|
Münster (upm)
Prof. Dr. Kai Müller (links) und Dr. Dennise Bauer© WWU - Julia Harth
Fotos

Alexander von Humboldt feiert 250. Geburtstag

WWU-Wissenschaftler schildern, welche Bedeutung das Werk des berühmten Naturforschers heute hat

Er war Wissenschaftler, Entdecker und Weltbürger: Alexander von Humboldt zählt international zu den bekanntesten Deutschen. Vor 250 Jahren, am 14. September 1769, wurde er in Berlin geboren. Welche Bedeutung hat das Werk des berühmten Naturforschers in der heutigen Zeit? Diese Frage haben wir Wissenschaftlern der Universität Münster gestellt.

Prof. Dr. Kai Müller, Direktor des Botanischen Gartens, und Dr. Dennise Bauer, Kustos und Technischer Leiter:

Die wissenschaftlichen Studien von Alexander von Humboldt waren sehr breit gefächert. Er sammelte unter anderem mit seinem Begleiter Aimé Bonpland unzählige Pflanzen. Die Begeisterung für Tiere und Pflanzen, für das Forschen und Sammeln packte Humboldt schon als Kind. Er war fasziniert von der Natur, und so eine Faszination insbesondere für Pflanzen möchten wir auch im Botanischen Garten wecken und vermitteln. Genau deshalb ist Humboldt auch Pate für die Ausstellung „Forscher, Sammler, Pflanzenjäger – unterwegs mit Humboldt und Co.“, die noch bis zum 13. Oktober im Botanischen Garten zu sehen ist.

Prof. Dr. Hans-Christian Pape, Direktor des Instituts für Physiologie I der Medizinischen Fakultät und Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung:

Alexander von Humboldt steht für mich für die Förderung der besten Talente in der Wissenschaft, in allen Ländern der Welt. Dabei geht es zum einen um die Förderung der Person und deren wissenschaftlicher Freiheit, zum anderen um deren Vernetzung über Grenzen hinweg – nationale, fachdisziplinäre und andere Grenzen. Denn: Wissenschaftliches Wissen wird im transnationalen Verbund erzielt, und Regeln guter wissenschaftlicher Praxis greifen im internationalen Kontext. Die Internationalisierung ist gleichsam Notwendigkeit wie Triebfeder der Wissenschaft und ihrer Akteure. Wissenschaft ist ein Modell für Internationalität, ein Vorbild für internationale Verbünde – für stabile und nachhaltige Netzwerke, die nicht durch Protektionismus, Beschränkungen oder kurzfristige einseitige Aufkündigungen Schaden nehmen können. Diese Kombination – Exzellenz des Einzelnen und stabile Verbindung aller Einzelnen über Grenzen hinweg in einem internationalen Netzwerk mit hohem Mehrwert – entspricht dem Humboldt-Ideal. Und genau diese Kombination macht die Philosophie der Alexander von Humboldt-Stiftung stark und einzigartig.

Prof. Dr. Ryan Gilmour, Organisch-Chemisches Institut:

Alexander von Humboldt – ebenso wie die nach ihm benannte Stiftung – steht für wissenschaftliche Exzellenz und höchste Integrität. Dies zieht sich durch die Fachrichtungen und einzelnen Fächer, und zwar in einem solchen Maß, dass die Humboldt-Stiftung dauerhaft Teil des akademischen Lebens geworden ist und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb von Deutschland, aber auch international vernetzt. Es überrascht nicht, dass dieser berühmte Mann und angesehene Visionär weitgehend zu einem Markenzeichen geworden und ein Meister der Grundlagenforschung ist. Wenn wir Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt feiern, ist es wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass das Humboldt‘sche Vermächtnis in Deutschland sozusagen eine Familienangelegenheit ist: Auf Alexanders Bruder Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand von Humboldt geht schließlich das Humboldt‘sche Bildungsideal zurück. Das Vermächtnis beider Brüder beeinflusst und bereichert weiterhin die Gesellschaft - sowohl in Deutschland als auch international. (Aus dem Englischen übersetzt von der Supportstelle Englisch.)

Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel, Humboldt-Professorin, Institut für Jüdische Studien:

1819 wurde der Verein für die Wissenschaft des Judentums gegründet, der in erster Linie mit dem Berliner Juden Leopold Zunz assoziiert wird. Alexander von Humboldt pflegte nicht nur enge Beziehungen zu Juden in den Berliner Kreisen der Aufklärung, zu Angehörigen der Familie Mendelsohn und dem Salon von Henriette Herz, sondern war auch mit Zunz selbst bekannt. Ein Briefwechsel aus den 1830er Jahren deutet auf Humboldts Unterstützung der jungen Disziplin hin (ich danke Liliane Weissberg, University of Pennsylvania für diese Information). Damit erhält die Alexander-von-Humboldt-Professur für „Jüdische Studien“ eine zusätzliche, spannende Dimension.

Prof. Dr. Michael Weiss, Professor für Topologie am Mathematischen Institut und Inhaber der ersten Humboldt-Professur an der WWU:

Alexander von Humboldt hat betont, dass er als Wissenschaftler mehr von Pflichtgefühl als von persönlichem Ehrgeiz getrieben wurde. Weil er sich so viel Zeit für seine Korrespondenz nahm, nimmt man es ihm ab. Wissenschaftler sollen gewisse Pflichten gegenüber ihrer Generation wahrnehmen, das war etwa sein Reden. In meinem Fach kann es nicht immer so funktionieren; trotzdem ist es ein Grundsatz, der einem Mut macht in Zeiten des Zweifels. Wollte er mehr Erschließer sein, oder war es ihm auch wichtig, Unwiederbringliches für die Nachwelt aufzuzeichnen? Er hat viel Unwiederbringliches aufgezeichnet, hat aber auch die „eine Welt“ mit heraufbeschworen, in der wir nun leben dürfen und müssen.

Prof. Dr. Gerald Wood, Institut für Geographie:

Alexander von Humboldt ist insofern von besonderer Bedeutung für das Fach Geographie, als er die moderne wissenschaftliche Länderkunde begründete und mit seiner exakten Beobachtung der Natur und ihrer reflexiven Deutung eine neue Form von Geographie praktizierte und dieser damit als wissenschaftlicher Disziplin den Weg bereitete. Zudem bezog Alexander von Humboldt klare gesellschaftspolitische Positionen, indem er sich gegen Kolonialismus und für die Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen einsetzte. Auch wenn sich die Geographie als Hochschuldisziplin seit Alexander von Humboldt erheblich ausdifferenziert und eine größere Diversität erkenntnistheoretischer Positionen etabliert hat, bleiben die fächerübergreifende Suche nach Erklärungs- und Verstehenszusammenhängen und der gesellschaftspolitische Anspruch bis heute wesentliche prägende Merkmale des Fachs.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 5, 10. Juli 2019.

Links zu dieser Meldung