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Münster (upm/ja)
Das umfangreiche Werk von Origenes ist schwer zugänglich und wird seit zehn Jahren systematisch an der WWU erforscht.<address>© Jusepe de Ribera (1591-1652), Galleria Nazionale delle Marche, Urbino, Italien</address>
Das umfangreiche Werk von Origenes ist schwer zugänglich und wird seit zehn Jahren systematisch an der WWU erforscht.
© Jusepe de Ribera (1591-1652), Galleria Nazionale delle Marche, Urbino, Italien

Origenes – Begründer der Freiheitsphilosophie

Die nach dem Gelehrten des 3. Jahrhunderts benannte Forschungsstelle der WWU feiert zehnjähriges Bestehen

In der Antike und im Mittelalter las man viel von ihm, wusste meist aber nicht, wer er ist. Heute weiß man es zwar ungefähr, wenigstens in Theologen- und Historikerkreisen, nur gelesen wird er heutzutage kaum. Die Rede ist von Origenes, dem aus Alexandria stammenden griechischen Theologen und Philosophen des 3. Jahrhunderts. Sein Werk ist enorm umfangreich, seine Schriften und Predigttexte umfassen zehntausende Seiten. Viele Zeilen enthalten Weisheiten über das menschliche Sein und das Zusammenleben in der Gesellschaft. Ungeliebt oder umstritten ist er im Laufe der (Kirchen-)Geschichte allerdings immer wieder, posthum wurde er sogar als Ketzer verdammt. Da seine Gedanken aber zu anregend waren, spielte dies oft keine Rolle. "Er gehört zu den wissenschaftlich attraktivsten historischen Gesprächspartnern für aktuelle religiöse und theologische Probleme", schreibt Prof. Dr. Alfons Fürst auf der Homepage der vor zehn Jahren aus der Taufe gehobenen "Forschungsstelle Origenes" der Universität Münster.

Der katholische Theologe und Kirchenhistoriker, der sich als Student das erste Buch von Origenes zu Weihnachten schenkte, ist bis heute fasziniert von dem Vordenker der Antike. Alfons Fürst ist Initiator und Begründer des bundesweit einzigen institutionellen Forschungsschwerpunkts zu Origenes (185 bis 254 nach Christus). "Für mich ist er schlichtweg der Begründer der Freiheitsphilosophie, und er hat Strahlkraft bis heute", sagt der 56-Jährige. Nach Münster kam der gebürtige Niederbayer auch durch Origenes. "Beim sprichwörtlichen Vorsingen hielt ich einen Vortrag über ihn", bekennt er lächelnd. Und er überzeugte: Seit 2000 ist Alfons Fürst Inhaber der hiesigen Professur für "Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie".

Prof. Dr. Alfons Fürst<address>© WWU - privat</address>
Prof. Dr. Alfons Fürst
© WWU - privat
In seinem weiteren Wirken als Professor tauchte Origenes immer wieder auf. "Aber sein Werk ist schwer zugänglich, und es gab keine greifbare deutsche Ausgabe." In den Jahren 2004 und 2005 entstand die Idee, der anwachsenden Origenes-Expertise von Alfons Fürst eine institutionelle Form zu geben. 2008 war die Geburtsstunde der Forschungsstelle, offizielle Einrichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät. Ursprünglich bestand sie aus einem Büro, dem von Alfons Fürst. Seit Kurzem ist zusätzlich eine halbe Stelle für wissenschaftliche Mitarbeit eingerichtet.

Was zeichnet den frühchristlichen Theologen Origenes aus, dass er mehr Beachtung finden sollte? Alfons Fürst beindruckt vor allem Origenes' Umgang mit Beobachtungen seiner Umwelt. Er sei weder dogmatisch gewesen noch habe er vorgefasste Meinungen; kurzum: "Vor allem sein freier und suchender Denkstil ist imposant." Alfons Fürst beschreibt dies am Umgang mit Freiheit: "Origenes legt Wert darauf, die persönliche Freiheit nicht an vorhandenen Determinanten wie Armut oder Reichtum, Diktatur oder Freiheit oder an sozialen Kriterien festzumachen." Solche Rahmenbedingungen dürften nicht den alleinigen Ausschlag geben, liest Alfons Fürst in den Texten des Origenes. Wichtig sei es für die Menschen, selbst entscheiden zu können, welchen Weg sie einschlügen.

Diese Einschätzung des Miteinanders der Menschen macht Origenes auch heute noch "enorm attraktiv", wie Alfons Fürst findet: "Wenn wir heute – in Zeiten der Flüchtlings- und Migrationsdebatten – nach moralischen Standards suchen, sollten wir Origenes befragen." Dass Origenes einst derart umtriebig war und so viele Gedanken niederschrieb, brachte ihm den Beinamen Adamantios oder "der Stählerne" ein. Die Quellen sind griechische und lateinische Handschriften – letztere Übersetzungen aus der Spätantike.

Seit der Gründung der Forschungsstelle an der Universität arbeitet Historiker Alfons Fürst gemeinsam mit Kollegen in Deutschland und Österreich daran, Origenes lesbarer und damit greifbarer zu machen: Im Zentrum steht eine 25 Bände umfassende deutschsprachige Gesamtausgabe; acht Bände sind bereits erschienen, der neunte ging gerade in Druck. Darüber hinaus liegt dem Theologen viel daran, die Wirkungsgeschichte des Universalgelehrten zu verdeutlichen. "Das ist mein Lebenswerk", sagt er zu dieser Mammutaufgabe.

Feierstunde

Zu einem öffentlichen Festvortrag anlässlich des Jubiläums "Zehn Jahre Forschungsstelle Origenes" laden deren Leiter, Prof. Dr. Alfons Fürst, sowie die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster ein. Interessierte sind willkommen. Zeit und Ort: Donnerstag, 25. Oktober, 16.30 Uhr im Hörsaal KTh I, Johannisstraße 8-10.

Der Berliner Philosoph Prof. Dr. Volker Gerhardt spricht in dem Vortrag zum Thema "Freiheit als philosophische und theologische Schlüsselkategorie". Ein Schwerpunkt der Forschungen Volker Gerhardts liegt auf dem Vergleich des modernen Denkens mit der Antike. Die Feierstunde ist zugleich Auftakt einer wissenschaftlichen Konferenz (25. bis 27. Oktober).

 

Autorin: Juliane Albrecht

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 6, 10. Oktober 2018

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