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Münster (upm/ch)
Das münstersche Team in der kasachischen Steppe: Prof. Dr. Norbert Hölzel, Frederike Velbert, Annika Brinkert und Tobias Koz (v. l.)<address>© WWU - Brinkert</address>
Das münstersche Team in der kasachischen Steppe: Prof. Dr. Norbert Hölzel, Frederike Velbert, Annika Brinkert und Tobias Koz (v. l.)
© WWU - Brinkert

Menschenleere Weiten

Münstersche Landschaftsökologen untersuchen die Folgen des post-sowjetischen Wandels der Landwirtschaft in den Steppen Kasachstans

Sechs Wochen lang waren drei Studierende der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) in den menschenleeren Weiten der Federgrassteppe im Norden Kasachstans unterwegs. Gemeinsam mit Johannes Kamp, Doktorand am Institut für Landschaftsökologie der WWU, haben sie die Entwicklung des Pflanzenbestandes und der Vogelgemeinschaften auf den riesigen Brachflächen der Steppenzone des zentralasiatischen Staates untersucht.

"Die ausgedehnten Brachflächen haben eine herausragende Bedeutung für zahlreiche seltene und gefährdete Arten der Steppen, beispielsweise Jungfernkranich und Steppenweihe", betont Johannes Kamp. Während der Chruschtschow-Ära wurden zwischen 1954 und 1960 in Nordkasachstan rund 25 Millionen Hektar Steppe in Weizenfelder verwandelt. Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich dieser Prozess, der mit einer starken Bodenzerstörung und einem massiven Verlust an Artenvielfalt einherging, teilweise wieder umgekehrt. Johannes Kamp untersucht die Folgen dieser gravierenden Landschaftsveränderungen im Auftrag der größten Naturschutzorganisation in Europa, der britischen "Royal Society for the Protection of Birds", und ihrer kasachischen Partnerorganisation ACBK, die sich dem Erhalt der Artenvielfalt widmet. In diesem Jahr wurde er von Annika Brinkert, Tobias Koz und Frederike Velbert, Studierende der Landschaftsökologie, unterstützt. Die Arbeiten fanden unter Anleitung von Prof. Dr. Norbert Hölzel statt und wurden von der Darwin-Initiative der britischen Regierung finanziell gefördert.

Die positive Entwicklung der Artenvielfalt in den vergangenen beiden Jahrzehnten droht sich nun erneut umzukehren. Denn durch die weltweit steigende Nachfrage nach Agrarflächen zur Produktion von Getreide und nachwachsenden Rohstoffen werden brachliegende Ackerflächen seit einigen Jahren wieder zunehmend genutzt. "Dadurch kommen nicht nur viele seltene und gefährdete Arten erneut in Bedrängnis. Auch die Funktion der Steppenböden als sogenannte Kohlenstoffsenke wird infrage gestellt", sagt Norbert Hölzel. Kohlenstoffsenken gelten als bedeutsam, weil sie das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und damit der Erderwärmung entgegenwirken.

Student Tobias Koz, der die Landschaft zuvor nur aus Satellitenbildanalysen kannte, schwärmt von den Feldarbeiten in den Weiten der Steppe: "Wir haben sogar Saiga-Antilopen gesehen – diese Tiere sind leider extrem selten geworden, und man bekommt sie sonst kaum zu Gesicht." Annika Brinkert berichtet: "Zwar mussten wir erst einen Kulturschock überwinden. Die Menschen dort leben in sehr ärmlichen Verhältnissen. Es gibt zum Beispiel keine Duschen und Waschmaschinen, an den wenigen Straßen stehen verlassene, kaputte Maschinen und dazwischen laufen Haustiere frei herum. Wir waren aber schnell begeistert von der Herzlichkeit der Menschen und der Gastfreundschaft im Dorf und haben uns in unserer Gastfamilie sehr wohl gefühlt."

Die münsterschen Studierenden wollen mit ihren Arbeiten einen Beitrag zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Steppenlandschaften Kasachstans leisten. "Ein Problem in Kasachstan ist der fehlende wissenschaftliche Nachwuchs im Bereich Ökologie", erklärt Annika Brinkert. Durch die Einbeziehung kasachischer Studierender bei den Forschungsarbeiten im Gelände und die enge Kooperation mit kasachischen Nichtregierungsorganisationen wollen die Münsteraner daher Forschung und Umweltschutzmaßnahmen vor Ort stärken.