Routen der Reformation: Münster

Die Anfänge der Reformation in der Stadt Münster sind eng verknüpft mit der Person Bernhard Rothmanns (*1495, † nach 1535), denn vor seiner Zeit als theologischer Vordenker des münsterischen Täufertums war er Anhänger der lutherischen Lehre und predigte in deren Sinne. Er bekannte sich allerdings nie zum Augsburger Bekenntnis.
Nachdem in der Stadt ab 1531 erste Forderungen nach Einführung des neuen Bekenntnisses in der Bürgerschaft laut wurden, erlangten die Anhänger Luthers in der Ratswahl eine ausreichende Lobby, um die Einführung der Reformation in der Stadt voranzutreiben. Am 15. Juli 1532 wurde die lutherische Lehre von Rat anerkannt.
Anders als in den übrigen Städten Westfalens gelang es in Münster allerdings nicht, die Lehre Luthers langfristig durchzusetzen. Schon ein Jahr später, 1533, wandten sich Teile der Stadtbevölkerung den Täufern, einer radikal-reformatorischen Gruppierung, zu und forderten eine erneute Umbildung der Gottesdienste in der Stadt. Nachdem sich die Täufer in Münster durchsetzen konnten und sich in Erwartung des unmittelbaren Weltendes weiter radikalisierten, versuchte Fürstbischof Franz von Waldeck (*1491, † 1553) die Stadt einzunehmen und belagerte Münster ab dem Sommer 1534. Ein Jahr später fiel die Stadt und der Bischof beendete die Herrschaft der Täufer blutig.
Nach dem Ende der Täuferherrschaft konnte sich das Luthertum in Münster wieder teilweise etablieren, obgleich die Stadt offiziell wieder der katholischen Lehre zugehörig war und dieses auch bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und darüber hinaus bis heute größtenteils blieb.

Zur Reformationsgeschichte von Stadt und Fürstbistum Münster.

Von der Reformation in Münster zeugen – wenngleich diese in der Stadt keinen langfristigen Erfolg hatte – nicht nur die Täuferkäfige an der Lambertikirche. Doch im Kontext des Reformationsgeschehens hat das Kapitel der Täuferherrschaft die meisten Spuren in der Stadt hinterlassen. In den Käfigen an der Lambertikirche waren die Leichname der hingerichteten Anführer dieser Bewegung zur Mahnung ausgestellt worden; sie prägen das Stadtbild bis heute. Daneben lassen sich aber auch die Narben der Bilderstürme der Täufer in den Kirchen Münsters entdecken. „Leerstellen“ finden sich an der Überwasserkirche oder der Ludgerikirche, zerstörte Heiligenfiguren von den Kirchenportalen können – nachdem sie etliche Jahrhunderte im Erdreich verborgen waren – in den Ausstellungsräumen des Stadtmuseums oder auch des LWL-Museums für Kunst und Kultur am Domplatz besichtigt werden.
Die Ludgerikirche beweist mit einer Inschrift am Südportal, dass das Ende des Täuferreichs keinesfalls das Ende der Reformation für Münster bedeutete, sondern dass auch nach 1535 lutherische Gemeinden in Münster wirken konnten. Gleiches gilt für das Epitaph Ludger tom Rings d. Ä., das sich in der Überwasserkirche befindet. Ein Andenken an die Toten mit einem lutherischen Bildprogramm war 1548 in Münster keinesfalls undenkbar.
Die Spuren der Reformation in Münster zeugen von einer rasanten Epoche in der Geschichte der Stadt.

