Tagung “Translating Colonialism” in Cambridge, November 2024
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Teilnehmer*innen der Konferenz „Translating Colonialism“, Westminster College Cambridge, 7.-8. November 2024.
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Vom 7. bis 8. November 2024 trafen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Welt zur Konferenz ”Translating Colonialism Conference“ am Westminster College der Universität Cambridge. Die Konferenz war die wichtigste Veranstaltung im zweiten Jahr des Projekts Global Bible und wurde über ein Jahr lang geplant und konzipiert.

Die Beiträge waren in Sektionen organisiert, die sich grob an geografischen und chronologischen Themen orientierten, wobei die Bandbreite und Vielfalt der Themen und Ansätze ein Hauptmerkmal der Konferenz war.

Die Konferenz begann mit einer kurzen Präsentation des Global-Bible-Projektteams, sowohl des Münsteraner Teils unter der Leitung von Felicity Jensz und Michael Wandusim (der leider nicht teilnehmen konnte) als auch des Bristoler Teams mit Hilary Carey, Floris Solleveld und Mei Mei Cheung. Darin wurden die Ursprünge des Projekts und sein Schwerpunkt auf drei Fallstudienregionen im kolonialen Westafrika, in Ozeanien und in der Arktis dargelegt. Die Konferenz wurde um Teilnehmerinnen und Teilnehmer erweitert, die über Bibelübersetzungen in China, Russland, Indien und in einem größeren zeitlichen Rahmen von der frühchristlichen Ära bis in die heutige Zeit referierten.

Die erste Sektion war Tamil Nadu in Indien gewidmet. Daniel Jeyaraj (Liverpool Hope) sprach über die dänischen lutherischen Missionare, die in der dänischen Kolonie Tranquebar die ersten Übersetzungen ins Tamilische anfertigten. Hepzibah Israel (Edinburgh) analysierte die übersetzte Bibel im Hinblick auf ihre Materialität und als Symbol für den Übersetzungsprozess, wobei sie eine Reihe von eindrucksvollen Illustrationen zeigte, darunter Bibelkolporteure und Bibelfrauen im kolonialen Indien.

Teilnehmer*innen betrachten die Zeichnungen von Manfred Wkeng Aseng auf der Konferenz ”Translating Colonialism”.
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Die zweite Sektion befasste sich mit einer Reihe von technologischen Herausforderungen und beinhaltete einen Beitrag von Benjamin Weber vom Münster’ischen Digital-Humanities-Team über eine Webseite, die eine Karte zeigt, wann und wo verschiedenen Bibelübersetzungen erschienen. Die Webseite und dazu gehörige Dataset baut mit Genehmigung der United Bible Society auf Daten aus dem ”Book of a Thousand Tongues” auf, das von Eric North (1938) und später von Eugene Nida (1972) herausgegeben wurde. Es gab eine lebhafte Diskussion über Aspekte der Karte als Hilfsmittel für zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zu der Neil Rees (United Bible Societies) wertvolle Beiträge leistete. Auf diese Präsentation folgten zwei künstlerische Beiträge. Leeza Awojobi, eine in Bristol lebende Dichterin, stellte ein Gedicht und eine Videoreflexion über das Erbe ihrer Familie, die ursprünglich aus der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun stammt, und ihre „verlorene“ Muttersprache Kpwe (Mokpwe) vor. Es folgten die Arbeiten des neuguineischen Künstlers Manfred Wkeng Aseng über die Ankunft der anglikanischen Missionen in seinem Heimatort Kaironk im Hochland, die mit traditionellen Bildern dargestellt wurde.

Manfred Wkeng Aseng, Zeichnung über die Reisen seines Bruders nach Popendetta (PNG)
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Onesimus Ngundu von der Cambridge University Library referierte über die Sammlung der British and Foreign Bible Society. Es folgten Vorträge über Aspekte der Übersetzung aus zwei verschiedenen Zeiten und Perspektiven: Tyler Horton (Cambridge) über Strategien zur Übersetzung des hebräischen Begriffs ruah (Wind/Atem/Geist) in der Septuaginta und Uchenna Oyali (Abuja) über die sich wandelnde Bedeutung von nsọ ('Heiligkeit'/heilig/unrein), einem Wort mit sowohl positiver als auch negativer Konnotation, in der Igbo-Bibelübersetzung.

