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Föderalismus: erfolgreich, aber reformbedürftig

Podiumsdiskussion über Leistungen und Grenzen des föderalen Systems

Diskutierten über den Föderalismus (von links): Stefan Nacke, Jürgen Overhoff, Peter Oestmann, Antonios Souris und Gigi Deppe
© KHK EViR – Michael Möller

Woher stammt der deutsche Föderalismus und ist er inzwischen ein Auslaufmodell? Darüber diskutierten am Montag (29.4.) auf Einladung des Käte Hamburger Kollegs „Einheit und Vielfalt im Recht“ (EViR) der Universität Münster Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Journalismus.

Der Föderalismus bewegt die Gemüter – das zeigte nicht zuletzt die große Resonanz auf den Diskussionsabend im Münsteraner „Theatertreff“: Rund 80 Interessierte waren gekommen, um die Einschätzung der Experten zu hören und selbst kräftig mitzudiskutieren.

Historische Wurzeln

Bei Gründung der Bundesrepublik 1949 gab es viele gute Gründe, ein föderales System von Bund und Ländern einzuführen, so eingangs Dr. Antonios Souris, Politikwissenschaftler der Freien Universität Berlin. Nicht zuletzt lasse sich damit eine zu starke Zentralisierung von Macht wirksam verhindern.

Daneben sei die lange föderale Tradition der deutschen Geschichte prägend gewesen, wie der Münsteraner Rechtshistoriker Prof. Dr. Peter Oestmann erläuterte. Das mittelalterliche Lehnswesen und die vergleichsweise schwach ausgebildete Königsherrschaft hätten zum Ausbau vieler Territorialstaaten unter dem Schirm des Heiligen Römischen Reiches geführt. Ein Erfolgsmodell, das im 18. Jahrhundert auch Aufklärern wie Montesquieu und den Vätern der amerikanischen Verfassung zum Vorbild diente, so Prof. Dr. Jürgen Overhoff, Bildungshistoriker der Universität Münster.

Rede vom Flickenteppich ist "preußischer Reflex"

Nach Klärung der historischen Grundlagen berichtete Dr. Stefan Nacke (CDU) von seiner Zeit als nordrhein-westfälischer Landtagsabgeordneter. „Obwohl ich viele Reden gehalten habe, hatte ich kaum Macht“, so Nacke. Aus Sicht der Landesparlamente sei der Föderalismus eine große Herausforderung, schließlich seien im Bundesrat nur die Regierungen der Länder vertreten. Dennoch sei er überzeugter Föderalist, denn politische Meinungsbildung müsse auch auf regionaler Ebene stattfinden.

Darin sah er sich mit den übrigen Diskutanten einig, die weitere Vorteile des Föderalismus hervorhoben. Vor allem ermögliche er zwischen den Ländern Wettbewerb um die beste politische Lösung, so Overhoff. Das habe sich nicht zuletzt während der Pandemie gezeigt. Die abwertende Rede vom „Flickenteppich“ der 16 verschiedenen Coronaschutzverordnungen bezeichnete er als „preußischen Reflex“: Der Begriff sei erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, als preußische Historiker das Alte Reich zu diskreditieren versuchten. Auch das von der Moderatorin Gigi Deppe (ARD-Rechtsredaktion) vorgebrachte Kostenargument verfing nicht: Im Vergleich zu anderen Staatsausgaben fielen die paar hundert Landtagsabgeordneten kaum ins Gewicht, so Oestmann.

Neue Föderalismusreform nötig

Kritisch äußerte sich Souris, der das Abstimmungsverhalten im Bundesrat erforscht hat. Gerade parteipolitisch umstrittene Themen wie die Einführung eines Tempolimits könnten durch einzelne Länder leicht blockiert werden. Nacke, der seit 2021 im Bundestag sitzt, plädierte schließlich für eine neue Föderalismusreform. Es bedürfe einer öffentlichen Debatte über Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen. Dem stimmte Overhoff zu: „Der Föderalismus muss sich immer weiter verändern. Wir haben die endgültige Formel noch nicht gefunden.“

Podiumsdiskussion "Auf dem Flickenteppich bleiben?"

© KHK EViR – Michael Möller
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