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Münster (upm)
Abschied (auch) von den Studenten: Dr. Marianne Ravenstein scheidet nach 31 Jahren aus dem Amt.<address>© WWU - Peter Lessmann</address>
Abschied (auch) von den Studenten: Dr. Marianne Ravenstein scheidet nach 31 Jahren aus dem Amt.
© WWU - Peter Lessmann

Voller Einsatz für ein optimales Studium

Nach 31 "Amts"-Jahren endet die WWU-Karriere von Prorektorin Dr. Marianne Ravenstein

Marianne Ravenstein weiß es noch genau, obwohl es mehr als 40 Jahre zurückliegt. Es muss rund um ihren 16. Geburtstag gewesen sein, als sie sich auf ihr späteres Berufsziel festlegte: Journalistin. In ihrem Kerpener Elternhaus war die Lektüre einer Tageszeitung seit jeher üblich gewesen, die Schülerin hatte zudem über Praktika erste journalistische Erfahrungen gesammelt. Beim "Kölner Stadtanzeiger" beispielsweise, für dessen Lokalteil sie im Sommer 1976 den einen oder anderen Text zu Papier brachte – zur großen Zufriedenheit des Redaktionsleiters. Ihr Fazit nach fünf "ksta"-Monaten fiel eindeutig aus: "Ich war begeistert von der journalistischen Arbeit, ich konnte mir nach einem Studium keinen anderen Beruf vorstellen." Zweites Fazit, gut vier Jahrzehnte später: Marianne Ravenstein hat nie in diesem Beruf gearbeitet.

Nicht etwa wegen ihrer seinerzeit nachlassenden Leidenschaft oder wegen schlechter Jobchancen. Über ihr Studium der Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Geschichte in München und Münster "rutschte" die bekennende Rheinländerin stattdessen langsam, aber sicher in die Welt der Hochschulen hinein. Ungeplant und ungewollt, zielstrebig. Nach ihrer Promotion zum "Dr. phil." im Jahr 1986 war die Mitarbeit an einem Drittmittelprojekt der münsterschen Kommunikationswissenschaftler über die Einführung des Kabelfernsehens in Nordrhein-Westfalen der Startpunkt für ihren Werdegang an der Universität Münster. "Das war meine persönliche Berufswende", bilanziert sie rückblickend. "Mit diesem Projekt habe ich mich vom Journalismus verabschiedet." Sie startete stattdessen eine WWU-Karriere, die sich nach 31 "Amts"-Jahren jetzt dem Ende zuneigt: Ende Februar läuft Marianne Ravensteins Vertrag als hauptberufliche Prorektorin für Studium und Lehre aus – wegen der Folgen einer schweren Erkrankung wird sie bis auf Weiteres kein neues Amt übernehmen.

Marianne Ravenstein selbst bezeichnet ihren Weg als "typische Universitäts-Karriere". Sie begann als wissenschaftliche Angestellte, entwickelte sich schnell zur Akademischen Rätin, Oberrätin und Direktorin am Institut für Kommunikationswissenschaft. Parallel dazu engagierte sie sich über viele Jahre hinweg beispielsweise als Mitglied im Fachbereichs- und Fakultätsrat sowie als Gleichstellungsbeauftragte. Eine Art journalistischen Trennungsschmerz verspürte sie nie, den Traumberuf von einst hatte sie nach Abschluss ihres Studiums längst ad acta gelegt. "Vielleicht fiel es mir so leicht, weil ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit im Institut für Kommunikationswissenschaft vergleichsweise nah am Journalismus dranblieb."

Das änderte sich im Jahr 2006. Die damals designierte Rektorin, Prof. Dr. Ursula Nelles, bot ihr die Stelle der Prorektorin für Lehre und studentische Angelegenheiten an. Marianne Ravenstein wusste "nicht annähernd", was alles auf sie zukommen könnte. Aber sie sagte zu. Es folgten hunderte Sitzungen im Rektorat, in Akkreditierungsgremien, in verschiedenen Einrichtungen wie beispielsweise der Studienberatung und dem Sprachenzentrum, mit diversen AStA-Gruppen und in mehreren Gremien und Kommissionen wie etwa dem Zentrum für Lehrerbildung und dem Verwaltungsrat des Studentenwerks. "Ich habe in dieser Zeit viel Interessantes und Neues kennengelernt", betont sie, "über die Hochschulen insgesamt und über die WWU im Speziellen."

Marianne Ravenstein erlebte ein ebenso lehr- wie arbeitsreiches Jahrzehnt im WWU-Rektorat. Ihr VW Golf stand oft auch an Sonntagen ("Ich musste mich ja schließlich in Ruhe auf die Woche vorbereiten") vor dem Schloss, die Sechs-Tage-Woche war für sie der Normalfall. Über die Jahre eignete sie sich ein immenses Detailwissen an - in Kombination mit ihrem ausgeprägten Erinnerungsvermögen galt sie schnell als "institutionelles Gedächtnis" der WWU.

Im Mittelpunkt ihres Interesses und ihrer Arbeit als Prorektorin standen eine optimale Qualität von Lehre und Studium. Entsprechend engagiert ging sie mit einem Team zu Werke, als es beispielsweise darum ging, dass die Universität Münster beim „Qualitätspakt Lehre“ und in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ punktet. Mit Erfolg: Bei erstgenanntem Programm belohnen Bund und Länder die WWU bis 2020 mit insgesamt 53,2 Millionen Euro, für ihre "Qualitätsoffensive" überweist das Bundesbildungsministerium bis 2019 sechs Millionen Euro nach Münster. Maßgeblich beteiligt war sie auch an der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs, an der Schaffung zusätzlicher Master-Studienplätze und an einer optimalen Verwendung der sogenannten Qualitätsverbesserungsmittel, die die Studienbeiträge ersetzten.

Apropos Studienbeiträge. Marianne Ravenstein war 2006 erst wenige Wochen im Amt als Prorektorin, als nach der Einführung der Gebühren an vielen nordrhein-westfälischen Hochschulen „die Post abging“ – in Form von Demos, Protesten und Besetzungen. Das WWU-Rektorat musste seinerzeit eine Sitzung auf ein gesichertes Gelände nach Münster-Handorf verlegen, was nicht nur Marianne Ravenstein "unvergesslich" bleiben wird. Und woran sonst erinnert sie sich besonders intensiv? Vor allem an den 25. Juli 2010, als feststand, dass unter den 21 Opfern der Love-Parade-Katastrophe auch drei WWU-Studentinnen waren. "An diesen Sonntag und die Tage danach mit der Trauerfeier und dem Besuch der Eltern denke ich auch heute noch sehr oft", unterstreicht sie. Eindrücklich in Erinnerung hat sie auch die "Bologna-Reform" ("insgesamt ein Erfolg") sowie die Entwicklung der Ausbildung islamischer Lehrer an der WWU und der islamischen Theologie allgemein.

Sicher wird sie den Blick aus ihrem Büro in den Botanischen Garten vermissen, dazu die vielen Gespräche mit den Studierenden und WWU-Beschäftigten. Dafür hat sie endlich mehr (Frei-) Zeit, beispielsweise für Reisen an die geliebte Nordsee. Und sie hat die Muße, um vielleicht doch noch zu ergründen, ob schon ihr Doktorvater ihre Universitäts-Karriere vorhersah, als er ihr seinerzeit eine große Portion "administrativer Fantasie" bescheinigte...

Autor: Norbert Robers

 

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 1, Januar/Februar 2018

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