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Münster (upm/kk)
Am Beispiel einer Einbruchssimulation erforschte Dr. Laura Otten, ob und wie Tatorte durch den Transfer von Fremd-DNA verunreinigt werden können.<address>© AdobeStock</address>
Am Beispiel einer Einbruchssimulation erforschte Dr. Laura Otten, ob und wie Tatorte durch den Transfer von Fremd-DNA verunreinigt werden können.
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"Auch Polizisten können einen Tatort kontaminieren"

Laura Otten untersuchte, ob Verbrechensaufklärung durch Fremd-DNA erschwert werden kann

Die Analyse von Desoxyribonukleinsäure – kurz DNA – gehört inzwischen zum Arbeitsalltag forensischer Fachkräfte. Die Spezialisten unterstützen die Justiz und Strafverfolgungsbehörden bei der kriminalistischen Aufklärung von Verbrechen – etwa Mord oder Diebstahl. Dr. Laura Otten hat an der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster in forensischer Molekularbiologie promoviert. In ihrer Dissertation untersuchte sie am Institut für Rechtsmedizin, ob und wie Tatorte durch den Transfer von Fremd-DNA verunreinigt werden können. Am Beispiel einer Einbruchssimulation erforschte die Medizinerin die Rolle des sogenannten „shedder status“. Kathrin Kottke sprach mit ihr über die Inhalte und Ergebnisse der Studie.

Der Begriff DNA-Analyse ist alltäglich – und doch wissen viele Menschen sicher nicht, was genau darunter zu verstehen ist. Wie funktioniert eine solche Analyse konkret?

Bei der Untersuchung eines Tatorts sichert die Polizei zunächst Spuren. Dazu nehmen die Ermittler beispielsweise Abstriche von Türgriffen, Tatwerkzeugen und Kleidung, auf die der Täter DNA übertragen haben könnte. Die DNA kann in vielen Fällen nicht nur durch Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel, sondern auch über Hautkontakt auf diese Objekte gelangen. Im Labor untersuchen Forensiker anschließend, ob DNA in den Spuren enthalten ist, die Rückschlüsse auf den Überträger zulässt.

Welche Herausforderungen ergeben sich dabei für die Forensiker?

DNA befindet sich überall in der Umgebung, und längst ist bekannt, dass die Übertragung nicht nur durch direkten oder indirekten Kontakt stattfindet. Ein DNA-Transfer durch Reden oder Husten konnte über eine Strecke von bis zu 180 Zentimetern nachgewiesen werden. Sogar Staub aus der Umgebung kann in geringen Mengen DNA übertragen. Daher behalten Forensiker den Aspekt der Kontamination immer mit im Blick.

Dr. Laura Otten<address>© UKM</address>
Dr. Laura Otten
© UKM
Verschwinden solche Spuren nicht mit der Zeit von selbst?

Sogenannte kontaminierende Hintergrund-DNA, die bereits vor dem Verbrechen auf das untersuchte Objekt übertragen wurde, bleibt bei trockener und unberührter Umgebung jahrelang nachweisbar. Alle Personen, die vor, während und nach dem Verbrechen Zugang zum Tatort hatten, kommen als Verursacher von Verunreinigungen infrage. Dazu zählen auch Mitarbeiter der Polizei und Spurensicherung.

Das klingt nach einem schwierigen Unterfangen…

In der Tat. Letztendlich muss der forensische Gutachter DNA unterscheiden, die vor, während und nach der Tat übertragen wurde. Das Gericht schaut daraufhin, wie belastbar mögliche Indizien und Beweise sind. Schließlich sollen schuldige Personen verurteilt und unschuldige Personen vor einer Verurteilung bewahrt werden.

Wie kommt es überhaupt zu Verunreinigungen am Tatort?

Das kann auf vielfältige Weise passieren. Ein Beispiel: Der Täter trägt während der Tat die Handschuhe einer anderen Person und überträgt dadurch Fremd-DNA auf den Tatort. Auch Polizisten können den Tatort kontaminieren, beispielsweise, wenn sie die Handschuhe zwischen der Untersuchung von zwei Tatobjekten nicht wechseln. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass bei sichergestellten Objekten die DNA innerhalb der Verpackung verunreinigt wird.

Und weil es so kompliziert ist, haben Sie sich gedacht: Das mache ich zum Thema meiner Dissertation?

Nicht wirklich. Insbesondere Hautkontakt-Spuren an einem Tatort sind von besonderem Interesse für die Aufklärung des Tathergangs – das finde ich besonders spannend und habe mich mit diesem Thema in meiner Dissertation beschäftigt. Die Anzahl denkbarer Szenarien, die zur Übertragung und Ablagerung der nachgewiesenen DNA geführt haben könnten, hat erheblich zugenommen. Während eines Gerichtverfahrens wird über die Entstehung von DNA-Spuren daher kontrovers diskutiert.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang kontrovers?

Oft behauptet die Verteidigung, dass der Beschuldigte den Einbruch nicht begangen habe, da eine andere Person die persönlichen Handschuhe des Angeklagten bei dem Einbruch getragen hat. Dadurch sei die nachgewiesene DNA an den Tatort gelangt. Die Anklage beruft sich wiederum meist auf einen direkten DNA-Transfer und behauptet, dass der Angeklagte den Einbruch begangen und durch direkten Kontakt zu den Oberflächen die eigene DNA an den Tatort übertragen hat. Im Fokus meiner Dissertation stand daher die Frage, ob und in welchem Ausmaß es möglich ist, dass DNA einer unbeteiligten Person über die Handschuhe des Einbrechers an den Tatort übertragen werden kann. Ein Hauptaugenmerk lag bei meinen Untersuchungen auf dem Ausmaß des sogenannten ,shedder status'.

