12. Juli 2004:
Kamasutra
Ulrich Oberdiek


Kamasutra eröffnet tiefe Einblicke in die indische Kultur
Gibt man den Begriff "Kamasutra" in eine Internet-Suchmaschine ein, so erhält man ca. eine Million Treffer. Die weitaus meisten davon behandeln dann allerdings nur unzählige, an Turnübungen erinnernde Sexualstellungen.
Dass diese nur einen Teil des Kamasutra - des altindischen Lehrbuches der Liebeskunst - einnehmen, darauf wies am Montagabend der Freiburger Völkerkundler und Indien-Experte Dr. Ulrich Oberdiek während seines Vortrages vor in der Stadtbücherei Münster hin.

Kamasutra bedeute in der wörtlichen Übersetzung "Leitfaden der Sinneslust", so Oberdiek, es beschränke sich aber keineswegs auf die Auflistung von Liebespraktiken. Ebenso ausführlich behandele es Bereiche wie Flirt- und Verführungskunst, Brautwerbung oder Verhaltensnormen für Ehepartner. Es enthalte außerdem wertvolle Hinweise auf die Lebensumstände in Indien zur Zeit der Niederschrift vor ca. 1.700 Jahren.
Bevor Oberdiek auf den Inhalt der sieben "Bücher" des Kamasutra einging, gab er daher eine kurze historische Einordnung.

In den Sechziger Jahren erwachte in Europa das Interesse an Indischer Kultur. Zusammen mit dem Kamasutra fanden Kulturgüter wie Yoga oder Tantra ihren Weg nach Westen. In den folgenden Jahren wurden diese sehr unterschiedlichen Dinge, so Oberdiek, häufig "in einen Topf geworfen".
Im heutigen Indien spielt das Kamasutra allerdings kaum eine Rolle. Es wird zumeist eher mit einem Naserümpfen bedacht, auch beschränken gesellschaftliche Normen und Tabus und nicht zuletzt die beengte Wohnsituation vieler Familien den Freiraum für Sexualität. Im alltäglichen indischen Überlebenskampf, so Dr. Oberdiek, sei für solche "ästhetisierenden Feinheiten" einfach keine Zeit.
Schon zur Zeit der Niederschrift wandte sich das Kamasutra vor allem an privilegierte Bevölkerungsschichten.

Dr. Oberdiek beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit verschiedenen Bereichen der traditionellen indischen Kultur. Schon während seines Studiums in Deutschland und den USA konzentrierte er sich auf Indien als Forschungsschwerpunkt.

Oberdieks Vortrag bildete den Abschluss der Veranstaltungsreihe "Sex and the Body. Ethnologische Perspektiven", die vom Institut für Ethnologie der Universität Münster und der Stadtbücherei veranstaltet wurde.
Ziel der Reihe war es, ethnologische Themen einer breiteren Öffentlichkeit zu Präsentieren. Interesse hierfür ist offenbar vorhanden: Bis zu 150 Zuhörer erschienen zu den Vorträgen, um sich über die verschiedenen Variationen von Liebe, Sexualität und Moral in Asien, Afrika und Ozeanien zu informieren.
Insgesamt sieben Referenten erläuterten im Laufe der Vortragsreihe ausgewählte Aspekte des Themas Sexualität und Körperlichkeit in fremden Kulturen.


Literaturliste zum Thema Kamasutra zusammengestellt von Ulrich Oberdiek

Body
Sex and the
Sex and the