Sterben über den Tod hinaus

Politische, soziale und religiöse Ausgrenzung in vormodernen Gesellschaften

News Tagung Sterben ueber Den Tod Hinaus

Abbildung aus dem Sachsenspiegel (Heidelberg, Codex palatinus Germanicus 164, fol. 15v)

In vormodernen Gesellschaften wurde eine Person erst in ihren Beziehungen zu anderen Menschen als wirklich lebendig angesehen. Entsprechend bedeutete eine Isolation aus dem Gemeinwesen eine Minderung des Lebens und der Existenz. Der Ausschluss konnte schließlich so weit gehen, dass man die Ausgegrenzten als Tote bezeichnete. Ein Workshop am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ untersucht vom 26. bis zum 28. November epochen- und kulturübergreifend Formen der Ausgrenzung auf ihre politischen, sozialen und religiösen Absichten hin und beleuchtet dieses Phänomen in einem interdisziplinären Zugriff.

Soziale Eingebundenheit als Leben - Isolation als Tod

Der Vorstellung einer politischen, sozialen und religiösen Ausgrenzung liegt die Wahrnehmung zugrunde, dass der Tod nicht nur ein biologisches Phänomen ist, sondern ebenfalls durch die kulturelle Praxis einer Gesellschaft bestimmt wird. So stirbt ein Mensch als physisches Individuum den biologischen Tod; gleichzeitig verstirbt er als Mitglied einer sozialen Gemeinschaft. Biologischer und sozialer Tod können dabei deckungsgleich sein, aber auch auseinander treten. Dies bedeutet, dass einerseits biologisch Lebende wie bereits Verstorbene behandelt werden können, so dass jegliche Bindung zu ihnen abgebrochen wird. Andererseits kann aber der physische Tod als vermeintliche Zäsur gesellschaftlich nivelliert werden, wobei freilich die jeweiligen Jenseitsvorstellungen das Bild stark verändern.

Vor diesem kulturanthropologischen Hintergrund untersucht der Workshop Formen der Ausgrenzung, die als Ahndung von Verstößen gegen die Gesellschaftsordnung eingesetzt wurden. Denn die verschiedenen Kulturen haben bei allen Gemeinsamkeiten, was die Wertschätzung sozialer Eingebundenheit angeht, die Praxis, die Reichweite und die Konsequenzen einer Isolation des Einzelnen aus der Gesellschaft sehr unterschiedlich ausgebildet. Doch obwohl die soziale und religiöse Ausgrenzung grundsätzliche Einsichten in die Funktionsweisen vormoderner Gesellschaftsordnungen erlaubt, liegen bisher nur wenige systematische Untersuchungen zu diesem Themenbereich vor. (Claudia Garnier, Johannes Schnocks)


Tagung: Sterben über den Tod hinaus. Politische, soziale und religiöse Ausgrenzung  in vormodernen Gesellschaften

Um eine Anmeldung bis zum 15. November wird gebeten.

Ort: Geiststraße 24, Seminarraum G 132, 1. OG

Programm:

26. November 2009

  • 15.00 Uhr: Begrüßung und Einführung
  • 15.30-16.30 Uhr: Manfred Dietrich, „Tod“ durch Stellungsverlust bei Hofe nach keilschriftlichen Quellen des antiken Vorderen Orients
  • 16.30-17.30 Uhr: Peter Riede, Ausgrenzung durch Verfluchung oder Bitte um Gerechtigkeit? Zur Bedeutung der Fluchaussagen in Ps 109
  • 17.30-18.30 Uhr: Claudia Garnier, Der soziale Tod. Formen und Funktion der weltlichen und geistlichen Exklusion im Spätmittelalter

Moderation:  Johannes Schnocks

27. November 2009

  • 8.30-9.30 Uhr: Ralf Rothenbusch, Unreinheit als Mechanismus des sozialen Ausschlusses in der priesterlichen Gebotsmitteilung der Tora.
  • 9.30-10.30 Uhr: Regina Grundmann, Unreinheit und Tod aus der Sicht des rabbinischen Judentums
  • 11.00-12.00 Uhr: Rob Meens, Exil, Buße und sozialer Tod. Ausschließungsmechanismen in den frühmittelalterlichen Bußbüchern 
  • 12.00-13.00 Uhr: Petra Ehm-Schnocks, „Einen frundlichen entscheid und forrichtunge gemacht von des Todslagis wegen“ Soziale Exklusion und sozialer Tod als Mittel der Gewaltminderung im Spätmittelalter

Moderation: Sita Steckel

  • 15.00-16.00 Uhr: Hubert Roeder, "Siehe, du lässt mich Finsternis sehen." Religiös-rituelle Strategien politischer und sozialer Ausgrenzung und Reintegration im Alten Ägypten.
  • 16.00-17.00 Uhr: Sebastian Scholz, Soziale und religiöse Ausgrenzung in den Kanones der merowingischen Synoden
  • 17.30-18.30 Uhr: Gerald Schwedler, Tod und Vergessen androhen. Ausgrenzung als metaphorische Waffe im Konflikt Ludwigs des Bayern mit der Kurie

Moderation: Gerd Althoff

28. November 2009

  • 9.00-10.00 Uhr: Johannes Schnocks, 2Sam 21 und 2Makk 12 – Zwei merkwürdige Geschichten vom Umgang mit ungewöhnlichen Toten
  • 10.00-11.00 Uhr: Romedio Schmitz-Esser, Zur Vernichtung von Körperlichkeit. Ausgrenzung des Leichnams als Inkriminierung des Toten im Mittelalter

Moderation: Claudia Garnier

  • 11.30-12.30 Uhr: Schlussdiskussion