In der letzten Sektion des Tages analysierte Brian Stanley (Edinburgh) die Bedeutung des Begriffs „Heiden“ und stellte die Frage, ob die abwertende Konnotation dieses Begriffs in der Realität Auswirkungen auf die soziale Abgrenzung der Ethnie in den Kolonialgesellschaften hatte. Laura Rademaker (ANU, Canberra) führte uns in die postkoloniale Ära im angeblich post-kolonial Australien. Anhand ihrer Analyse der zweisprachigen Schulpolitik im Northern Territory, ein Territorium in Nordern Australiens, stellte sie fest, dass die missionarische Erziehung noch lange nach dem Ende der formellen Arbeit der Missionen in den Siedlerländern fortbesteht. In ihrem Beitrag analysierte Mia Jacobs (Bristol) die Bedeutung der biblischen Verweise auf die Menstruation in Levitikus (3. Mose) und die Frau, die zwölf Jahre lang ihre Regelblutung hatte (Mt. 9,20-22; Mk. 5,25-34; Lk. 8,43-48), um abwertende Interpretationen des Status der Menstruation sowohl in der Antike als auch heute zu hinterfragen.

Am nächsten Tag, dem 8. November, began die erste Sektion mit einem Vortrag von De Valera Botchway (Cape Coast), der über den Twi (Akan)-Begriff nyamesom pa referierte. Seiner Meinung nach wurde der Begriff falsch als „Religion“ übersetzt, und dadurch als eine von anderen Lebensbereichen getrennte Praxis charakterisiert. Er argumentierte, dass es traditionell keine solche Unterscheidung gab und dass die Übersetzung in ein westliches Idiom ältere Lebens- und Wissensweisen untergrub. Mit seinem Beispiel appllierte er, eine volle Bedeutung traditioneller religiöser Begriffe zu verstehen, da sie in neue biblische Kontexte übersetzt wurden. John Ekem (Accra) untersuchte die frühesten muttersprachlichen Übersetzer der Bibel an der Goldküste anhand der Arbeit von Christian Protten und Jacobus Capitein. Er argumentierte, dass sie mehr als nur Übersetzer waren, sondern notwendigerweise als kulturelle Vermittler fungierten, die dynamische Interpretationen der Sprache lieferten, um den neuen Bedürfnissen der Zeit gerecht zu werden. Toon van Hal (Leuven) analysierte die Zusammenstellung von Übersetzungen des Vaterunsers und erklärte, dass diese Praxis das globale Bibelprojekt in Miniaturform widerspiegelt, und gab Einblicke in das sich entwickelnde Verständnis globaler Sprachen und die Beziehung zwischen wissenschaftlicher und missionsorientierter Linguistik.

In der sechsten Sektion trug Holger Strutwolf (Münster) über das erste Jahrhundert des Christentums vor und zeigte anhand einer reichen Auswahl von Beispielen auf, dass Fragen der Übersetzung und der Bearbeitung der Schrift nicht neu sind, sondern zur Übertragung der Schrift in neue Sprachen gehören. In zwei sich ergänzenden Vorträgen untersuchte Lisa Kerl (Münster) die Rolle deutschsprachiger Missionare und die Herausforderung der Übersetzung der Bibel ins klassische Chinesische im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert; Anastasia Akulich (Leeds) befasste sich mit der Arbeit russisch-orthodoxer Missionare und ihrer engen Zusammenarbeit mit chinesischen orthodoxen Christen sowie mit der Frage, inwieweit Letztere bei der Übersetzungsarbeit tatsächlich unabhängige Akteure waren.

James Wyld. The World: designed to show the languages and dialects into which the BFBS has translated the scriptures. 2nd ed, 1841
© James Wyld

In der letzten Sektion trugen die beiden Teams des Global-Bible-Projekts vor. Floris Solleveld (Bristol) erläuterte, wie das globale Übersetzungsprojekt der BFBS und der ihr angeschlossenen Gesellschaften zu einer virtuellen und einer physischen Weltkarte der Sprachen sowie zu einem umfangreichen Bestand an linguistischen Daten geführt hat. Felicity Jensz (Münster) untersuchte die Kooperation und den Wettbewerb zwischen deutschen und britischen Bibelgesellschaften im kolonialen Westafrika und hob die bedeutenden Leistungen und den Beitrag der muttersprachlichen Übersetzer hervor. Abschließend zog Judith Becker ein Resümee und gab einen Rückblick auf die zwei Tage intensiver Diskussionen.

