Sebastian Fuchs (Bonn)

Betreuer: Prof. Schermaier


Titel der Dissertation:

Die Entstehung der Proportionalmethode bei der Minderung. Ein Beitrag zur Geschichte der subjektiven Leistungsäquivalenz.


Kurzbeschreibung:

Die Proportionalmethode ist ein im Zivilrecht an verschiedenen Stellen verkommendes Instrument, das bei einer Leistungsstörung das Vertragsverhältnis modifiziert. Der ursprüngliche und typische Anwendungsfall ist die Minderungsberechnung (heute in § 441 BGB) doch auch bei Teilrücktritt und -unmöglichkeit kommt die Proportionalmethode als Berechnungsmethode vor. Die zu Grunde liegende Verhältnisrechnung ist im Zivilrecht einzigartig. Der Haftungsinhalt wird weder am Erlangten noch am individuellen Schaden bemessen. Stattdessen wird das von den Parteien zu Grunde gelegte Wertverhältnis der Leistungen maßgeblich: Die beiderseitigen Leistungen gelten durch die Austauschvereinbarung im Vertrag als für die Parteien gleichwertig. Für diesen Mechanismus wurde in der Literatur der Begriff „subjektive Äquivalenz“ geprägt.

Dieses auf den ersten Blick technische Rechtsprinzip hat jedoch für die Vertragsgerechtigkeit bedeutende Folgen: Es ermöglicht eine Rückabwicklung und Korrektur des Vertrags, ohne das festgelegte Austauschverhältnis anzutasten. Die Parteien werden dadurch an ihre Vereinbarung gebunden und ein möglicher Gewinn oder Verlust aus dem Geschäft bleibt trotz der Leistungsstörung erhalten. In der Proportionalmethode und im Festhalten an der subjektiven Äquivalenz steckt also eine Wertentscheidung zu Gunsten der Aufrechterhaltung von ungleichen Verträgen und einer weitreichenden Bindung an den einmal geschlossenen Vertrag.

Ziel der Dissertation ist es, die Geschichte der Minderungsmethode damit auch die Herkunft der Proportionalmethode und der ihr zu Grunde liegenden Wertentscheidungen nachzuzeichnen und in den größeren Kontext der Privatrechtsgeschichte einzuordnen. Diese Geschichte beginnt mit der actio quanti minoris des römischen Rechts. Ab dem Hochmittelalter wurden die überlieferten römischen Rechtsinstitute immer wieder uminterpretiert und umgeordnet, wobei gerade die verschiedenen Berechnungsmethoden viel beachtet und diskutiert wurden. In den verschiedenen Epochen der Privatrechtsentwicklung erhielten verschiedene Ideen und Ideale ihren Ausdruck in einer passenden Form des Minderungsrechts, das durch seinen Bezug zu Grundfragen der Vertragsgerechtigkeit und -theorie oft im Fokus der Entwicklung stand. Damit ist die dogmengeschichtliche Untersuchung der Minderung besonders geeignet, um die Auswirkungen von grundlegenden Veränderungen im Privatrecht zu beobachten.