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Münster (upm/ch)
Bei weiblichen Mäusen wird das Verhalten um den Eisprung herum weniger berechenbar, haben Verhaltensbiologen der WWU nun gezeigt.<address>© Symbolfoto: WWU/Dirk-Heinz Loddenkemper</address>
Bei weiblichen Mäusen wird das Verhalten um den Eisprung herum weniger berechenbar, haben Verhaltensbiologen der WWU nun gezeigt.
© Symbolfoto: WWU/Dirk-Heinz Loddenkemper

Verhalten weiblicher Mäuse zur Zeit des Eisprungs weniger vorhersagbar

Verhaltensbiologen der Universität Münster untersuchen "Tierpersönlichkeit" zyklusabhängig

Tierhalter wissen: Jedes Tier, sei es auch von derselben Art, hat sein eigenes Naturell. Verhaltensbiologen erfassen dieses charakteristische Verhalten verschiedener Individuen systematisch. Unter dem Begriff "Tierpersönlichkeit" fassen sie die Verhaltensweisen zusammen, die ein Tier zeigt und die für dieses Individuum einzigartig sind. Kennt man die "Tierpersönlichkeit", kann man vorhersagen, wie sich ein Tier in einer bestimmten Situation verhalten wird – zwar nicht mit Gewissheit, aber doch mit einiger Sicherheit. Jedoch: Bei weiblichen Mäusen wird das Verhalten um den Eisprung herum weniger berechenbar. Das haben Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) nun erstmals gezeigt. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Royal Society Open Science" online veröffentlicht.

Die Verhaltensbiologen untersuchten das Verhalten von Mäuseweibchen in verschiedenen Situationen. Beispielsweise prüften sie, wie die Tiere auf Artgenossen reagieren oder wie mutig sie ein sogenanntes offenes Feld erkunden. Diese Tests wurden jeweils nach einigen Wochen wiederholt. Die Tiere waren dabei in zwei Gruppen eingeteilt: rezeptive Mäuseweibchen, deren Eisprung unmittelbar bevorstand oder gerade stattgefunden hatte, und nicht-rezeptive Weibchen, die in der nicht empfängnisbereiten Phase ihres Zyklus waren. Das Verhalten der einzelnen Tiere war über die Zeit betrachtet um den Eisprung herum deutlich weniger stabil: Bei den Testwiederholungen verhielten sich die Tiere auffallend häufig anders als zuvor, wenn sie jeweils in der Phase des Eisprungs getestet wurden. Im jeweiligen Gruppendurchschnitt gab es dagegen keinen Unterschied: Die rezeptiven Mäuse waren durchschnittlich so mutig und so unternehmungslustig wie ihre nicht empfängnisbereiten Artgenossinnen.

"Es gibt bislang wenige Forschungsergebnisse zur Entwicklung von Tierpersönlichkeit und zu Schwankungen in ihrer Stabilität. Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass sich die Stabilität von Tierpersönlichkeitszügen bei Mäusen innerhalb weniger Tage ändern kann – anscheinend abhängig vom hormonellen Status des Tiers", sagt Erstautor Niklas Kästner. Die Wissenschaftler vermuten, dass eine höhere Flexibilität des Verhaltens um den Eisprung herum die sogenannte evolutionäre Fitness der Tiere erhöht: Gerade zu der Zeit, wenn die Weibchen empfängnisbereit sind, könnte es zu einem größeren Fortpflanzungserfolg führen, wenn die Tiere möglichst variabel reagieren, vermuten die Forscher. Im Gegensatz dazu sei es ansonsten vermutlich evolutionär betrachtet günstiger, in bereits bekannten Situationen mit einem erprobten Verhalten zu reagieren. Die Kosten für ein flexibles Verhalten nähmen die Tiere also nur dann in Kauf, wenn sie ihren Fortpflanzungserfolg unmittelbar steigern können.

Genaueres zur Methodik

Die Wissenschaftler untersuchten über einen Zeitraum von vier Wochen hinweg zwei Gruppen à 22 weibliche Mäuse in vier Verhaltenstests. Die Tiere einer Gruppe wurde stets in der rezeptiven Phase getestet, also um den Eisprung herum, die Tiere der anderen Gruppe in der nicht-rezeptiven Phase. Jeder Verhaltenstest wurde nach acht Wochen wiederholt. Zwei Tests dienten zur Bestimmung des Erkundungsverhaltens und der Ängstlichkeit ("open field test" und "elevated plus maze"). Zwei Verhaltenstest dienten zusätzlich dazu zu prüfen, wie die jeweilige Maus auf eine fremde Artgenossin beziehungsweise einen fremden Artgenossen reagiert. Der Östrus-Zyklus dauert bei Mäusen vier bis fünf Tage. Um den Östrus-Status zu bestimmten, nahmen die Wissenschaftler Scheidenabstriche bei den Mäusen und analysierten sie unter einem Lichtmikroskop. Zur Auswertung der Ergebnisse berechneten sie, inwieweit sich statistisch ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten eines Tieres im ersten Test und in der Wiederholung herstellen ließ.

Die Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Furcht, Angst, Angsterkrankungen" (SFB-TRR 58) gefördert.

 

Originalveröffentlichung:

Kästner N., Richter S. H., Gamer M., Kaiser S., Sachser N. (2017): What a difference a day makes—female behaviour is less predictable near ovulation. Royal Society Open Science 4: 160998.

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