„Eine Gründungsurkunde der Moderne“

Musikwissenschaftler Wolfram Steinbeck über Richard Wagners „Kunstwerk der Zukunft“

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Prof. Dr. Wolfram Steinbeck

© bhe

Über apokalyptische Vorstellungen und die Utopie einer besseren Welt im Werk des Komponisten Richard Wagner (1813-1883) hat der Kölner Musikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfram Steinbeck in der Ringvorlesung „Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“ des Exzellenzclusters gesprochen. Er befasste sich darin mit dem vierteiligen Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“, der 1876 uraufgeführt wurde und den Wagner selbst als „Kunstwerk der Zukunft“ apostrophiert habe. Unter demselben Titel hatte der Künstler 1849 eine kunst- und musiktheoretische Schrift verfasst. „Das Opernwerk, das schon bald nach den ersten Aufführungen zu den geschichtswirksamsten Musikdramen des 19. Jahrhunderts avancierte, bündelt inhaltlich geradezu modellhaft das Thema der Ringvorlesung: die Beschwörung eines apokalyptischen Weltenendes und die Utopie einer besseren Welt“, sagte der Professor für Historische Musikwissenschaft.

Das Werk sei vom Ende her konzipiert und müsse auch vom Ende her gelesen werden, erläuterte Prof. Steinbeck. Das Hauptproblem liege in der Frage, wie sich ein episch erzählter Mythos ins Musikdramatische und in Bühnenhandlung umsetzen lasse. Der Wissenschaftler erläuterte dazu Wagners eigene umfangreiche theoretische Erörterungen, unter anderem in der Schrift „Kunstwerk der Zukunft“, sowie verschiedene Mittel zur dramatischen Gestaltung des Textes und seiner Vertonung. Als Beispiele dafür nannte der Referent unter anderem den Stabreim, die „musikalische Prosa“ und die Leitmotivtechnik. „Wagners Opus magnum mag heute vielen als allzu deutschtümelnd erscheinen“, so Prof. Steinbeck. „Die kompositorische Realisierung jedoch – heftig umstritten zu ihrer Zeit – darf ohne zu übertreiben zu den Gründungsurkunden der Moderne gerechnet werden.“

Der Vortrag trug den Titel „Welterlösungsutopien: Richard Wagner und ,Das Kunstwerk der Zukunft‘“. Prof. Dr. Wolfram Steinbeck ist emeritierter Professor für Historische Musikwissenschaft der Universität Köln. Zu seinen Forschungsgebieten zählen die musikalische Romantik und Moderne, die Symphonik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und die Rezeptionsgeschichte des 19. Jahrhunderts.

„Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“

Plakat der Ringvorlesung „Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“

Plakat

© Foto: fuyu liu, Shutterstock.com

Die Ringvorlesung, die das Habilitandenkolleg des Forschungsverbunds organisiert, widmet sich der Geschichte apokalyptischen und utopischen Denkens von der Antike bis heute und untersucht, wie religiöse und politische Elemente in Zukunftsvisionen verwoben sind. In der Ringvorlesung kommen Vertreter verschiedener Fächer zu Wort: aus der Geschichts-, Rechts- und Politikwissenschaft, Philosophie, Theologie, Archäologie, Ägyptologie und Kulturwissenschaft.

Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den nächsten Vortrag am 16. Dezember hält der Philosoph Prof. Dr. Andreas Urs Sommer aus Freiburg zum Thema „Utopische Geschichtsphilosophie – geschichtsphilosophische Utopik“. (bhe/vvm)


Ringvorlesung „Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“

Wintersemester 2014/2015
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster