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Münster (upm/bhe)
Regionale Unterschiede: Wie sprach man in den deutschen Dialekten und im Niederdeutschen über dritte Personen? Das hat ein Projekt am Germanistischen Institut untersucht und anhand von Sprachkarten erschlossen.<address>© WWU - Theresa Schweden</address>
Regionale Unterschiede: Wie sprach man in den deutschen Dialekten und im Niederdeutschen über dritte Personen? Das hat ein Projekt am Germanistischen Institut untersucht und anhand von Sprachkarten erschlossen.
© WWU - Theresa Schweden

"Müllers Peter" oder "Peter Müller"?

Personennamen in Dialekten bieten Einblicke in die Sprachgeschichte

Über andere Personen spricht man nicht? Doch, in der Germanistik! Welche Faktoren das Sprechen über Andere in verschiedenen Mundarten beeinflussen, haben Wissenschaftlerinnen der WWU untersucht. Das Projekt „Grammatik und Soziopragmatik inoffizieller Personennamen in Dialekten des Deutschen“ von Prof. Dr. Antje Dammel wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. In 13 Orte verschiedener Dialektgebiete ist ihr Team gereist, darunter für das Niederdeutsche in die Gemeinde Varel im Landkreis Friesland und für das Alemannische in das baden-württembergische Dort Unadingen. Auch in Fürstenzell im niederbayerischen Landkreis Passau sammelten die Wissenschaftlerinnen Daten, ebenso wie in Wartenburg in der Nähe der sachsen-anhaltinischen Lutherstadt Wittenberg.

„Inoffizielle Personennamen werden in den meisten kleineren Dorfgemeinschaften mit nachgestelltem Rufnamen gebildet“, erläutert Theresa Schweden vom Germanistischen Institut. Beispiele für diese umgekehrte Reihenfolge seien „s Bachmanns Anna“ und „de Schmidte Karl“. In kleineren Dörfern gebe es darüber hinaus sogenannte Hausnamen, die manchmal auch Hof- oder Spitznamen genannt werden.

Um die Namen zu erfassen, nutzten die Wissenschaftlerinnen etablierte Methoden der klassischen Dialektforschung, etwa Fragebögen und Übersetzungsaufgaben für die Mundartsprecher. Zudem setzen sie beispielsweise Vorgehensweisen aus Nachbardisziplinen wie der qualitativen Sozialforschung ein. Vor Ort befragte Theresa Schweden jeweils Sprecherinnen und Sprecher, überwiegend im Alter von 45 bis 90 Jahren. Die Sprachwissenschaftlerin bat sie um Übersetzungen von Standardsätzen, zeichnete Tischgespräche auf und führte Gruppeninterviews. Aus den transkribierten Ergebnissen fertigte sie Sprachkarten, aus denen beispielsweise die Verbreitung bestimmter Formen hervorgeht. Auf einer davon kann man ablesen, wo die Sprecher etwa die Genitivkonstruktion „des Müllers Peter“ bevorzugen.

Zum Vergleich mit den aktuellen Daten zog das Projektteam Formulierungen wie „Else, Peter Müller des Schneiders Tochter“ aus frühneuzeitlichen Gerichtsprotokollen heran. „Im Gegenwartsdeutschen sind solche Verwandtschaftsbezeichnungen im Genitiv verschwunden“, betont Theresa Schweden. „Nur noch bei Namen halten sie sich hartnäckig und machen dort die Herkunft einer Person kenntlich.“ Ein Beispiel dafür sei „des Müllers Frieda“. Also „Frieda, die aus der Familie Müller stammt“. Sie würden meist für weibliche Personen verwendet, die mittlerweile einen neuen Heiratsnamen tragen.

„Müllers Peter“ oder „s Müllers Peter“: Solche vorangestellten Genitive sind ortsgebundenen Familien vorbehalten und beziehen sich auf die Herkunftsfamilie. Eine Petra Schmidt geborene Müller könne also nur „s Müllers Petra“ oder „die Schmidte Petra“ sein, nicht aber „s Schmidte Petra“. Voraussetzung für die Struktur „Familienname Vorname“ ist zudem regelmäßiger sozialer Kontakt und eine Sichtbarkeit innerhalb des Ortes. „Zugezogenen oder wenig integrierten Personen wird diese sprachliche Form nicht zuteil“, sagt Theresa Schweden. Ab einer Einwohnerzahl von 15.000 Personen sind vorangestellte Familiennamen deutlich seltener zu hören.

Meterweise Literatur und Lexika zur Onomastik (Namenforschung) geben in den Bibliotheken Auskunft, woher Namen stammen und was sie bedeuten. Neu an dem Projekt aus Münster ist, dass es sich nicht nur mit der Bedeutung beschäftigt, sondern mit der Verwendung, die zur Soziopragmatik gehört. „Da immer weniger Menschen Dialekt sprechen, haben wir eine der letzten Gelegenheiten genutzt“, unterstreicht Antje Dammel. „Das ergiebige Datenmaterial bietet ungeahnte Perspektiven für weitere Forschungen.“

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 14. April 2021.

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