Hannah Brink

Betreuer: Prof. Haferkamp


Titel der Dissertation:

Der Richter als „Vertragshelfer“ – Anpassung von Verträgen im Rahmen der richterlichen Vertragshilfe und der Lehre der Geschäftsgrundlage


Kurzbeschreibung:

Das Forschungsvorhaben will einen Beitrag zu dem „Problem der Umstandsänderung“ oder – genauer gesagt – zu der Auswirkung von Krisen auf Verträge leisten. Die Problemstellung wurde bereits aus dem Blickwinkel der Lehre der Geschäftsgrundlage vielfach erörtert. Wenig Beachtung fand dagegen das zu der Lehre in Konkurrenz tretende Rechtsinstitut der „richterlichen Vertragshilfe“. Die richterliche Vertragshilfe meint die durch Gesetz oder Verordnung eingeräumte Befugnis des Richters, bei Änderung der Umstände rechtsgestaltend, etwa durch Herabsetzung oder Auflösung, in laufende Vertragsverhältnisse einzugreifen, sofern eine außergerichtliche sowie eine Einigung im Verfahren zwischen den Parteien scheitert.

Die Arbeit zeichnet in einem ersten Teil die Geschichte der richterlichen Vertragshilfe nach. Ausgegangen wird vom Ersten Weltkrieg: Im Rahmen der Kriegsgesetzgebung wurden erste Vorgänger der richterlichen Vertragshilfe erlassen. Die umfassendste Anerkennung fand sie allerdings in den Jahren 1936–1945, um Auswirkungen von Wirtschaftskrise und Krieg abzumildern. Besonders hervorzuheben ist die Verordnung über die Vertragshilfe des Richters aus Anlass des Krieges von 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 2329). In der Nachkriegszeit wurden die Regelungen übernommen, dann in den Besatzungszonen, etwa im Rahmen der Währungsreform, inhaltsgleiche Regelungen erlassen, bis die Karriere der richterlichen Vertragshilfe mit dem VHG 1952 endete. So diente die richterliche Vertragshilfe zu verschiedenen Zeiten als vom Gesetzgeber gewähltes Mittel zur Bewältigung von Krisenauswirkungen – und rüttelte dabei an den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts. Vor allem trat sie in Konflikt mit der Privatautonomie und räumte dem Richter weite Befugnisse ein, die nicht allein rechtsfeststellend, sondern rechtsgestaltend wirkten. Damit lohnt ein Blick auf zeitgenössische Hintergründe, die Erklärungsansätze für die konkrete Ausgestaltung liefern, wie etwa auf parallele Methodendebatten, aber auch wirtschaftliche und prozessuale Entwicklungen.

Der zweite Teil widmet sich einer besonderen Facette der richterlichen Vertragshilfe: ihrem Verhältnis und ihren Bezügen zu der Lehre der Geschäftsgrundlage. Leitend soll die These Gerhard Kegels sein, die beiden Rechtsinstitute hätten sich gegenseitig beeinflusst. Mithilfe der Untersuchung der parallelen Entwicklung und der Diskussion des Verhältnisses auf Ebene der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und insbesondere der Rechtswissenschaft soll die Plausibilität der These erörtert werden. Gleichzeitig sollen die Gründe für das Ende der richterlichen Vertragshilfe – im Kontrast zu der nun 100-jährigen Erfolgsgeschichte der Lehre der Geschäftsgrundlage – aufgezeigt werden.