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Münster (upm)
Mehr als nur Ruheplätze: Susanne Wedlich (links) und Christine Thieleke testen die Holzliegen, von denen aus in der Abenddämmerung Fledermäuse beobachtet werden können.<address>© WWU - Michael Kuhlmann</address>
Mehr als nur Ruheplätze: Susanne Wedlich (links) und Christine Thieleke testen die Holzliegen, von denen aus in der Abenddämmerung Fledermäuse beobachtet werden können.
© WWU - Michael Kuhlmann

Eine neue Attraktion im Schlossgarten

Der Baum-Erlebnispfad beleuchtet das Ökosystem Baum und den Kreislauf des Lebens – eine Reportage

Wer den Schlossgarten Münster kennt, hat wohl auch diesen Veteranen bestaunt und vielleicht sogar dessen Lebensende verfolgt. Es ist eine mächtige Blutbuche, die mehr als 200 Jahre alt wurde. Doch auch Bäume leben nicht ewig, im Jahr 2015 musste die sterbende Blutbuche aus Sicherheitsgründen gefällt werden.

Seitdem ruht ihr Stamm eingezäunt auf einer Wiese hinter dem Schloss und darf zerfallen. So bietet sie noch immer einen beeindruckenden Anblick, hat sich mittlerweile aber auch zum Exponat gemausert. Die Blutbuche markiert die erste von acht Stationen des neuen und rund einen Kilometer langen Baum-Erlebnispfades der WWU, der sich durch den Schlossgarten schlängelt und das Ökosystem Baum von allen Seiten beleuchtet. Eine neue Attraktion mitten in der Stadt.

Ich will es genauer wissen und mache mich mit Christine Thieleke auf den Erlebnis-Weg – die Leiterin der Marketing-Abteilung ist für das von langer Hand geplante und bis ins Detail durchdachte Projekt verantwortlich.

Warum ist Totholz so wichtig? Wie klingen unterschiedliche Hölzer? Was genau verraten Baumringe? Diese und andere Fragen werden mithilfe von Texten, Grafiken und Fotos auf Infotafeln beantwortet. Kleine und große Besucher können ihr neu erworbenes Wissen immer wieder überprüfen und selbst Hand anlegen, etwa beim großen Xylophon mit acht verschiedenen heimischen Holzarten.

Neben der gestürzten Blutbuche steht ein Sichtrohr, das auf eine kleine Baumgruppe jenseits des Veteranen ausgerichtet ist. Zu sehen sind von Spechten gezimmerte Höhlen, in denen sie (oder andere Tiere) nisten. Mit etwas Glück lassen sich Grün- und Buntspechte aus der Ferne beobachten – wenn sie sich denn blicken lassen.

Doch so intensiv wir auch spähen und Ausschau halten, wir bekommen keine Spechte zu sehen oder zu hören. Die Vögel machen sich rar, sie sind an diesem strahlend schönen Tag wohl lieber ausgeflogen. Das macht nichts, wir haben schließlich noch einige Stationen vor uns.

Zuerst ahmen wir den Trommelwirbel des Spechts nach, indem wir einen abgerundeten Holzstock an der Mitmach-Station über eine gekerbte Holzkante rattern lassen. Und wir finden Zeit, über das Projekt zu sprechen. „Die Idee, das Profil des Schlossgartens zu schärfen und ihn als Naturdenkmal in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, haben die Gärtner des Schlossgartens an uns herangetragen“, berichtet Christine Thieleke. Aus dieser Anregung entstand Schritt für Schritt das Konzept für den Baum-Erlebnispfad.

Zwar ist die historisch bedeutende innerstädtische Grünanlage seit jeher ein Magnet für Münsteraner und Touristen mit durchgängig hohen Besucherzahlen. Doch diese Anziehungskraft ist auch der Nähe zum Residenzschloss und dem Botanischen Garten geschuldet. Das werde dem Schlossgarten nicht gerecht, befanden die Gärtner sowie letztlich auch die Universität und das Denkmalamt.

Der Baum-Erlebnispfad rückt die Vielfalt des Schlossgartens ins richtige Licht und unterfüttert sie mit Informationen zum „Ökosystem Baum“. Es geht um Umweltschutz, Nachhaltigkeit sowie Biodiversität, um die im und vom Holz lebenden Insekten sowie Tiere, Pflanzen und Pilze, die im Schlossgarten ihr Zuhause haben. Die Verantwortlichen anderer und beliebter Erlebnispfade lieferten dafür reichlich Inspirationen. „Wir haben uns beispielsweise mit Experten vom Baumwipfelpfad Rügen und vom Nationalpark Hainich in Thüringen ausgetauscht. Die Kollegen gaben uns wertvolle Anregungen“, sagt Christine Thieleke.

Gesucht war ein eigenes und maßgeschneidertes Konzept, bei dessen Entwicklung und Umsetzung Profis halfen. Dazu zählen das Team des Botanischen Gartens, die Baumexperten vom Grünen Zweig in Tecklenburg sowie das LWL-Museum für Naturkunde und der NABU Münster. Auch wer gut informiert ist in Sachen Ökosystem Baum, wird hinter dem Residenzschloss reichlich Neues erfahren. Ich lerne zum Beispiel, dass bestimmte Bienen- und Wespenarten hierzulande in abgestorbenem Holz überwintern und das Material für ihren Nestbau benötigen.

Und das neu erworbene Wissen schärft den Blick. Bei einer weiteren Station mit umgestürztem Stamm fallen uns zahlreiche Käfer mit leuchtend roten Flügeldecken auf. „Das sind sogenannte Scharlachrote Feuerkäfer“, erklärt Christine Thieleke. „Sie leben auf Totholz.“ Es ist die immer wiederkehrende und vielleicht wichtigste Botschaft des Erlebnispfades: Wenn Altes stirbt, kann neues Leben entstehen – und der Kreislauf des Lebens schließt sich.

Als neue Baumexperten machen wir bei der „Fledermaus-Station“ auf speziellen Ruheliegen Pause. Es sind mit Holzlatten ausgekleidete Einbuchtungen auf zwei liegenden Baumstämmen. Die WWU kommt mit dem Baum-Erlebnispfad, zu dem auch Flyer, eine englische Broschüre, die Website www.wwu.de/baumerlebnispfad sowie Führungen gehören, ihrem öffentlichen Bildungsauftrag nach.

Es überrascht mich also nicht, dass auch die Holzliegen weit mehr als nur Ruheplätze sind. Als Beobachtungsposten lassen sie in der Abenddämmerung ein faszinierendes Schauspiel erleben. „Hier führt ein Fledermaus-Highway vorbei“, sagt Christine Thieleke. „Die Bäume lichten sich, und man hat die Chance, die Tiere von der Liege aus bei der Jagd zu sehen.“

Autorin: Susanne Wedlich

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