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Münster (upm/kk)
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten e-Sports-Kurses des Hochschulsports Münster spielen „League of Legends“.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten e-Sports-Kurses des Hochschulsports Münster spielen „League of Legends“.
© WWU - Peter Leßmann

Zusammen zockt man weniger allein

Ein Besuch beim neuen eSports-Angebot des Hochschulsports Münster

Es ist Donnerstagabend, schwül-warme 31 Grad. Die Vorstellung, gleich in einem Computerraum zu sitzen und ein paar Menschen beim „Computerzocken“ zuzuschauen, erfüllt mich nicht gerade mit Begeisterung – meine Neugier überwiegt jedoch. Der Hochschulsport Münster (HSP) bietet seit diesem Sommersemester erstmalig den eSports-Kurs „League of Legends“ (LoL) an, mit 70 Millionen Spielern eins der populärsten Strategiespiele weltweit. Es scheint gut anzukommen, denn der wöchentlich stattfindende Kurs ist mit 20 Personen ausgebucht.

Pünktlich und verschwitzt komme ich im Computerlab am Leonardo-Campus an. Die Teilnehmer sitzen hinter ihrem Bildschirm und warten darauf, dass es losgeht. Doch bevor der Elektro-Sport startet, gibt Christopher Gröning, Kursleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Psychologie der WWU, eine Theorieeinheit. Ich versuche aufmerksam zu folgen und notiere mir Begriffe wie: skill shots, hitbox und lollypopping. Ich verstehe gerade noch, dass es um Strategien geht, seinen Gegner zu verfolgen und auszuschalten. „Die Teilnehmer verbessern durch die Theorie und insbesondere durch regelmäßiges Training ihr motorisches Geschick und taktisches Spielverständnis. Das Training ähnelt zum großen Teil anderen Sportarten“, erklärt Christopher Gröning.

Trotzdem gibt es eine Grundsatzdebatte in Politik und Medien, ob eSports als Sport definiert werden darf oder nicht. Ein aktuelles Positionspapier des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen feuert die Debatte an, dass eSport kein Sport sei, sondern „vielmehr Teil einer modernen Jugendkultur, die überwiegend kommerziell ausgerichtet ist. Darüber hinaus sind Schießspiele mit ethischen Werten des Sports unvereinbar“. „Ob Sport oder nicht, das ist für uns nicht die zentrale Frage“, erläutert HSP-Leiter Jörg Verhoeven. „Es gibt aber durchaus Analogien zu anderen Sportarten. Zum Beispiel konnten Trainingseffekte für die mentale Ausdauer, Reaktionsgeschwindigkeit und Konzentrationsfähigkeit nachgewiesen werden. Wichtig für die Ausrichtung unseres Angebots sind die Förderung des Teamgeists und der kommunikativen Fähigkeiten. Das stärkt die soziale Interaktion und soll gerne zu sportlichen Aktivitäten im herkömmlichen Sinne führen.“ Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln haben herausgefunden, dass während einer Spielepartie der Cortisol-Spiegel ungefähr auf das Niveau von Rennfahrern steigt und die Herzfrequenz von 160 bis 180 Schlägen pro Minute der eines Marathonläufers entsprechen kann.

Bevor die Teilnehmer auf derartige Schlagzahlen kommen, wird zunächst in Zweiergruppen die eben gehörte Theorie vertieft. Ich beobachte Manuel Schillings Spiel am PC. Sein Champion – so heißen die Spielcharaktere – sucht in der virtuellen Landschaft seinen Gegner, um ihn zu bekämpfen. „Das ist schon etwas anderes, ob ich alleine zu Hause bin oder direkten Kontakt zu meinen Mitspielern habe. Davon profitiert der Spielerfolg ungemein“, freut sich der 20-jährige Englisch- und Informatikstudent.

Dann geht es los, fünf gegen fünf. Das Spielprinzip ist simpel: Auf einer immer baugleichen Karte muss das Hauptgebäude der gegnerischen Mannschaft zerstört werden. Jeder starrt gebannt auf den Bildschirm: Feuerstrahlen und Blitze schießen kreuz und quer – doch wer ist wer? Ich weiß es nicht. Die Spieler rufen ihren Teamkameraden Befehle und Kommandos zu. „Die Spieler sind während des Spiels einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt. Durch regelmäßiges Training lernt das Gehirn relevante Informationen zu filtern und zielorientiert zu verarbeiten“, erklärt Christopher Gröning. Neben mir tippt Gunnar Georges nonstop auf seine Tastatur. Hinter jeder Tastenkombination steht ein bestimmter Spielzug. „Ehrlich gesagt ist es ganz schön schwierig, sich diese Kombinationen zu merken und schnell zu reagieren“, gesteht der 19-jährige Pharmaziestudent nach dem 30-minütigen Spiel. Sara Terveer schmunzelt, als sie das hört. Immerhin spielt die Mathematikstudentin schon seit vier Jahren LoL und nutzt den HSP-Kurs vor allem dazu, Gleichgesinnte zu treffen.

Und nach dem Spiel? Alle wollen sofort die nächste Runde zocken. „Vor allem nach Niederlagen ist das Suchtpotenzial hoch. In diesem Moment will ich direkt das nächste Spiel starten“, sagt Manuel Schillings. Das Computerlab schließt allerdings um 22 Uhr. Wer weiterspielen möchte, kann das mit dem eigens eingerichteten virtuellen Club aller HSP-Teilnehmer von zu Hause aus.

Kathrin Kottke

 

eSports in Forschung und Lehre

Prof. Dr. Dennis Liem, Sektionsleiter der Schulterchirurgie und Sportorthopädie am UKM, erforscht den Zusammenhang zwischen chirurgischen Eingriffen und eSports. Seine Hypothese: Wer gut eSports spielt, ist geschickt im OP. Denn motorisch wird in beiden Fällen die Hand-Augen-Koordination beansprucht. 50 Probanden testen diesen Zusammenhang in einer laufenden Studie. Dazu spielen sie am Computer, und im Anschluss führen sie Übungen am endoskopischen Modell durch. Unter anderem werden „Aufwärm-Effekte“ vor einem OP-Eingriff getestet.

Im Wintersemester 2018/19 bieten Dr. Till Utesch und Dr. Sebastian Grade vom Institut für Sportwissenschaft erstmals ein Seminar für Lehramtsstudierende an, das sich mit eSports befasst. Ziel ist es, die Studierenden für dieses Thema, welches heutzutage für viele Jugendliche zum Alltag gehört, zu sensibilisieren. Im Zuge des Seminars werden unter anderem Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum konventionellen Sport herausgearbeitet, sportwissenschaftliche Phänomene in eSports thematisiert sowie die Grundlagen eines eSports-Echtzeitstrategiespiels erlernt. Anmeldung und Infos zum Seminar: go.wwu.de/163ck

 

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung „wissen|leben“ Nr. 5, 18. Juli 2018.

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