Politische Märtyrer

Tagung zur Deutung des gewaltsamen Todes

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Plakat der Tagung

Den Traditionen des Selbstmordattentats und anderer Formen des selbst gewählten gewaltsamen Todes widmet sich die Tagung „Politische Märtyrer. Sinnzuschreibungen in Vormoderne und Moderne“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Sie findet am 10. und 11. Dezember im Hauptgebäude des Exzellenzclusters statt (Johannisstraße 1-4, Raum J119). Organisatoren sind Mittelalter-Historiker Prof. Dr. Christoph Dartmann, der das Cluster-Projekt „Die Konstruktion von Autorität in normativen Texten des Frühmittelalters“ leitet, und Religionswissenschaftlerin Verena Voigt aus der Graduiertenschule des Exzellenzclusters.

Der selbst gewählte gewaltsame Tod zählt nach Einschätzung der Tagungs-Organisatoren zu den bedrückenden Erfahrungen der Gegenwart. Für das Ziel, möglichst viele andere mit in den Tod zu reißen, hätten in den letzten Jahren zahllose Menschen freiwillig ihrem Leben ein Ende gesetzt. Außerdem würden Opfer politischer und sozialer Auseinandersetzungen als Märtyrer verehrt. „In diesen Phänomenen mischen sich politische, soziale und religiöse Motive in kaum entwirrbarer Weise“, so die Organisatoren.

Voigt und Dartmann möchten mit ihrer Tagung die aktuellen Befunde in die Perspektive ihrer kulturellen und religiösen Traditionen stellen: „In den abrahamitischen Religionen genießt das Martyrium, die Bereitschaft, durch sein Leben Zeugnis für die Wahrheit oder für den wahren Gott abzulegen, hohe Reputation.“ So habe Tertullian das Blut der Märtyrer als Samen der Kirche bezeichnet. In der Stilisierung moderner Märtyrer spiele der Rekurs auf traditionale, religiöse Deutungsmuster eine zentrale Rolle. Andererseits belege das Befremden, mit dem diese Sinnzuschreibungen zum gewaltsamen Sterben kommentiert werden, wie fremd diese religiösen Traditionen im aktuellen Diskurs erscheinen.

Deswegen fragen die Organisatoren auf der einen Seite nach den Deutungen und auch der Praxis des Martyriums in der Geschichte des Judentums, des Christentums und des Islam. Auf der anderen Seite sollen Aneignungsprozesse nachgezeichnet werden, durch welche die religiösen Deutungsschemata in den Dienst des Nationalstaats, des technisch-industriellen Fortschritts oder moderner politischer Emanzipationsbewegungen gestellt werden. Die Teilnehmer der Tagung werden diskutieren, welche Bedeutung ältere Deutungsmuster haben und aus welchen Sinnressourcen sich die moderne Praxis speist. (arn)

Programm


FREITAG, 10.12.2010

14:00
Politische Märtyrer – Sinnzuschreibungen in Vormoderne und Moderne
Verena Voigt und Christoph Dartmann, Münster

1. Sektion: Vom frühchristlichen Märtyrer zum medial inszenierten Gottesmenschen
14:30
Wie verhält man sich richtig? Autoritätskonflikte zwischen Cyprian von Karthago und den Bekennern
Eva Baumkamp, Münster

Pause

15:45
Wie wird ein Toter zum Märtyrer? Zur Deutung des gewaltsamen Todes bei innerchristlichen Auseinandersetzungen des Mittelalters
Christoph Dartmann, Münster
16:30
„Sterben auf dem Feld der Pflicht“. Die sprachliche und bildliche Inszenierung der Opfer der Explosionsunglücke bei der BASF 1921 und 1948
Katja Patzel-Mattern, Heidelberg
17:15
Der Tod von Papst Johannes Paul II. Zur ‚Stilisierung‘ von Gottesmenschen im Kontext moderner Sinnsuche
Hubertus Lutterbach, Duisburg/Essen

SAMSTAG, 11.12.2010

2. Sektion: Zwischen religiösen und politischen Bedeutungszuschreibungen:
Märtyrer im Islam
09:15
Auf dem Schlachtfeld der Märtyrer. Sunnitische Märtyrerkonzepte im frühen Islam und in der Gegenwart
Silvia Horsch-Al Saad, Berlin
10:00
Der Märtyrer als Same der neu entstehenden Nation – Märtyrersymbolik am Beispiel Palästina und Sri Lanka
Verena Voigt, Münster

Pause


3. Sektion: Märtyrer im Judentum – Geschichte und Gegenwart
11:15
„Heiligung des göttlichen Namens“? Jüdische Martyriumsvorstellungen in Antike und Mittelalter
Regina Grundmann, Münster
12:00
Nie wieder! (Über-)Leben und Tod in der israelischen Kultur
Eva-Maria Schrage, Münster
12:45
Schlussreflexion