WWU Münster
Westfälische Wilhelms-Universität
Münster


Jahresbericht des Rektors 1994

DFG-Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse"
am Institut für Experimentelle Audiologie



Die Klinische Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse" wurde 1989 am Institut für Experimentelle Audiologie eingerichtet. In dem zur Aufnahme der Forschergruppe 1991 fertiggestellten Gebäude ist eine Forschungseinrichtung - das Biomagnetismuszentrum - geschaffen worden, die weltweit zu den herausragendsten Einrichtungen ihrer Art gehört und die wissenschaftlich unter die Spitzengruppen einzuordnen ist.

Den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit bilden sieben Projekte: zwei klinisch orientierte Projekte (Tinnitus und Epilepsie), zwei Projekte der physiologischen Grundlagenforschung (Funktionelle Organisation des Hörkortex, Neuronale Grundlagen der Sprachverarbeitung) sowie drei theoretische Projekte (Neuroinformatik, Volumenleiter- und Quellenmodelle sowie Biosignalanalyse). In der laufenden zweiten Förderungsperiode werden derzeit insgesamt 16 Stellen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert. Die Projekte werden von drei Professoren und zwei weiteren habilitierten Mitarbeitern geleitet.

Insbesondere die Magnetoenzephalographie (MEG) - das biomagnetische Pendant zur Elektroenzephalographie (EEG) - hat sich als zukunftsträchtiger Forschungszweig der Neurowissenschaften herauskristallisiert. Bei Kenntnis der individuellen neuroanatomischen Strukturen, die aus Magnetresonanztomogrammen gewonnen werden können, lassen sich aus der Kombination von MEG und EEG die neuralen Aktivitäten der Großhirnrinde eindeutig abbilden. Auf diesem Gebiet konnte die Forschergruppe im Berichtszeitraum einen entscheidenden methodischen Durchbruch erzielen, der Münster mit einem bisher einmaligen Werkzeug ausstatten könnte. Denn während die räumliche Auflösung des entwickelten Verfahrens durch die Anzahl der Sensoren und durch die Meßfläche begrenzt ist, ist es allen anderen bildgebenden Verfahren hinsichtlich seiner zeitlichen Auflösung deutlich überlegen.

Die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten des Biomagnetismuszentrums sind inzwischen zu einem bleibenden Anziehungspunkt zahlreicher Wissenschaftler aus dem In- und Ausland geworden.

Innerhalb des vergangenen Jahres konnten neue Erkenntnisse über die funktionelle Organisation und Reorganisation der Großhirnrinde beim Menschen gewonnen werden. So ließen sich verschiedene tonotope Karten im Hörkortex nachweisen. Im Okzipitalbereich wurden Zentren für die Verarbeitung bewegter visueller Reize identifiziert und untersucht. In Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurologie wurden Veränderungen in der somatotopen Organisation nach Amputation nachgewiesen. Dabei zeigte sich u.a. auch, daß Phantomschmerz eng mit dieser Umorganisation verknüpft ist. Diese Erkenntnisse lassen die Hoffnung aufkommen, künftig Phantomschmerzen effektiver bekämpfen zu können. Gegenwärtig wird versucht, diese Erkenntnisse und Untersuchungsverfahren auch im Bereich der Erforschung des Tinnitus nutzbar zu machen. Auch hinsichtlich der Entwicklung biomagnetischer Meßverfahren zu einem klinischen Routineverfahren, vor allem im Bereich der prächirurgischen Epilepsiediagnostik, sind weitere Fortschritte erzielt worden. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht insbesondere darin, daß der Patient weder operativen Eingriffen noch Strahlenbelastungen unterworfen ist.

Die Klinische Forschergruppe "Biomagnetismus und Biosignalanalyse" war neben dem Low Temperatur Laboratory der Technical University of Helsinki und dem Institut Berlin der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Wegbereiter für die Forschung auf dem Gebiet des Biomagnetismus, insbesondere in Europa und Japan. Die erzielten Erfolge haben dazu geführt, daß derzeit an zahlreichen anderen Universitäten und Forschungsinstitutionen im In- und Ausland (darunter auch ein Max-Planck-Institut und das Forschungszentrum Jülich) neue biomagnetische Laboratorien eingerichtet werden. Die Klinische Forschergruppe unterstützt diese Einrichtungen durch Weitergabe der entwickelten Verfahren und der erworbenen Kenntnisse, aber auch durch Ausbildung junger Wissenschaftler, die an diesen neuen Zentren arbeiten werden.

In den kommenden zwei Jahren werden an vielen dieser neuen Forschungseinrichtungen Ganzkopf-MEG-Systeme installiert werden, die nicht nur der Grundlagenforschung, sondern insbesondere auch der klinischen Forschung einen entscheidenden Auftrieb geben werden. Das bedeutet aber auch, daß die internationale Spitzenposition Münsters nur dann gehalten werden kann, wenn auch in Münster das derzeit vorhandene 37-Kanal-MEG-System durch ein Ganzkopf-MEG-System ersetzt wird.


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Hans-Joachim Peter
EMail: VDV12@uni-muenster.de
Informationskennung: D2JB9438
Datum: 24.07.1995; 23:33 Uhr