Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Sonderforschungsbereich 496
Symbolische Kommunikation und
gesellschaftliche Wertesysteme vom
Mittelalter bis zur französischen Revolution

Salzstr. 41
48143 Münster
Sprecher: Prof. Dr. Gerd Althoff
 
Tel. (0251) 83-2 79 14/3
Fax: (0251) 83-2 79 11
e-mail: sfb496.sekretariat@uni- muenster.de
www: http://www.uni-muenster.de/sfb496
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Sonderforschungsbereiche
Sonderforschungsbereich 496 - Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution
Teilprojekt A3/Prof. Dr. Peter Johanek


Herrscherlicher und fürstlicher Adventus und bürgerliche Selbstdarstellung im
Reich des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit

Das Projekt A3 hat sich zum Ziel gesetzt, am Beispiel des spätmittelalterlichen Adventuszeremoniells Fragen zur Gestaltung und Funktion rituellen Verhaltens innerhalb der Stadt zu untersuchen. Das komplexe Ritual des Einzugs setzt sich aus verschiedenen zeremoniellen Handlungen zusammen, die sowohl geistlicher als auch weltlicher Natur sind und unterschiedliche Traditionen aufweisen. Das Teilprojekt untersucht daher, wie diese 'Bausteine' zusammengesetzt wurden und vor allem worauf die jeweils individuelle Gestaltung des Adventus verweist. Hintergrund dieser Fragestellung ist die Beobachtung, dass Wesen und Funktion von Ritualen am deutlichsten im Bruch der Rituale bzw. in der Abweichung von der Norm zu Tage treten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der diachronen Entwicklung des Zeremoniells: anhand der Übergangszeit des 16. Jahrhunderts, in der sich durch die Reformation vor allem der Charakter des geistlichen Fürstentums veränderte, wird nach der Dauer und dem Wandel dieses Rituals gefragt.

Die Arbeit konzentrierte sich vor allem auf die Untersuchung bischöflicher Einzüge. Die geistlichen Territorien boten sich als Einstieg an, da hier in der Regel für das Adventusgeschehen eine dichtere Überlieferung zu erwarten ist als bei den weltlichen Territorien. Darüber hinaus eignen sich die bischöflichen Herrschaften besonders als Untersuchungsfeld, da zum einen hinsichtlich chronologischer Fragestellungen von einem relativ stabilen Herrschaftsraum ausgegangen werden kann, zum anderen sich hier das Verhältnis von sakralem und weltlichem Zeremoniell besonders prägnant abbildet.

Regional konzentrierte sich die Arbeit auf vier Schwerpunkte:

  1. auf den Süden des Reiches mit den Bistümern Konstanz und Basel,
  2. auf das Gebiet der rheinischen Bistümer mit Köln, Trier und Speyer,
  3. auf den mitteldeutschen Raum, in dem vor allem Erfurt als der zentrale Platz, das Erzbistum Magdeburg und das Bistum Halberstadt untersucht wurden sowie
  4. auf die westfälischen Bistümer Paderborn und Osnabrück, bei denen der Schwerpunkt auf die Untersuchung der Reformationszeit gelegt wurde.

    Für diese Arbeiten wurden bislang die edierte chronikalische Überlieferung der Städte Basel, Bremen, Eisenach, Erfurt, Halle, Halberstadt, Hamburg, Köln, Konstanz, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Paderborn, Speyer, Wien und Zürich untersucht. In einem zweiten Schritt wurde für einige Städte auch die unedierte Überlieferung gesichtet, die gerade hinsichtlich strittiger Einzugsfälle neue Materialien zutage förderte. Bisher wurden für Konstanz, Erfurt, Magdeburg und Halberstadt die Ratsbücher, städtischen Rechnungen und Korrespondenzen, aber auch Aufzeichnungen aus dem Umfeld des Stadtherren wie Verwaltungsbücher eingesehen. Mit der frühneuzeitlichen Paderborner und Osnabrücker Überlieferung wurden zwei weitere Ortspunkte archivalisch erschlossen.

    Strukturelle Fragestellungen richteten sich auf den Zusammenhang von Ritual und Raum, auf die Ortsgebundenheit des Zeremoniells. Die Untersuchungen orientierten sich zum einen an den in der angelsächsischen Stadtgeschichtsforschung entwickelten Modellen der 'Urban landscape'. Die bearbeiteten Fallbeispiele haben gezeigt, dass der städtische Raum im Kontext des Adventus eines Herrschaftsträgers zu einem 'symbolischen Raum' wird, dem eine besondere Semantik anhaftet. Die Untersuchung der edierten und unedierten chronikalischen und archivalischen Überlieferung zum Adventus in Erfurt, Magdeburg und dem Bistum Halberstadt erbrachte unter anderem aufschlussreiches Material über den Ablauf und die Bedeutung der dem Einzug vorausgehenden Vorverhandlungen.

    Die Arbeiten zur Raumgebundenheit des Zeremoniells und zur Bedeutung der Vorverhandlungen wurden im Februar 2001 auf einer vom Projekt in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg 'Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter' organisierten Tagung mit dem Titel 'Ankunft und Abschied. Aspekte weltlichen und geistlichen Zeremoniells im Mittelalter' vorgestellt. Sie wurden mittlerweile zu mehreren Aufsatzmanuskripten erweitert, die in den vom Teilprojekt A3 herausgegebenen Sammelband 'Adventusstudien' integriert werden.

    Projektdauer:

    01.01.2000 - 31.12.2002

    Beteiligte Wissenschaftler:

    K. Hitzbleck, Prof. Dr. P. Johanek (Leiter), Dr. A. Lampen, R. Schweers, Dr. G. Tscherpel

    Veröffentlichungen:

    Adventusstudien, hg. von P. Johanek, A. Lampen, R. Schweers und G. Tscherpel (im Druck)

    Hitzbleck, K.: "Domnus episcopus per murum civitatis cecidit et sic evasit". Die Wiedereinzüge der Bischöfe von Halberstadt in Mittelalter und Frühneuzeit, in: Adventusstudien [wie oben]

    Johanek, P.: Stadtgeschichtsforschung. Leistung und Perspektiven der mediävistischen Stadtgeschichtsforschung, in: Schauplatz - Mittelalter - Friesach. Kärntner Landesausstellung 2001, 1, Klagenfurt 2001, S. 115-135

    --,: "Adventus principis": Die Funktion eines städtischen Rituals, in: Adventusstudien [wie oben]

    Lampen, A.: The Princely Entry into Town: Significance and change of an multimedia event, in: 'Multimedia Compositions from the Late Middle Ages to the Early Modern Period' (Groningen Studies in Cultural Change) (im Druck)

    --,: Das Stadttor als Bühne: Architektur und Zeremoniell, in: Adventusstudien [wie oben]

    Schweers, R.: Lange Wege, kurze Wege: Stadttopographische Aspekte des Adventus, in: Adventusstudien [wie oben]

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO31GC01
Datum: 2003-11-12