Gregor Albers

Betreuer: Prof. Schermaier


Titel der Dissertation:

Die Kollision vertraglicher Forderungen – Historische Analyse eines unbewältigten Problems und Aufruf zur Revision der vertraglichen Verbindlichkeit


Kurzbeschreibung:

Ein Schuldner kann mit verschiedenen Gläubigern Verträge eingehen, deren Erfüllung sich gegenseitig ausschließt. Der doppelte Verkauf einer Sache durch denselben Verkäufer an mehrere Käufer bildet hierfür ein vielbehandeltes Beispiel. Im geltenden deutschen Recht steht der spätere Gläubiger dem früheren nicht nach. Dies basiert auf der „isolierten Betrachtung“ der Forderungen (de Boor). Welchem Gläubiger in Natur erfüllt wird, entscheidet zunächst der Schuldner, spätestens gegebenenfalls der Wettlauf in Prozess und Vollstreckung. Im geschichtlichen Vergleich ist diese Lösung nicht selbstverständlich.
Wenn man mit vielen Naturrechtlern der Aufklärung das Versprechen als Rechtsübertragung auffasst, dann kann eine solche Übertragung nur einmal gelingen. Eine spätere, widersprüchliche muss wirkungslos bleiben: „A former covenant makes void a later“ (Hobbes, Leviathan, 14. Kapitel). Zwar nicht Unwirksamkeit des späteren Vertrages, aber Vorrang der früheren Forderung vor der späteren ordnet etwa noch das Sächsische BGB von 1865 an (§ 764).
Demgegenüber wurzelt die dem BGB zugrunde liegende Vorstellung der Gleichberechtigung mehrerer Gläubiger im römischen Recht. Dessen Regeln standen aber in einem anderen prozessualen Kontext. Insbesondere war im klassischen Verfahren keine Naturalvollstreckung möglich. Daher stellte sich das Problem nicht in voller Schärfe: Dass beide Gläubiger ihr Interesse in Geld verlangen konnten, war unzweifelhaft. Durch die Verpflanzung dieser materiell gedachten Regeln in den neuzeitlichen Prozess hat sich ihre Bedeutung gewandelt.
Die Arbeit soll der Frage nachgehen, welche Vorstellungen von der vertraglichen Forderung und welche rechtlichen Grundwertungen sich in der konkreten Lösung der Probleme niederschlagen, die sich aus dem Zusammentreffen widersprüchlicher Verträge ergeben. Sofern ein Widerspruch zwischen vertraglichen Forderungen durch Vorrangregelungen vermieden wird, könnte sich dies etwa als Konsequenz einer Deutung der vertraglichen Verbindlichkeit als moralische Pflicht oder als staatliches Verhaltensgebot erweisen. Denn ein monolithisches System moralischer oder staatlicher Normen verträgt in sich keinen Widerspruch. Bei der Untersuchung sollen hier insbesondere Bezüge zum Problem der Naturalvollstreckung und zur Unmöglichkeitsdogmatik hergestellt werden.