Die Ausdifferenzierung von Religion und Politik
Interdisziplinäre Tagung über soziologische Annahmen und historische Befunde
„Die Ausdifferenzierung von Religion und Politik“ steht im Mittelpunkt einer Tagung am Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Vom 14. bis zum 16. April stellt sie eine der heute am häufigsten kritisierten Meistererzählungen der klassischen Moderne auf den Prüfstand: die Säkularisierungsthese. Dieser Test aus empirischer und theoretischer Sicht soll dabei nicht im interkulturellen sondern im historischen Vergleich erfolgen. Organisiert wird die Tagung von Prof. Dr. Karl Gabriel vom Cluster-Projekt C11 („Gewaltverzicht religiöser Traditionen“), von Dr. habil. Christel Gärtner, Nachwuchsgruppenleiterin an der Graduiertenschule des Exzellenzclusters, sowie von Prof. Dr. Detlef Pollack (Projekt C21: „Die Legitimität des religiösen Pluralismus“). Am Donnerstag, dem 14. April, spricht der Soziologe Prof. Dr. Hans Joas (Freiburg/Chicago) über „Gefährliche Prozessbegriffe: Eine Warnung vor der Rede von Differenzierung, Rationalisierung und Modernisierung“. Die öffentliche Abendvorlesung findet um 20.00 Uhr im Hörsaal F5 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 statt.
Die Säkularisierungsthese gehört zum Kernbestand soziologischer Theorieentwürfe. In den letzten Jahren und Jahrzehnten nimmt jedoch die Kritik an ihren Grundannahmen zu. In Frage gestellt werden nicht nur ihr teleologischer und deterministischer Charakter und ihre normativen und eurozentrischen Implikationen. Kritik wird auch an ihren empirischen Behauptungen und ihren theoretischen Voraussetzungen und dabei insbesondere am Theorem der funktionalen Differenzierung geübt.
Die Referenten der Tagung stellen jeweils einem soziologischen Impuls eine historische Analyse zur Seite. Sie soll aufzeigen, auf welche Art und Weise sich das Verhältnis von Religion und Politik in den vergangenen Jahrhunderten verändert hat und ob es in der Tat berechtigt ist, von einer zunehmenden Differenzierung der beiden sozialen Sphären zu sprechen. (bhe)
Programm
Donnerstag, 14. April, Stadthotel Münster (Aegidiistraße 21) |
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14:00 Uhr |
Einführung in das Thema |
Christel Gärtner, Münster |
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Erster Analyseschritt: Der Investiturstreit (1056-1122) |
Moderation: Karl Gabriel, Münster Kommentar: Otto Gerhard Oexle, Göttingen |
Soziologischer Impuls | Der Investiturstreit und seine Folgen – Differenzierung und Säkularisierung? |
Hartmann Tyrell, Bielefeld |
Historische Analyse | Libertas ecclesiae: Anfänge der Säkularisierung im Investiturstreit? |
Gerd Althoff, Münster |
Gregor VII. und die Könige: Auf dem Weg zur Hierokratie? |
Wilfried Hartmann, Tübingen | |
Von der Säkularisierung zur Desakralisierung: Ausdifferenzierung in Theologie, Recht und Politik im Spätmittelalter |
Sita Steckel, Münster/Cambridge, MA | |
20:00 Uhr |
Abendvorlesung Gefährliche Prozessbegriffe: Eine Warnung vor der Rede von Differenzierung, Rationalisierung und Modernisierung (Fürstenberghaus, Hörsaal F5) |
Hans Joas, Freiburg/Chicago |
Freitag, 15. April, Stadthotel Münster (Aegidiistraße 21) | ||
9:00 Uhr |
Zweiter Analyseschritt: Das Konfessionelle Zeitalter (16./17. Jahrhundert) |
Moderation: Detlef Pollack, Münster Kommentar: Barbara Stollberg-Rilinger, Münster |
Soziologischer Impuls |
The Confessional Era: A Secular Age? |
Philip S. Gorski, Yale University |
Historische Analyse | The attack on or also the era of the end of the Constantinian epoch of the Christian Church? |
Robert von Friedeburg, Rotterdam |
Strafpredigten: Recht und Religion im 18. Jahrhundert |
André Krischer, Münster |
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15:00 Uhr |
Dritter Analyseschritt: Aufklärung, Französische Revolution, Amerikanische Revolution: Der Ursprung der Menschenrechte und ihre Universalisierung nach 1945 |
Moderation: Karl Gabriel, Münster Kommentar: Hans Joas, Freiburg/Chicago |
Soziologischer Impuls | Religionsfreiheit – ein neuzeitliches Differenzierungsmuster und seine Entstehung |
Matthias Koenig, Göttingen/Toronto |
Historische Analyse | Differenzierung und Entdifferenzierung von Religion und Politik als Wurzeln von Menschenrechten | Wolfgang Reinhard, Erfurt |
Religiöser Ursprung der Menschenrechte – eine verfehlte Ätiologie? |
Daniel Bogner, Münster | |
Von spezifischen Christenrechten zu allgemeinen Menschenrechten? Zur Genese, Definition und Durchsetzbarkeit universeller Menschenrechte in der internationalen Ordnung, 1780 – 1950 |
Christian Müller, Münster | |
Samstag, 16. April, Stadthotel Münster (Aegidiistraße 21) | ||
9:00 Uhr |
Vierter Analyseschritt: Das lange 19. Jahrhundert und die rechtliche Trennung von Kirche und Staat |
Moderation: Christel Gärtner, Münster Kommentar: Franz-Xaver Kaufmann, Bielefeld |
Soziologischer Impuls | Das 19. Jahrhundert: Zeitalter der Säkularisierung oder widersprüchlicher Entwicklungen? |
Karl Gabriel, Münster |
Historische Analyse | Säkularisierung und Sakralisierung im 19. Jahrhundert | Olaf Blaschke, Trier |
Separation of Church and State: an elusive (illusive?) Ideal | Hugh McLeod, Birmingham | |
Säkularisierung als Entkirchlichung: Trends und Konjunkturen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert | Antonius Liedhegener, Luzern |
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Abschlusskommentar |
Detlef Pollack, Münster | |
Schlussdiskussion | ||
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