Forschung

© Klassische Philologie

Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike
Prof. Dr. Alexander Arweiler

Die „Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike (BLLS)“ bietet ein Panorama literarischer Äußerungsformen aus der Zeit zwischen dem 3. und 7. Jahrhundert nach Christus, einer formativen Epoche für die europäische Literatur- und Kulturgeschichte. Die zweisprachigen Ausgaben mit Anmerkungen und Einführungen bieten literarisch interessierten Leserinnen und Lesern ebenso wie Fachleuten verschiedener Disziplinen einen Zugang zu Vielfalt und Experimentierfreude, Formen- und Gedankenreichtum spätantiker Literatur.

Das literarische Feld der lateinischen Spätantike ist ein differenzierter Kommunikationsraum, der sich vom Westen des europäischen Kontinents über Nordafrika bis in den griechischen Osten erstreckte. Die „Bibliothek“ kann Zugänge zu Texten schaffen, die literatur-, geistes- und kulturgeschichtlich ebenso wie philologisch und ästhetisch größtmöglichen Gewinn für die Leserinnen und Leser enthalten, wegen des Mangels an verfügbaren Erschließungsinstrumenten (Übersetzungen, Erklärungen, Kommentaren, Interpretationen, Editionen) aber oft kaum bearbeitet wurden. Die zweisprachigen Ausgaben regen dazu an, die Vielfalt der Antworten wiederzuentdecken, die die Verfasser auf tiefgreifende soziale, politische, religiöse und intellektuelle Herausforderungen ihrer Zeit gaben, vor allem aber, sie in ihren eigenen Entstehungs- und Aussagebedingungen zu rezipieren und damit ein wichtiges Kapitel in der philologischen Erschließung der Antike und Spätantike zu schließen.

Der Platonismus in der Antike
Prof. Dr. Christian Pietsch

Dieses im Jahre 1983 von Heinrich Dörrie ins Leben gerufene, 1987 von Matthias Baltes fortgeführte und seit 2003 schließlich von Christian Pietsch übernommene Projekt am Institut für Klassische Philologie der Universität Münster hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Gesamtschau über Entwicklung und Inhalte platonischen Denkens nach Platon bis zum Ausgang der Antike im 6. Jahrhundert n. Chr. vorzulegen. Dieses auf acht Bände angelegte Panorama gliedert sich in zwei Teile: eine historische Übersicht über die Entwicklung des antiken Platonismus seit Platons Tod angefangen von der Alten Akademie über den Hellenismus bis hin zum 2./3. Jahrhundert n. Chr. (Bände 1-3) sowie eine systematische Darlegung der philosophischen Lehren in Physik, Psychologie, Theologie und Ethik (Bände 4-8). Dabei sind die großen Themenkomplexe in sogenannte ‚Bausteine‘ untergliedert (insgesamt 252). Sie umfassen jeweils repräsentativ ausgewählte Texte in Original und Übersetzung mitsamt einer Kommentierung, die historische und systematische Betrachtungsweise vereint sowie den aktuellen Forschungsstand berücksichtigt. Inzwischen befindet sich das Projekt in der Abschlußphase, denn von den geplanten acht Bänden konnten bereits die Bände 1–7,1 und 8 publiziert werden. Band 7,2 wird voraussichtlich bis Ende 2022 folgen. Den Abschluß wird 2023 die Publikation eines umfangreichen Indexbandes bilden.

Sophokles’ Trachinierinnen. Eine Neuinterpretation: Thema, Motivik, Theologie
Hablilitationsprojekt Dr. Benedikt Krämer

Die Trachinierinnen waren lange Zeit ein Stiefkind der Sophoklesforschung. In den letzten Jahrzehnten hat das Stück jedoch eine beachtliche Rehabilitation und die gebührende Wertschätzung erfahren.

Die meisten zeitgenössischen Interpreten verstehen die Trachinierinnen als Ehedrama. In der Tat steht die unglückliche Ehe von Deianeira und Herakles im Zentrum des Stücks und das diptychische Drama zerfällt in einen Deianeira- und einen Heraklesteil. Interpretatorisch etwas vernachlässigt wird demgegenüber oftmals die hintergründige, zugleich aber einheitsstiftende Präsenz des Numinosen, die an entscheidenden Stellen (etwa durch die sich in der Tragödie erfüllenden Orakelsprüche) immer wieder in Erinnerung gerufen wird. Die Tragik der Trachinierinnen, so der Leitgedanke des Projekts, entsteht nicht (primär) auf der menschlichen Ebene, sondern durch Herakles’ Unvermögen, die ihm von Zeus zugedachte Funktion zu erfüllen. In diesem Sinne sind die Trachinierinnen eine ‚theologische‘ Tragödie. Der Leitgedanke des Projekts wird struktur- und motivanalytisch sowie inter-textualitätstheoretisch entwickelt. Auf diese Weise soll sich ein vollständiges Bild der Tragik und der Theologie der Trachinierinnen ergeben. Zudem werden die Konvergenzen mit der Theologie sophokleischer Götterszenen (Aias, Philoktet) aufgezeigt.

Narrative Funktion von Mauern in der römischen Literatur
Habilitationsprojekt Dr. Jan Telg gen. Kortmann

Mauern spielen seit jeher eine elementare gesellschaftliche, kulturelle und militärische Rolle im menschlichen Leben. Während sich über die Zeiten hinweg einzelne neue Ausprägungen und Formen der Mauer entwickelten, die in der Moderne bestechen (z.B. „Firewall“), ist in der Antike ihre mannigfaltige, zumeist liminale Funktion in bestimmten Bereichen im Vergleich zur heutigen Zeit ungleich bedeutungsvoller – an erster Stelle sei natürlich das prominente urbane Umfeld der moenia erwähnt. Anhand ausgewählter, instruktiver Kernstellen wird das tatsächliche und symbolische Potenzial, überhaupt die Relevanz, die Mauern im römischen Leben hatten und die ihnen römische Autoren in Prosa und Poesie beigemessen haben, untersucht. Dieser literarische Einsatz der Mauer kulminiert in ihrer motivischen Funktion innerhalb des narrativen Kontinuums einiger der großen römischen Epen (Aeneis, Pharsalia, Punica, Thebais).

Digitales Selbststudium in den deutsch-lateinischen Übungen
Promotionsprojekt Philipp Jackisch

Die deutsch-lateinischen Übungen stellen für nicht wenige Studierende aufgrund des ungewohnten, weil produktiven Gebrauchs der lateinischen Sprache eine große Herausforderung dar, und oft muss die Teilnahme an den Übungen durch ein umfangreiches Selbststudium ergänzt werden. Den Bedarf an zusätzlichen Lerngelegenheiten bestätigt die in den letzten Jahren vermehrt erschienene Übungsliteratur, die allerdings im Hinblick auf Interaktivität, Adaptivität und Erweiterbarkeit den Beschränkungen eines Printmediums unterliegt.

Der Idee der Gestaltungsbasierten Forschung (Design-Based Research) folgend, zielt das Promotionsprojekt darauf ab, durch die Entwicklung, Erprobung und Evaluation einer digitalen Selbstlernumgebung zur Lösung dieses praktischen Bildungsproblems beizutragen und dadurch Antworten zu geben auf die allgemeinere Forschungsfrage „(Wie) Kann eine digitale Selbstlernumgebung den Erwerb der in den deutsch-lateinischen Übungen angestrebten Sprachkompetenz fördern?“.

Zu diesem Zweck wird zunächst auf der Basis fach- und hochschuldidaktischer Prinzipien, Erkenntnissen der Pädagogischen Psychologie und der Fremdsprachenerwerbsforschung sowie einer Analyse von Studienordnungen ein didaktisches Konzept erarbeitet, das als Grundlage für die Erstellung der exemplarischen Lernumgebung, aber auch als Orientierungspunkt für die Erstellung weiterer digitaler Materialien dienen soll. Anschließend wird unter Berücksichtigung des Sprachbeschreibungsansatzes Christian Touratiers eine Lernumgebung zum Gerundium/Gerundivum konzipiert und über das H5P-Plugin in die Lernplattform Moodle implementiert. Dafür wird eigens ein H5P-Modul entwickelt, das auf spezifische Anforderungen des deutsch-lateinischen Übersetzens zugeschnitten ist. Abschließend wird die erstellte Lernumgebung in einem iterativen Prozess praktisch erprobt und mit Bezug auf die übergeordnete Forschungsfrage evaluiert.