Zum Abschluss gingen die Tagungsteilnehmer*Innen den kurzen Weg zur Universitätsbibliothek von Cambridge, um eine Ausstellung der British and Foreign Bible Society zu besuchen. Die von Floris Solleveld ausgewählten Exponate zeigten die Arbeit indigener und muttersprachlicher Übersetzer aus vielen Kulturen sowie Archiv- und Druckerzeugnisse, die die Geschichte und den Fortschritt einzelner Bibelübersetzungsprojekte veranschaulichen, sowie eine Kopie von Wylds Weltkarte aus dem Jahr 1841, auf der alle Sprachen verzeichnet sind, in die die BFBS die Bibel übersetzt hat.

Aus dem Englischen von Hilary Carey (Bristol)

Mehr zum Projekt „Global Bible“ (GloBil)

  • Tagungsprogramm

    Thursday 7 November

    9:00–9:30 am Registration and reception 

    9:30 –10:00 am Welcome and opening remarks  

    10:00 – 11:00 am Panel 1 

    • Daniel Jeyaraj (Liverpool)
      Danish Colonialism in India (1620 – 1845) and Bible Translations
    • Hepzibah Israel (Edinburgh)
      Translation and Materiality in the Global Circulation of the Bible

    11:30 – 1:00 pm Panel 2  

    • Onesimus Ngundu (Cambridge)
      The BFBS Archives as a Library, a Legacy and a Living Testimony
    • Benjamin Weber (Münster)
      Presentation on the Bible Translation Map
    • Artist presentations

    1:00 – 2:00 pm Lunch 

    2:00 – 3:30 pm Panel 3 

    • Martha Frederiks (Utrecht)
      The missionary strategy of using of ajami (vernacular in Arabic script) and Arabic Bible translations (or passages) as a tool to evangelize Muslims in West Africa 
    • Tyler Horton (Cambridge)
      Wind or Spirit? Decolonizing Bible Translation with the Septuagint  
    • Uchenna Oyali (Abuja)
      From “Sacred Prohibitions” to “Holiness”: The Semantic Extension of Nsọ in Igbo Bible Translation

    3:30 – 4:00 pm Afternoon break 

    4:00 – 5:30 pm Panel 4 

    • Brian Stanley (Edinburgh)
      The “Heathen” in the Bible and Colonial Vocabulary 
    • Laura Rademaker (Canberra)
      Missionary translation in Australia beyond 1914 
    • Mia Jacobs (Bristol)
      Blood as a Liminal Space between the Holy and the Worldly: A narrative exploration of the womb and flesh in Christian theology  

    5:30 – 6:00 pm Advisory Board Meeting 

    7:00 – 9:00 pm Conference dinner

     

    Friday 8 November

    9:00 – 10:30 am Panel 5 

    • De Valera Botchway (Cape Coast)
      “Nyamesom pa”: A (mis)translated concept in the Twi (Akan) Bible? 
    • John D.K. Ekem (Accra)
      Shapers of theology via bible translation/interpretation: insights from some 18th century models on the gold coast (Ghana)
    • Toon van Hal (Leuven)
      Between linguistics and missiology: 19th-century Lord’s Prayer collections

    10:30 to 11:00 am Morning break [Book launch TBC] 

    11:00-12:30 pm Panel 6 

    • Holger Strutwolf (Münster)
      Lost in Translation? How the New Testament was translated in antiquity.
    • Anastasiia Akulich (Leeds)
      From Russia to China and Back: The Shifting Geographies of Russian Orthodox Translations into Chinese and the Changing Role of Indigenous Translators  
    • Lisa Kerl (Münster)
      The Confusion of Tongues: Struggles in Translating the Bible into Chinese

    12:30 to 1:30 pm Lunch 

    1:30-3:00 pm Panel 7 

    • Floris Solleveld & Hilary Carey (Bristol)
      Translation and the Missionary World Map: Maps and Histories of the British and Foreign Bible Society, 1804-1904 
    • Michael Wandusim & Felicity Jensz (Münster)
      German and British Bible Societies in Colonial West Africa: A study of entangled network of institutions and resources in translating the Bible into West African mother tongues 
    • Judith Becker (Berlin)
      Closing observations and discussion

    3:00 to 3:30 am Afternoon break Walk to Cambridge University Library 

    3:30 to 4:30 Tour/ Display BFBS Archives