Routen der Reformation: Osnabrück

In der Bischofsstadt Osnabrück können früher als in anderen westfälischen Städten lutherische Einflüsse vermutet werden. So soll der Augustinermönch Gerhard Hecker hier schon 1521 im Sinne Luthers gepredigt haben. Inwieweit er dabei beabsichtigte, den Bewohnern Osnabrücks die neue Lehre zu vermitteln, ist unsicher, denn Hecker predigte nur innerhalb seiner eigenen Klostermauern im lutherischen Sinne.
Dennoch wurde schon 1525 von einer breiteren Schicht der Stadtbevölkerung die Einführung der neuen Lehre gefordert. Eine erste offizielle Etablierung erfuhr das Luthertum in der Stadt aber erst ab 1543 mit der Einführung einer Kirchenordnung. Die Niederlage der protestantiscvhPartei im Schmalkaldischen Krieg (1546/47) zwang den Fürstbischof Osnabrücks, Franz von Waldeck, die Reformation wieder zurückzunehmen, sodass die katholische Konfession wieder zum offiziellen Bekenntnis avancierte. Die neue Lehre konnte aber aus der Stadt nicht mehr verdrängt werden. Auch der Westfälische Friede am Ende des Dreißigjährigen Krieges, der die konfessionellen Streitpunkte klären sollte, brachte für Osnabrück keine zufriedenstellende Lösung des schwelenden Konfliktes. Folglich entstand im Fürstbistum eine für das Reich einzigartige Lösung — die Einführung der alternierenden Sukzession: Auf einen katholischen Fürstbischof folgte ein lutherischer Landesherr etc. In der Bischofsstadt selbst wurden beide Konfessionen gleichberechtigt anerkannt, weshalb sich auch heute noch zahlreiche Spuren aus der Zeit der Reformation im Stadtbild finden lassen.

Zur Reformationsgeschichte von Stadt und Fürstbistum Osnabrück.

  • St. Marien

    Die evangelische Marienkirche am Marktplatz in Osnabrück stammt in ihren Grundzügen aus dem 12. Jahrhundert. Sie wurde 1873–1884 umfassend renoviert und umgebaut, bevor sie 1944 aufgrund von Luftangriffen fast vollständig ausbrannte. Die Wiederherstellung nach Kriegsende fand in den Jahren 1948–1950 statt.

    Am 2. Februar 1543 führte Bischof Franz von Waldeck (*1491, †1553) die Reformation in Osnabrück offiziell ein: In der Marienkirche hielt Hermann Bonnus (*1504, †1548) eine lutherische Predigt und teilte das Abendmahl in beiderlei Gestalt aus.
    Aufgrund der schweren Bombenschäden finden sich im Inneren der Kirche nur noch wenige zeitgenössische Ausstattungsstücke. Interessant für die Routen der Reformation” ist der 1560 von Johann Brabender (*1498, †1562) aus Münster geschaffene Taufstein, der Szenen aus dem Leben Jesu Christi zeigt. Das achteckige, aus Sandstein gefertigte Taufbecken ist mit Reliefs verziert, die jeweils durch Säulen gegliedert und mit Darstellungen der Beschneidung und der Taufe Christi, der Kindersegnung sowie der Auferstehung versehen sind. Den Fuß des Taufsteins zieren die Symbole der Evangelisten. Brabenders Werk in einer zur Entstehungszeit längst lutherischen Kirche reiht sich ein in ein Oeuvre, das den wechselnden Bekenntnissen in der Stadt gerecht wird. Der westfälische Bildhauer unterschied nicht zwischen den Konfessionen seiner Auftraggeber. Während er den lutherischen Taufstein schuf, arbeitete Brabender gleichzeitig an einem Epitaph für den katholischen Dechanten von St. Johannis, Johannes Mellinghaus, der 1561 starb.

