Abteilung Neuere deutsche Literatur
Tiere und Menschen in der Literatur Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Gentechnik und Reproduktionsmedizin das traditionelle Bild des Menschen grundsätzlich in Frage stellen und verändern,
fragt der Forschungsschwerpunkt nach den Figurationen des Tier-Mensch-Verhältnisses bzw. der Grenze zwischen Tier und Mensch in überlieferten und neueren
literarischen Darstellungen. Die Literaturgeschichte bietet ein reiches Reservoir an Bildern des Verhältnisses von Tier und Mensch, die vor dem Hintergrund aktueller
Theorien (Agamben, Haraway) neu gelesen werden. Das Teilprojekt (Dissertation) Tier und Mensch. (Natur)Wissenschaftliche und literarische Diskurse im 19. und 20. Jahrhundert untersucht in einer diskursanalytischen und gendertheoretischen Perspektive, auf welche Weise (natur)wissenschaftliche und künstlerische Diskurse das
prekäre Verhältnis von Tier und Mensch (als geschlechtliches Wesen gedacht) auch und gerade im biotechnologischen Zeitalter gestalten. U.a. geht es um die
Frage nach der Möglichkeit, ein Verhältnis zwischen Tier und Mensch zu entwerfen, das nicht mehr anthropozentrisch ausgerichtet ist und das Tier als Produkt
oder Material begreift. Die Reformulierung binärer Oppositionen wie Subjekt/Objekt, human/animalisch, Kultur/Natur, männlich/weiblich bildet den Hintergrund
der These, derzufolge Literatur und Kunst ein spezifisches Potenzial aufweisen, ein anthropozentrisches Wissenschaftsverständnis zu stören und zumindest
visionär aus der animalischen Perspektive zu erzählen.