WWU Münster
Westfälische Wilhelms-Universität
Münster



Jahresbericht des Rektors 1995

DFG-Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse"
am Institut für Experimentelle Audiologie



Die Klinische Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse" wurde 1989 am Institut für Experimentelle Audiologie eingerichtet. In dem zur Aufnahme der Forschergruppe 1991 fertiggestellten Gebäude ist eine Forschungseinrichtung - das Biomagnetismuszentrum - geschaffen worden, die in der Welt zu den herausragenden Einrichtungen ihrer Art gehört und die wissenschaftlich unter die Spitzengruppen einzuordnen ist.

Den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit in den vergangenen Jahren bildeten sieben Projekte: zwei klinisch orientierte Projekte (Tinnitus und Epilepsie), zwei Projekte der physiologischen Grundlagenforschung (Funktionelle Organisation des Hörkortex, neuronale Grundlagen der Sprachverarbeitung) sowie drei theoretische Projekte (Neuroinformatik, Volumenleiter- und Quellenmodelle sowie Biosignalanalyse). Die Projekte wurden von drei Professoren und zwei weiteren habilitierten Mitarbeitern geleitet. Insgesamt wurden 16 Stellen durch die DFG finanziert. Die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten des Biomagnetismuszentrums sind inzwischen zu einem bleibenden Anziehungspunkt für zahlreiche Wissenschaftler aus dem In- und Ausland geworden.

Die Magnetoenzephalographie (MEG) - das biomagnetische Pendant zur Elektroenzephalographie (EEG) - hat sich als zukunftsträchtiger Forschungszweig der Neurowissenschaften herauskristallisiert. Zwar ist die räumliche Auflösung aus physikalischen Gründen begrenzt, hinsichtlich der zeitlichen Auflösung besteht dagegen eine erhebliche Überlegenheit gegenüber allen anderen bildgebenden Verfahren. Ein weiterer Vorteil besteht insbesondere auch darin, daß die Untersuchung weder mit einem operativen Eingriff noch mit Strahlenbelastungen verbunden ist. Bei Kenntnis der individuellen neuroanatomischen Strukturen, die aus Magnetresonanztomogrammen gewonnen werden können, lassen sich aus der Kombination von MEG und EEG detaillierte Rückschlüsse auf die neuralen Aktivitäten der Großhirnrinde ziehen. Auf diesem Gebiet konnte die Forschergruppe im Berichtszeitraum entscheidende methodische Fortschritte erzielen. Wenngleich der Schwerpunkt der Arbeit der Grundlagenforschung zuzurechnen ist, kann inzwischen auch auf erste Erfolge auf dem Gebiet der prächirurgischen Diagnostik verwiesen werden.

Darüber hinaus konnten innerhalb des vergangenen Jahres neue Erkenntnisse über die funktionelle Organisation und Reorganisation der Großhinrinde beim Menschen gewonnen werden. So ließen sich verschiedene tonotope Karten im Hörkortex nachweisen. Im Okzipitalbereich wurden Zentren für die Verarbeitung bewegter visueller Reize identifiziert und untersucht. In Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie wurden Veränderungen in der somatotopen Organisation nach Amputation nachgewiesen. Dabei zeigte sich u.a. auch, daß Phantomschmerz eng mit dieser Umorganisation verknüpft ist. Diese Erkenntnisse lassen die Hoffnung aufkommen, künftig Phantomschmerzen effektiver bekämpfen zu können. Gegenwärtig wird versucht, diese Erkenntnisse und Untersuchungsverfahren auch im Bereich der Erforschung des Tinnitus nutzbar zu machen.

Ende Oktober 1995 war die maximale Förderungsdauer von Klinischen Forschergruppen der DFG erreicht. Dieser Zeitpunkt bedeutete jedoch keine Zäsur für die Arbeit dieser Forschergruppe, da zuvor bereits wichtige Weichen für eine weitere erfolgreiche Arbeit gestellt worden waren. So sind inzwischen sechs der zunächst von der DFG vorfinanzierten Stellen in die Grundausstattung übernommen worden, eine weitere Stelle, die das Land NRW für das Auslaufen der Förderung durch die DFG in Aussicht gestellt hat, steht noch aus. Damit sind nunmehr auch die personellen Voraussetzungen dafür gegeben, daß auch in Zukunft erfolgreich Drittmittel eingeworben und Forschung auf höchstem Niveau betrieben werden kann.

Die Klinische Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse" war neben dem Low Temperature Laboratory der Technical University of Helsinki und dem Institut Berlin der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Wegbereiter für die Forschung auf dem Gebiet des Biomagnetismus insbesondere in Europa und Japan. Die erzielten Erfolge haben dazu geführt, daß derzeit an zahlreichen anderen Universitäten und Forschungsinstitutionen im In- und Ausland (darunter auch ein Max-Planck-Institut und das Forschungszentrum Jülich) neue biomagnetische Laboratorien eingerichtet werden. Die Klinische Forschergruppe unterstützte diese Einrichtungen durch Weitergabe der entwickelten Verfahren und der erworbenen Kenntnisse, aber auch durch Ausbildung junger Wissenschaftler, die an diesen neuen Zentren arbeiten werden. Im kommenden Jahr werden an vielen der neu ins Leben gerufenen Forschungseinrichtungen Ganzkopf-MEG-Systeme installiert werden, die nicht nur der Grundlagenforschung, sondern insbesondere auch der klinischen Forschung einen entscheidenden Auftrieb geben werden. Das bedeutet aber auch, daß die internationale Spitzenposition Münsters nur dann gehalten werden kann, wenn auch in Münster das derzeit vorhandene 37-Kanal-MEG-System durch ein Ganzkopf-MEG-System ersetzt wird.


Zurück zur Startseite  Zurück zum
Inhaltsverzeichnis  Nächster Beitrag  Vorheriger Beitrag

Hans-Joachim Peter
EMail: VDV12@uni-muenster.de
Informationskennung: JB9538
Datum: 27.03.1996; 22:50 Uhr