    St. Marien
    © IStG
    Taufstein von Johann Brabender (1560)
    © IStG
  • St. Katharinen

    Die zweite Stadtpfarrkirche Osnabrücks, St. Katharinen, wurde in der Nähe der städtischen Adelssitze errichtet. Baubeginn war um 1350, allerdings wurde das Vorhaben nach einer längeren Unterbrechung erst zum Ende des 14. Jahrhunderts weitergeführt. Die Kirche ist im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden; bei Bombenangriffen brannte das Innere des Langhauses und des Turmes 1945 vollständig aus. Einige Ausstattungsgegenstände konnten jedoch vor der Zerstörung gerettet werden. Für die Routen der Reformation” sind dabei vor allem drei überlebensgroße Ölgemälde interessant, die, wenn auch erst 1642 geschaffen, Martin Luther (*1483, †1546), Hermann Bonnus (*1504, †1548) und Johannes Pollius (*um 1490, †1562) darstellen und von dem Selbstbewusstsein der lutherischen Gemeinde zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zeugen.
    Bonnus und Pollius waren wichtige Personen der Osnabrücker Reformation. So führte Hermann Bonnus, der 1532/33 Luthers Bibel ins Niederdeutsche übersetzt hatte, unter Fürstbischof Franz von Waldeck 1543 die Reformation im Fürstbistum Osnabrück ein und arbeitete die Kirchenordnung für das Territorium aus. Johannes Pollius war in der Grafschaft Tecklenburg als Reformator tätig und zuletzt Superintendent an der Kirche St. Katharinen in Osnabrück.

    St. Katharinen
    © IStG
    Innenraum der St. Katharinen-Kirche
    © IStG
    Martin Luther (*1483, †1546), Bildnis von 1642
    © IStG
    Hermann Bonnus (*1504, †1548), Bildnis von 1642
    © IStG
    Johannes Pollius (*um 1490, †1562), Bildnis von 1642
    © IStG
  • Rathaus

    Das Rathaus der Stadt Osnabrück wurde in den Jahren 1487 bis 1512 erbaut. Zwischen 1643 und 1648 fanden hier und in Münster die Verhandlungen zum Abschluss des Westfälischen Friedens statt. In den zahlreichen Schnitzereien im Gestühl des heutigen Friedenssaales findet sich das Bekenntnis des Rates zum lutherischen Glauben: VDMIE – Verbum Domini Manet In Eternum (Das Wort des Herrn währt in Ewigkeit”). Obwohl das Rathaus wie die übrigen Gebäude der Osnabrücker Altstadt im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurden, gelang es, die 1554 angefertigte Ausstattung des Ratssaales rechtzeitig auszulagern und nach Kriegsende wieder einzupassen.

    Frontansicht des Rathauses
    © IStG
    Ratsgestühl (1554)
    © IStG
    Detail Ratsgestühl (1554)
    © IStG
  • Kulturgeschichtliches Museum / Felix-Nussbaum-Haus

    Die Ereignisse der Reformation sind auch ein Thema in der Dauerausstellung des Kulturgeschichtlichen Museums der Stadt Osnabrück. Die Institution geht auf die Initiative des 1879 gegründeten Museumsvereins zurück und ist noch immer in dem 1890 fertiggestellten Bau untergebracht.
    Die Reformation manifestierte sich nicht nur in den Sakralbauten der Stadt und ihren Ausstattungsgegenständen, wie bereits am Ratsgestühl des Osnabrücker Rathauses deutlich wurde. Die Zuwendung zur neuen Lehre hinterließ ihre Spuren auch im Alltag der gläubigen Menschen und ihren Alltagsgegenständen. Dies kann im Kulturgeschichtlichen Museum zum Beispiel anhand eines Mörsers nachempfunden werden, den sich der heute unbekannte Besitzer einst mit dem Bekenntnis zum lutherischen Glauben, der Akronym VDMIE – Verbum Domini Manet In Eternum (Das Wort des Herrn währt in Ewigkeit”) verzieren lassen hatte.

    Adresse und Öffnungszeiten

    Felix-Nussbaum-Haus und Kulturgeschichtliches Museum
    Lotter Straße 2
    49078 Osnabrück
    Tel. +49541 323-2207 / +49541 323-2237

    Öffnungszeiten
    Dienstag bis Freitag 11 – 18 Uhr
    Samstag und Sonntag/ Feiertag 10 – 18 Uhr
    Jeden ersten Donnerstag im Monat 11 – 20 Uhr

    Geschlossen
    montags, Karfreitag, 1. Mai, Heiligabend, 1. Weihnachtstag, Silvester, Neujahr

    https://www.osnabrueck.de/kgm/start/

    Felix-Nussbaum-Haus
    © Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück
    Mörser (1580)
    © Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück

Literatur

Orte der Reformation. Osnabrück, hrsg. v. Martin Jung u. Friedemann Pannen, Leipzig 2015, S. 47–53.

Karsten Igel, Osnabrück, Halle (Saale) 2015, S. 20–72.

Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, bearbeitet von Gerd Weiß, München, Berlin 1992, S. 1038–1060.