„Wie ist die moderne Welt entstanden?“

Internationale Tagung in Berlin zur Rolle der Religion bei der Entstehung der Moderne

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International renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befassen sich auf einer Tagung des Exzellenzclusters vom 10. bis 12. Mai 2018 in Berlin mit den Ursprüngen der Moderne. Die Forscherinnen und Forscher nehmen besonders in den Blick, welche Rolle der Religion bei der Herausbildung der Moderne zukommt. Die Tagung trägt den Titel „Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion? Eine Bestandsaufnahme/ The birth of modernity from the spirit of religion? A survey of the current situation“. Die Organisatoren, Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack und Historiker Prof. Dr. Matthias Pohlig, stellen damit eine ebenso alte wie aktuelle Frage, um die es still geworden ist. „In der sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschung der Gegenwart scheint eine gewisse Scheu vorzuherrschen, Langfristperspektiven zu verfolgen und mit großen Erzählungen aufzuwarten“, schreiben die Forscher im Tagungsprogramm. Modernisierung sei zum „perhorreszierten und pejorativen Begriff“ geworden – auch weil die älteren Modernisierungstheorien zu eindeutige, lineare oder gar teleologische Linien gezogen hätten. Doch das Problem, auf das diese Modernisierungstheorien reagiert haben, sei weder gelöst noch verschwunden: „Die Frage, in welcher Welt wir leben und wie diese Welt entstanden ist, treibt uns immer noch um.“

Eine Auseinandersetzung mit der Frage nach den Ursprüngen der Moderne kommt nach den Worten der Wissenschaftler nicht um das Werk Max Webers herum. Mit der von ihm aufgeworfenen Frage nach den religiösen Wurzeln des Kapitalismus steht eine paradigmatische Formulierung des genetischen Zusammenhangs von Religion und Moderne im Raum. Auch andere Moderne-Theorien fokussieren in besonderer Weise auf Religion, wie Niklas Luhmann, Hans Blumenberg und Charles Taylor. Entstand die Moderne, weil die Bedeutung von Religion abnahm, oder waren die Auseinandersetzungen mit Religion ein Motor der Moderne?

Die Tagung soll sichten, welche Hypothesen und Vorschläge, welche gedanklichen Konzepte und Teilforschungen vorliegen und welche Probleme im Umgang mit diesen großen Fragen derzeit in der Soziologie, der Geschichtswissenschaft und benachbarten Wissenschaften diskutiert werden. Es geht also um eine Bestandsaufnahme möglicher Modernetheorien mit besonderem Blick auf die Rolle, die in ihnen jeweils Religion spielt. (exc/sca/vvm)

Hinweis: Tagung „Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion? Eine Bestandsaufnahme/ The birth of modernity from the spirit of religion? A survey of the current situation“

10. bis 12.05.2018
Hotel Aquino | Tagungszentrum Katholische Akademie
Hannoversche Straße 5b
10115 Berlin

Anmeldung:
Um Anmeldung bis zum 30.04.2018 wird gebeten bei: Angelika Reerink | areer_01@uni-muenster.de

Programm

Donnerstag, 10. Mai 2018
14.00–14.30 Einführung
Matthias Pohlig, Berlin; Detlef Pollack, Münster
Sektion 1: Religion in der Frühen Neuzeit – auf dem Weg in die Moderne?
14.30–16.00 Moderation | Matthias Pohlig, Berlin

Constraining Christianity and Inventing Religion: The Reformation Era and Western Secularization
Brad S. Gregory, Notre Dame (USA)

Protestantism, Disenchantment, and the Birth of Modernity: A Reassessment Diskussion
Carlos Eire, Chicago

Sektion 2: Aufklärung, Sattelzeit, Moderne – und Religion?
16.30–18:00 Moderation | Matthias Pohlig, Berlin

The Organization of Enlightenment: From Closed to Open Systems
Jonathan Sheehan, Berkeley

Weltverbesserung oder existentielle Steigerung? Säkulare und religiöse Zukunftserwartungen in der Formierungsphase der Moderne
Daniel Fulda, Halle

Kommentar | Barbara Stollberg-Rilinger, Münster

Freitag, 11. Mai 2018
Sektion 3: Was ist die Moderne – und wie ist sie entstanden? Soziologische und philosophische Perspektiven
09.00–10.30 Moderation | Detlef Pollack, Münster

Religion und Moderne: Historische Genese und heutige Struktur
Thomas Schwinn, Heidelberg

Der Beitrag der Religion zur Entstehung einer funktional differenzierten Gesellschaft
Rudolf Stichweh, Bonn

11.00–13.00 Moderation | Detlef Pollack, Münster

Islam und funktionale Differenzierung
Wolfgang Ludwig Schneider, Osnabrück

The Historical Co-Construction of Religion and Modernity: Causality, Correlation, Contingency
Peter Beyer, Ottawa

Anbruch einer Zweiten Achsenzeit: Zur Genese der Moderne durch religiöse Reformen und philosophische Innovationen
Hans Schelkshorn, Wien

Kommentar | Hartmann Tyrell, Bielefeld

Sektion 4: Gegenperspektiven: Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte
14.30–16.00 Moderation | Barbara Stollberg-Rilinger, Münster

Religion, Wissen und Wissenschaft. Physikotheologie, Frühaufklärung und Pietismus im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
Kaspar von Greyerz, Basel

Puritanismus und Naturwissenschaft: Von Cotton Mather zu Benjamin Franklin
Christopher Voigt-Goy, Mainz

16.30–18.00 Moderation | Ludwig Siep, Münster

Konfessionelle Orientierung und ökonomische Rationalität bei rheinisch-westfälischen Unternehmern in vor- und frühindustrieller Zeit
Stefan Gorißen, Bielefeld

Religion in der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung Europas, 1500–1900: eine Übersicht
Ulrich Pfister, Münster

Samstag, 12. Mai 2018
Sektion 5: Noch einmal: Frühe Neuzeit, Säkularisierung und Religion?
09.00–10.30 Moderation | Hartmann Tyrell, Bielefeld

Die Bedeutung der 'Reformation' für die 'Moderne'. Zwischen Geschichtstheologie und Dekonstruktion
Anselm Schubert, Erlangen-Nürnberg

Die Moderne als Projektion und Problem des Protestantismus Diskussion
Albrecht Beutel, Münster

11.00–12.00 Schlussdiskussion | Kommentar Ludwig Siep, Münster