Was bedeutet das?

Der shedder status beschreibt das individuelle Ausmaß des Transfers von DNA, die von der Körperoberfläche durch Hautkontakt auf Oberflächen übertragen wird. Dabei sind gute shedder Individuen, die über diesen Übertragungsweg signifikant mehr DNA abgeben als schlechte shedder. Die Einteilung von einzelnen Individuen in diese Kategorien soll perspektivisch bei Kriminalermittlungen helfen, indem sie Einfluss auf die Bewertung der Relevanz von Spuren haben. Forensischen Gutachtern erlaubt dieses Vorgehen, Aussagen über die Möglichkeit der Detektion übertragener DNA in verschiedenen Szenarien beziehungsweise Kriminalfällen zu treffen.

Gibt es bereits Studien, die sich mit diesem Verfahren befassen?

Aus der bisherigen Forschung wissen wir, dass neben den äußeren Faktoren wie beispielsweise Händewaschen, Handschuhtragen oder Druck und Reibung individuelle biologische Faktoren eine Rolle spielen. So konnte beispielsweise aus Hautkontakt-Spuren von Individuen mit trockenen Händen eine signifikant erhöhte Menge DNA gesichert werden.

Für Ihre Dissertation haben Sie einen Umzug und Einbruch simuliert. Wie sind Sie dabei methodisch vorgegangen?

Zunächst habe ich die individuellen DNA-Profile der 40 Probanden durch Wangenabstriche bestimmt. Anschließend erfolgte die Einteilung in gute und schlechte shedder, indem jeder Proband an drei verschiedenen Tagen ein steriles Plastikröhrchen für zehn Sekunden in der Hand hielt. Von diesen Röhrchen habe ich Abstriche genommen und anschließend im Labor die Menge und die Qualität der auf das Röhrchen übertragenen DNA gemessen. Als Vergleich diente jeweils das individuelle DNA-Profil des Probanden. Anhand vorbeschriebener Auswertungskriterien erfolgt die Einteilung in die shedder status. Im zweiten Teil der Arbeit wurden die Probanden anhand ihres shedder status in Paare aufgeteilt. Insgesamt in vier Gruppen: gut/gut, gut/schlecht, schlecht/gut und schlecht/schlecht.

Was mussten die Probanden konkret machen?

Der erste Proband jedes Paares simulierte einen Wohnungsumzug, bei dem er Arbeitshandschuhe trug. Zwei Tage später zog der zweite Proband des Paares dieselben Handschuhe an und simulierte einen Wohnungseinbruch mit einem Schraubendreher als Tatwerkzeug. Ich nahm anschließend Abstriche von der Außen- und Innenseite des Handschuhs und vom Griff des Schraubendrehers. Diese DNA-Profile verglich ich mit den individuellen Profilen der zwei Probanden und analysierte die Menge und Qualität der DNA.

Mit welchem Ergebnis?

In den Fällen, in denen zwei Probanden eines Paares einen unterschiedlichen shedder status haben, überträgt der gute shedder signifikant mehr DNA auf die Außen- und Innenseite der Handschuhe als der schlechte shedder. Dies war unabhängig davon, ob der gute shedder den Umzug oder den Einbruch simuliert hat, also auch unabhängig von der Reihenfolge, in der er die Handschuhe benutzte. Bei der Untersuchung der DNA-Spuren von den Griffen der Schraubendreher – zu denen die Probanden alle keinen direkten Hautkontakt hatten und die DNA folglich nur sekundär über die Handschuhe auf den Griff übertragen wurde – konnte der Proband, der den Einbruch simulierte und somit als einziger indirekten Kontakt zu dem Schraubendreher hatte, in 16 von 20 Fällen nicht als Verursacher der DNA-Spur bestätigt werden. Auf der anderen Seite gab es vier DNA-Spuren von den Griffen der Schraubendreher, in denen der erste Proband, der den Umzug simuliert hatte und nie Kontakt zu dem Schraubendreher hatte, als Verursacher dieser Spur identifiziert werden. In allen vier Fällen handelte es sich bei dem Probanden um einen guten shedder.

Was ist Ihr Fazit?

Meine Arbeit belegt, dass es durchaus möglich ist, DNA einer Person auf einem Objekt zu finden, ohne dass diese es jemals berührt hat. Aber: Gleichzeitig ist es möglich, keine DNA der Person sicherstellen zu können, die aber sehr wohl Kontakt zu dem Objekt hatte. In dem von mir beschriebenen Szenario wurde die DNA des ersten Probanden durch direkten Kontakt auf die Arbeitshandschuhe und anschließend indirekt über die Handschuhe auf den Griff des Schraubendrehers übertragen. Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass die DNA-Profile auf dem Griff des Schraubendrehers generell eine schlechtere Qualität als die auf den Handschuhen sichergestellten DNA-Profile hatten.

Was bedeutet das für die Praxis?

Ich konnte wichtige Datensätze für die Bewertung von DNA-Spuren sammeln. Besonders in Kriminalfällen, in denen die Verteidigung den Transfer von DNA über Arbeitshandschuhe als Ursache für am Tatort sichergestellte DNA-Spuren anführt, kann sich das Gericht und der forensische Gutachter auf diese Arbeit berufen. Des Weiteren schafft sie Bewusstsein für die bewiesene Möglichkeit, dass es an einem Tatort DNA von einer unschuldigen Person geben kann, die das Täter-Profil signifikant überlagert.

 

Zur Person – kurz Vita

Dr. Laura Otten studierte Humanmedizin an der WWU Münster und promovierte 2021 ebenfalls an der Universität Münster. Aktuell arbeitet sie als Assistenzärztin in der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Münster.

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