„Christliche Gottesvorstellung ist komplex“

Religionswissenschaftler und Theologe diskutieren göttliche Dreifaltigkeit

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Prof. Dr. Michael Beintker und Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig (v.l.)

© han

Über die christliche Gottesvorstellung von einem dreieinigen Gott haben der evangelische Theologe Prof. Dr. Michael Beintker vom Exzellenzcluster und der Saarbrücker Religionswissenschaftler Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig in der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“ diskutiert. Prof. Ohlig gab in der Veranstaltung des Exzellenzclusters und der Evangelisch-Theologischen Fakultät einen theologiegeschichtlichen Überblick über die Entstehung des Denkmodells von der Trinität Gottes. Anhand philosophischer und biblischer Texte legte er dar, wie aus dem unitarischen Monotheismus, den das frühe Christentum vom Judentum übernahm, eine Trinitätslehre entstehen konnte. Prof. Beintker erläuterte aus Sicht der systematischen Theologie die Gottesvorstellung von der Dreifaltigkeit aus Vater, Sohn und heiligem Geist. Die beiden Wissenschaftler diskutierten anschließend über die Aktualität des Konzepts.

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Ton-Mitschnitt der Diskussion

Die geschichtlichen Wurzeln des trinitarischen Denkens verortete Prof. Ohlig in der Begegnung des frühen jüdischen Glaubens an einen Gott mit hellenistischen Gottesvorstellungen im 2. Jahrhundert vor Christus. „Während Jahwe ein personaler, handelnder Gott war, glaubten die Hellenisten an ein sachhaftes göttliches Prinzip, dem man keine konkreten Handlungen wie die Weltschöpfung unmittelbar zuschreiben konnte.“ Der trinitarische Gedanke sei für hellenistisch geprägte Juden und später auch Christen notwendig gewesen, um beide Vorstellungen miteinander zu verbinden. „Anders konnten sie ihren Glauben nicht vertreten.“

Das frühe Christentum übernahm diese Gottesvorstellung und fügte im 2. Jahrhundert nach Christus die Vorstellung vom Heiligen Geist hinzu, wie der Religionswissenschaftler ausführte. Das binitarische Denkmodell wurde zum trinitarischen Konzept. Im 3. Jahrhundert nach Christus fasste erstmals der Theologe Origenes von Alexandrien die Dreieinigkeit als „ein ewiges, Gott immer immanentes Phänomen“ auf. Das erste Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 schrieb schließlich dogmatisch fest, dass auch „der Heilige Geist in vollem Umfang göttlich“ sei.

Aktualität der Trinitätslehre

Prof. Beintker hob hervor, die Trinitätslehre könne helfen, sich Gott konkreter vorzustellen. „Er begegnet den Menschen als Schöpfer und Vater, er wendet sich ihnen zu als Sohn, und er wirkt in der Mitte der christlichen Gemeinde als Heiliger Geist.“ Erst eine solche Vorstellung „von den drei Zuwendungsformen des einen Gottes“ könne „den Reichtum und die Dynamik der göttlichen Wirklichkeit“ angemessen abbilden, so der evangelische Theologe. Die Gottesvorstellung des Christentums sei durchaus komplex: „Auch wenn die Trinitätslehre uns denkerisch herausfordert, kann sich Gott uns in seiner Vielfältigkeit auf diese Weise leichter erschließen.“ Das gelte auch für die heutige Zeit, unterstrich der Theologe in der Diskussion über die Aktualität des Trinitätskonzeptes.

Die Vorstellung der Dreieinigkeit könne auch deshalb modernen Christen in ihrem Glauben helfen, weil sie sich eng mit der Liebe verbinde, so Prof. Beintker. „Es braucht einen Liebenden, einen Geliebten und die Liebe, in der beide verbunden sind“, sagte er mit Verweis auf ein Gleichnis des Kirchenvaters Aurelius Augustinus (354-430). Diese drei Komponenten ließen sich auch in der Trinität Gottes als Vater, Sohn und Heiligem Geist wiederfinden, so der Theologe. „Gott ist die Liebe, das ist zentral in der Bibel und zugleich der knappste Gottesbegriff.“ Der Theologe hob hervor, dass sich die verschiedenen Ausdrucksformen Gottes bereits im Alten und Neuen Testament finden ließen, auch wenn sie dort noch nicht als Trinitätslehre formuliert seien. Als Beispiel nannte er die triadische Formel im Taufbefehl Jesu „Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ (Mt. 28,19)

Prof. Ohlig plädierte hingegen dafür, dass das Christentum heute wieder mehr den unitarischen Monotheismus mit einem einheitlichen Gott in den Vordergrund stelle und das trinitarische Denken aufgebe. „Das trinitarische Reden war damals notwendig, damit die Hellenisten Christen werden konnten. Aber wir sind keine Griechen mehr. Wir denken heute anders“, sagte der Religionswissenschaftler. Auch wenn die Vorstellung vom dreieinigen Gott kirchliche Riten und Gottesdienstformen seit der Alten Kirche stark geprägt habe, mache die Dreieinigkeit den Gottesglauben nach Einschätzung des Wissenschaftlers „unnötig kompliziert“.

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© wikipedia, R. Wölk

Veranstaltungsreihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“

Die Diskussion trug den Titel „Monotheismus – Polytheismus – Trinität?“. Moderator war der evangelische Theologe Prof. Dr. Hans-Peter Großhans vom Exzellenzcluster. Das nächste Streitgespräch am Dienstag, 20. Mai, befasst sich unter dem Titel „Neurologie und Kognitionswissenschaft: Entsteht die Religion im Gehirn?“ mit medizinwissenschaftlichen Forschungen zur Religion. Es diskutieren der Neurobiologe Prof. Dr. Robert-Benjamin Illing aus Freiburg und der evangelische Theologe Prof. Dr. Dirk Evers aus Halle. Die Moderation übernimmt der evangelische Theologe Prof. Dr. Traugott Roser aus Münster.

In der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“ diskutieren im Sommersemester Theologen und Nicht-Theologen aktuelle Themen wie Hirnforschung, Wirtschaftsethik und Friedenspolitik. Veranstalter sind der Exzellenzcluster und die Evangelisch-Theologische Fakultät. Die Streitgespräche sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr in Hörsaal F1 im Fürstenberghaus am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Das Format trägt den Untertitel „Disputationen zwischen Theologie, Natur- und Gesellschaftswissenschaften“. (han/vvm)