  • St. Ludgeri

    Von der frühen lutherischen Reformation sind keine künstlerischen Spuren in den Kirchen Münsters erhalten. Auch in St. Ludgeri, wo ab dem 30. März 1533 das Abendmahl in beiderlei Gestalt ausgeteilt wurde, verweist das früheste Zeugnis der Reformation auf das Wirken des münsterischen Bildersturms: Der Taufstein aus Baumberger Sandstein zeigt Spuren der Verwüstung durch die Anhänger der Täuferbewegung, die am 14. April 1533 in den Kirchen Münsters stattfand. Auf dem achteckigen pokalförmigen Stein, der um 1500 gefertigt worden war, fanden sich ursprünglich sechs Darstellungen aus der Heilsgeschichte. Diese sind durch die Täufer beschädigt worden; Fuß und Platte mussten anschließend erneuert werden.
    Ein eindeutigeres Bekenntnis zur Reformation findet sich am Südportal des Kirchenschiffes mit der Inschrift V.D.M.I.E. – Verbum Domini Manet In Eternum (Das Wort des Herrn währt in Ewigkeit”)  – dem Wahlspruch der Reformation. Die Datierung 1537 zeigt aber, dass es sich um die Zeit der Wiederherstellung der protestantischen Gemeinde nach der Niederschlagung der Täufer handelt. Offensichtlich wurde in Ludgeri im Sinne Luthers für die verbliebenen und zurückgekehrten gemäßigteren Protestanten gepredigt.

    St. Ludgeri Münster
    St. Ludgeri Münster
    © IStG
    St. Ludgeri Münster, Südportal: V.[erbum] D.[omini] M.[anet] I.[n] E.[ternum] Anno Domini 1537
    St. Ludgeri Münster, Südportal: V.[erbum] D.[omini] M.[anet] I.[n] E.[ternum] Anno Domini 1537
    © IStG
    Taufstein St. Ludgeri (1500)
    Taufstein in der Ludgerikirche (1500) mit Darstellungen aus der Heilsgeschichte und Beschädigungen durch den täuferischen Bildersturm
    © IStG
    Detail Taufstein St. Ludgeri
    Taufstein in St Ludgeri (1500) - Die abgeschlagenen Gesichter zeugen vom täuferischen Bildersturm 1533.
    © IStG
  • St. Lamberti
    Täuferkäfige am Turm von St. Lamberti
    © IStG

    St. Lamberti

    Die Käfige am Kirchturm von St. Lamberti prägen das münsterische Stadtbild – beinahe ununterbrochen – seit 1536, als dort die Leichname der hingerichteten Anführer der Täufer öffentlich ausgestellt wurden. Zwischenzeitlich waren die Käfige nur zu Restaurierungszwecken oder bei Beschädigungen des Kirchturms abgenommen und auch nach der Neugestaltung der Turmspitze zum Ende des 19. Jahrhunderts dort wieder angebracht worden.
    Derartige Käfige oder Körbe dienten zur Strafverschärfung der Verurteilten und waren im Münster des 16. Jahrhunderts verbreitet. Ähnliche Objekte fanden sich am Zwinger oder am Mauritztor, erlangten jedoch nicht die Bekanntheit der Täuferkäfige am Lambertikirchturm.

  • Schaufenster LWL-Museum für Kunst und Kultur
    Von den Täufern zerstörte Skulpturen - heute im Schaufenster des LWL-Museums für Kunst und Kultur
    © IStG

    LWL-Museum für Kunst und Kultur

    Spuren der Täufer sind auch in den Museen der Stadt erhalten. Während die leeren Podeste am Portal der Überwasserkirche indirekt auf den Bildersturm der Täufer verweisen, sind im LWL Museum für Kunst und Kultur am Domplatz die von den Täufern zerschlagenen und in den Wallanlagen der Stadt eingegrabenen Figuren aus eben jenem Portal verwahrt. Damit zeugen nicht die Figuren selbst, sondern vor allem ihre Entfernung vom ursprünglichen Standort sowie ihre Zerstörung vom Wirken der Täufer in der Stadt.

    Öffnungszeiten und Adresse

    LWL-Museum für Kunst und Kultur

    Öffnungszeiten
    Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 10–18 Uhr

    LANGER FREITAG
    Am zweiten Freitag im Monat ist das Museum bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist an diesem Tag frei.

    Rosenmontag, Heiligabend, 1. Weihnachtstag und Silvester ist das Museum geschlossen.

