Zwei Sonnen am Goldenen Horn?

Internationale Tagung am Exzellenzcluster über weltliche und geistliche Macht in Konstantinopel

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Plakat der Tagung

Um die Funktion und den Stellenwert des Patriarchen im politischen Gefüge des byzantinischen Staatswesens geht es von heute bis Freitag in einer internationalen Tagung am Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Sie wird organisiert von Prof. Dr. Michael Grünbart, Lutz Rickelt und Martin Vučetić vom Projekt B11 „Kaiser und Patriarch in Byzanz – eine spannungsreiche Beziehung“. Die 17 Vorträge von Referenten aus ganz Europa finden im Saal 1 der Bezirksregierung Münster am Domplatz 1-3 statt.

Den Wirkungsmöglichkeiten des höchsten geistlichen Amtes im byzantinischen Staatswesen, des Patriarchen, wurden bislang wenige Untersuchungen gewidmet. Das weltliche, kaiserliche Pendant dominierte die Forschungsgeschichte. Anders als im Westen war im oströmischen Reich von Beginn an das Kaisertum auch für kirchliche Belange verantwortlich und trat als Beschützer der Orthodoxie auf. Der byzantinische Kaiser wählte den Patriarchen aus und hatte bei den Konzilien das letzte Wort.

Inszenierte Begegnungen und informeller Nachrichtenaustausch

Der byzantinische Patriarch und der Kaiser – also weltliche und geistliche Machtkonzentration – standen räumlich in stets engem Kontakt. Der Umgang zwischen diesen beiden Polen reichte von hochoffiziellen, inszenierten Begegnungen und gemeinsamen Auftritten bis hin zu informellem Nachrichtenaustausch und geheimer Kommunikation. Der Patriarch erlangte in einigen Bereichen zwar autoritative Stellung, er konnte den Kaiser aber nur in wenigen Fällen in Bedrängnis bringen. Die Bühne für diese Interaktionen war die bevölkerungsreiche Hauptstadt Konstantinopel mit großen administrativen Einheiten, die das kirchliche und imperiale System stützten.

Der Abendvortrag „Ex Occidente lux? Zu den lateinischen Wurzeln der Zwei-Gewalten-Lehre des Patriarchen Photios“ von Andreas Schminck (Frankfurt am Main) findet in Verbindung mit dem „Forschungskolloquium 800-1800“ statt. Er beginnt am Mittwoch (3. November) um 18.15 Uhr in der Bezirksregierung. (bhe)

Programm

Mittwoch, 3. November
14:30–15:00
Begrüßung und Einführung in die Tagungsthematik

15:00–15:45
Umstrittene Kaiser und patriarchale Kirchen im späteren 5. Jahrhundert: Weltliche und geistliche Macht unter Zenon und Basiliskos
Sebastian Kolditz, Bochum
15:45–16:30
Eskalierende Konflikte. Gewalt von Kaisern gegen Patriarchen im 8. Jahrhundert
Martin Vučetić, Münster
17:00–17:45
Zur Dämonisierung des ikonoklastischen Kaisers im postikonoklastischen Patriarchat
Georgios Makris, Münster
18:15–19:45

Ex Occidente lux? Zu den lateinischen Wurzeln der Zwei-Gewalten-Lehre des Patriarchen Photios

In Verbindung mit dem Forschungskolloquium
800–1800

Andreas Schminck, Frankfurt am Main

Donnerstag, 4. November
09:00–09:45
Sonne und Mond im Westen? Das Papsttum und das westliche Kaisertum
Ernst-Dieter Hehl, Mainz
09:45–10:30
Die melkitischen Patriarchen und Konstantinopel im 9. Jahrhundert
Juan Signes, Valladolid
11:00–11:45
Legibus solutus? Kaiser und Patriarch im Konfliktfall
Ralph-Johannes Lilie, Berlin
11:45–12:30
The sacrality of a sovereign: Leo VI and politics in middle Byzantium
Meredith L.D. Riedel, Oxford
14:30–15:15
The path towards Michael Keroularios: the power, self-presentation and propaganda of the patriarchs of Constantinople in the late 10th and early 11th century
Vlada Stankovic, Belgrad
15:15–16:00
Patriarches et empereurs : de l’opposition à la révolte ouverte
Jean-Claude Cheynet, Paris
17:00–17:45
Le Patriarche: Image littéraire et realité politique
Marina Loukaki, Athen
17:45–18:30
Der byzantinische Patriarch als Vermittler
Alexandru Anca, Bamberg
18:30–19:15
Zwischen Kaiser und ökumenischem Patriarch: die Rolle der griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiocheia in den politischen und kirchlichen Auseinandersetzungen des 11.-13. Jahrhunderts in Byzanz
Klaus-Peter Todt, Mainz

Freitag, 5. November
09:00–09:45
„Wo hat es Derartiges je gegeben?“ Die Exkommunikation Michaels VIII. Palaiologos und die Lösung des Kirchenbannes durch Patriarch Ioseph I. Galesiotes
Lutz Rickelt, Münster
09:45–10:30
Symbols of power and symbols of piety: Dynastic and religious iconography on Late Byzantine coinage
Pagona Papadopoulou und Cécile Morrisson, Paris
11:00–11:45
Interaktion zwischen Kaiser und Patriarch im Spiegel des Patriarchatsregisters von Konstantinopel
Ekaterina Mitsiou, Wien
11:45–12:30
Das Zünglein an der Waage? Die politische Funktion des Patriarchen in Byzanz
Michael Grünbart, Münster
12:30–13:00
Résumé