells in culture: Expression of a polarized phenotype, maintenance of barrier properties and apical secretion of CSF-components - Europ. J. Cell Biol. No. 74, 68-78 - 1997

Steinem, A. Janshoff, W.-P. Ulrich, W. Willenbrink, M. Sieber, J. Wegener, H.-J. Galla: Impedance and shear wave resonance analysis of ligand-receptor interactions at functionalized surfaces and of cell monolayers - Biosensors & Bioelectronics 12. 787-808 - 1997

Mroczkowska, J.E., H-J. Galla, M.J. Nalecz, K.A. Nalecz: Evidence for an asymmetrical uptake of L-carnitine in the blood-brain barrier in vitro - Biochim. Biophys. Res. Commun. 241, 127-131 - 1997

Hoheisel, D., Th. Nitz, H. Franke, J. Wegener, H.-J. Galla: Influence of Hydrocortisone on Barrier Properties: A Serum-Free Cell Culture Model of the Blood-Brain Barrier - Biochem. Biophys. Res. Commun. 244, 312-316 - 1998

Hakvoort, A., M. Haselbach, H.-J. Galla: Active transport properties of porcine choroid plexus cells in culture - Brain Research 795, 247-256 - 1998

Hakvoort, A., M. Haselbach, J. Wegener, D. Hoheisel, H.-J. Galla: The polarity of choroid plexus epithelial cells in vitro is improved in serum free medium - J. Neurochem71, 1141-1150 - 1998

Tilling, Th., D. Korte, H.-J. Galla: Basement membrane proteins influence brain capillary endothelial barrier function in vitro - J. Neurochem. 71,1151-1157 - 1998

Wegener, J., A. Janshoff, M. Sieber, H.-J. Galla: Cell Adhesion Monitoring using a quartz crystal microbalance: Comparative analysis of different mammalian cell lines - Europ. J. Biophys. 28, 26-37 - 1998

 
 
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