    Domplatz 10
    48143 Münster
    Tel. +49 251/5907 01
    Fax +49 251/5907 210
    www.lwl.org/LWL/Kultur/museumkunstkultur/

  • Kabinett 7 im Stadtmuseum Münster. Das Königreich der Täufer
    © Stadtmuseum Münster

    Stadtmuseum Münster

    Das Stadtmuseum Münster zeigt die Geschichte der westfälischen Metropole von den Anfängen als frühmittelalterliche Klostersiedlung bis zur Gegenwart als Stadt der Wissenschaft und Lebensart. Das Kernstück des Museums ist die Schausammlung, in der Stadtmodelle und Originalobjekte die über 1200-jährige Geschichte Münsters veranschaulichen. Im ersten Obergeschoss der chronologisch aufgebauten Sammlung können Besucherinnen und Besucher drei Kabinette besichtigen, die sich mit der Herrschaft der Täufer und der Reformation im 16. Jahrhundert beschäftigen.
    Mithilfe von zeitgenössischen Exponaten und Nachbildungen wird diese einschneidende Epoche innerhalb der münsterischen Stadtgeschichte greifbar.

    In Kabinett 5 erinnert die Darstellung „Die vier apokalyptischen Reiter“ von Albrecht Dürer an die weit verbreitete Krisen- und Endzeitstimmung im ausgehenden 15. Jahrhundert. Getragen von dieser Atmosphäre konnten 1517 die 95 Thesen von Martin Luther eine breite Reformbewegung entfachen, die in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre auch Münster erreicht hatte.

    Kabinett 6 behandelt die Tauflehre – eine der zentralen theologischen Streitfragen der Reformation. In diesem Meinungsstreit bildete sich neben der traditionellen Lehre um dieses Sakrament der katholischen Kirche und der Lehre Luthers (Kindstaufe) auch das radikalere Taufverständnis der Täuferbewegung heraus (Glaubens- oder Erwachsenentaufe), nach dem die Kindstaufe abgelehnt wurde.

    Mit der Belagerung und der Einnahme der Stadt Münster im Jahr 1535, hervorgerufen durch die Radikalisierung der Täufer und das Ausrufen ihres Königreiches, beschäftigt sich Kabinett 7. Im Stadtmuseum sind die Zangen zu sehen, mit denen die Täufer gefoltert wurden. Außerdem werden Kopien der Körbe gezeigt, die 1888 die Originalkörbe an der Lambertikirche ersetzen sollten.

    Öffnungszeiten und Adresse

    Stadtmuseum

    Öffnungszeiten
    Dienstag bis Freitag 10–18 Uhr,
    Samstag, Sonn- und Feiertag 11–18 Uhr,
    Montags geschlossen

    Stadtmuseum Münster
    Salzstraße 28
    48143 Münster
    Tel. +49 251/4 92-45 03
    Fax +49 251/4 92-77 26
    www.stadtmuseum-muenster.de

  • Epitaph tom Ring Farbe
    Epitaph für Ludger tom Ring d. Ä. (†1547) von 1548
    © IStG

    Überwasserkirche

    Ein frühes Zeugnis für das lutherische Bekenntnis in Münster ist das Epitaph für den münsterischen Maler Ludger tom Ring d. Ä. († 1547). Dieser unterstützte die Reformation in Münster etwa bei der Ratswahl und als Partner des münsterischen Buchdruckers Tzwvfel. 1534 musste er vor den Täufern fliehen, kehrte 1536 aber in die Stadt zurück. Seine Gedenktafel in der Überwasserkirche von Münster aus dem Jahr 1548, angefertigt von seinem Sohn Hermann, zeigt ihn, seine Frau Anna tom Ring (geb. Rorup) und deren acht Kinder. Die Familie steht hinter zwei Schrifttafeln, die die Zehn Gebote in niederdeutscher Sprache wiedergeben, auf die der verstorbene Künstler mit seinem Finger verweist. Im Hintergrund sind der Empfang der Gesetzestafel durch Moses und der Tanz um das goldene Kalb zu sehen. Im unteren Bildteil sitzen zwei Putten die Wappenschilde der Eheleute haltend auf einem Altar. Die dort angebrachte Inschrift verweist darauf, dass Gott den Verstorbenen und seine Familie sowie „uns alle“ in seine Gewalt (GWALT) nehmen werde. Heilige und Aufruf zum Gebet fehlen. Der Tanz um das goldene Kalb lässt sich als kritischer Verweis auf die katholische Kirche mit der Verehrung von Heiligen und einem überhöhten Papsttum interpretieren.

Literatur

Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 294.

Hubertus Lutterbach, Das Täuferreich von Münster, Münster 2008, S. 94.